Die Polizei schützte die LGBT-Demonstration vor diesen Gegendemonstranten, beendete sie aber schließlich vorzeitig
Priester und Gläubige blockierten den friedlichen "Marsch für Solidarität" in der Hauptstadt und warfen mit Eiern. Die Polizei schützte und evakuierte schließlich die Teilnehmer.
Einen Tag nach entsprechenden Szenen im polnischen Danzig ist in der moldawischen Hauptstadt Chisinau am Sonntag eine Demonstration von Schwulen, Lesben, Bi- und Transsexuellen von Gegendemonstranten angegriffen worden.

Die Demonstration durch die Innenstadt zum Abschluss des mehrtägigen "Moldova Pride" stand unter dem Titel "Marsch der Solidarität" und verzichtete auf Regenbogenflaggen, Plakate und Lautsprecher. Teilnehmer trugen stattdessen nur weiße T-Shirts mit dem Aufdruck "Keine Angst".
An mehreren Stellen stieß die Kundgebung auf Gegendemonstranten, die teilweise den Weg blockierten. Einige warfen Eier, Tomaten und Stöcke auf die CSD-Teilnehmer und auf die Polizei, die den "Marsch der Solidarität" mit einem Großaufgebot schützte. Mit Bussen wurden die LGBT-Aktivisten schließlich aus der Innenstadt gebracht.

Bei den Gegendemonstranten handelte es sich größtenteils um orthodoxe Aktivisten und Gläubige, unter ihnen waren einige Priester zu sehen. Nach der LGBT-Demo segneten sie die Straßen neu.
Augenzeugin: Kinder als Schutzschild
"Wir sind gerade in der Innenstadt von Chisinau marschiert für Toleranz, Freiheit, Courage und die Bereitschaft, ohne Angst zu leben", berichtete eine Aktivistin auf Facebook. "Wir hatten keine Flagge. Wir hatten keine Banner. Wir hatten keine Sprechchöre oder Slogans. Wir hatten nur uns selbst, und marschierten stumm in Schwarz und Weiß mit der simplen Botschaft 'Keine Angst' auf unseren T-Shirts."

Die Aktivistin Anastasia weiter: "Wir wurden mit Eiern beworfen, auf dem Weg von Gegnern angeschrien und auf halben Weg blockiert von Gegendemonstranten mit orthodoxen Bannern und Kindern an der Frontlinie als lebendiges Schutzschild. Wir wurden beschützt durch hunderte von Polizisten in voller Kampfmontur, aber bei dieser Ansicht haben sie ihre Helme angezogen und uns in Polizeibussen evakuiert."

"Ich fühle mich wütend, aber auch hoffnungsvoll. Wir sind nicht am geplanten Ziel angekommen, aber dieser Marsch ging zwei Blöcke weiter und hatte erheblich mehr Teilnehmer als in den letzten Jahren. Mit jedem Block erzielen wir mehr Rechte und Freiheiten für alle."
Kirche und Sozialisten gegen "Homo-Propaganda"
Orthodoxe Priester und Gläubige hatten bereits zuvor in der Innenstadt eine Kundgebung abgehalten und mit Plakaten gegen LGBT-Rechte agitiert: "Keine Gay-Parade in Chisinau", "Stoppt Homo-Propaganda in Schulen" und "Stoppt die Sodomiten-Parade" stand Medienberichten zufolge auf Plakaten.

Die LGBT-Organisation "GenderDoc-M", die den CSD organisiert, hat im Kampf um rechtliche und gesellschaftliche Anerkennung immer wieder mit der orthodoxen Kirche zu kämpfen. 2012 hatte sie den Bischof von Chisinau verklagt, nachdem dieser meinte, er wolle Homosexuelle nicht auf der Straße und in Schulen sehen: "92 Prozent von ihnen sind Aids-HIV-Patienten". Im letzten September hatte das höchste Gericht eine Verurteilung des Bischofs wegen Volksverhetzung aus zwei Vorinstanzen aufgehoben (queer.de berichtete).
Die moldawische orthodoxe Kirche gilt insgesamt als äußerst LGBT-feindlich. So bekämpfte sie die Einführung eines Antidiskriminierungsgesetzes mit der Ankündigung, Abgeordnete notfalls zu exkommunizieren. Auch war sie maßgeblich an der Einführung eines Gesetzes gegen Homo-"Propaganda" beteiligt, das inzwischen wegen der Annäherung des Landes an die EU wieder aufgehoben wurde (queer.de berichtete).
Eine weitere Gegenkundgebung zum CSD, ein "Familienfest" mit Teilnehmern in weißen T-Shirts mit der Zeichnung einer heterosexuellen Familie, hatten am Sonntag auch die Sozialisten abgehalten; die derzeit stärkste, aber oppositionelle Parlamentspartei bekämpft unter ihrem Vorsitzenden Igor Dodon seit Jahren LGBT-Rechte. Noch diese Woche stellte er sich auf die Seite der Kirche im Kampf für die "traditionelle Familie" und "christliche Werte" und beklagte eine zunehmende und "schamlose" Homo-"Propaganda" im Land, die finanziell aus dem Ausland unterstützt werde.

In den letzten Tagen hatte es in Chisinau mehrere Veranstaltungen im Rahmen des CSD gegeben, die friedlich blieben: Ein Infotisch in der Innenstadt, mehrere Diskussions- und Kulturveranstaltungen, an denen sich auch Vertreter der EU und den USA beteiligten, und ein Flashmob zum Internationalen Tag gegen Homo- und Transphobie, bei dem die Teilnehmer an mehreren Stellen der Stadt händchenhaltend in einem Block zusammenstanden, stumm und in ihren schwarz-weißen Shirts mit dem Aufdruck "Keine Angst".
Die Szenen vom Sonntag sind nicht die ersten gewaltvollen des Wochenendes: Am Samstag hatten Nationalisten und Hooligans eine LGBT-Demo im polnischen Danzig angegriffen. Auch hier schützte die Polizei die Teilnehmer (queer.de berichtete). (nb)
Nachträglich ergänzt um Protest der Sozialisten
So sieht es mit der Nächstenliebe in Religionen aus.