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Landtag Sachsen-Anhalt
AfD "verteidigt" homophoben Zwischenruf

Der Abgeordnete Andreas Gehlmann mit seiner im vorläufigen stenografischen Protokoll festgehaltenen Äußerung. Die AfD spricht von einem "nicht autorisierten und nicht zitierfähigen vorläufigen Entwurf" und meint, der Zwischenruf beziehe sich auf einen anderen Satz. (Bild: Landtag Sachsen-Anhalt)
- 3. Juni 2016, 18:51h 4 Min.
Der Landtagsabgeordnete Gehlmann habe sich in seinem umstrittenen Zwischenruf nicht für eine Bestrafung von Homosexualität ausgesprochen, sondern für eine "Tabuisierung", meint die Fraktion. Ein anderer Abgeordneter behauptet, wer sich "nicht zu aufdränglich präsentiert", habe in Tunesien, Algerien und Marokko nichts zu befürchten.
Von Norbert Blech
Nach der Affäre um eine homophobe Äußerung des Magdeburger AfD-Abgeordneten Andreas Gehlmann redet sich die AfD raus – und verbreitet dabei neue homophobe und menschenfeindliche Äußerungen.
Der Skandal hatte damit begonnen, dass die Linken-Abgeordnete Henriette Quade am Donnerstag im Landtag zu der Lage Homosexueller in den Maghreb-Staaten sagte: "Insbesondere für Homosexuelle ist die Sicherheitslage mehr als prekär. Sie ist verboten und in höchstem Maße tabuisiert. Wer Homosexualität offen auslebt, dem droht dafür eine Gefängnisstrafe." Direkt darauf soll der Abgeordnete Gehlmann gesagt haben: "Das sollten wir in Deutschland auch machen!"
So steht es im vorläufigen stenografischen Protokoll, das am Freitag morgen im Landtag verteilt und von der Linkenpolitikerin entsetzt in sozialen Netzwerken verbreitet wurde. Seitdem hatte die Äußerung Schlagzeilen gemacht, auch wenn es zunächst keine weiteren Beweise für sie gab – in der Videoaufzeichnung ist sie nicht zu hören, Quade selbst hatte sie während ihrer Rede nicht mitbekommen. Am Rande der heutigen Landtagssitzung hatte auch AfD-Fraktionschef André Poggenburg der dpa zunächst gesagt, er habe den Zwischenruf nicht gehört. Andernfalls hätte er interveniert.
Am Freitagabend verbreitete die AfD dann eine Pressemitteilung, die das Zitat letztlich bestätigt, aber in einen anderen Zusammenhang stellen will: "Gehlmann hatte sich dahingehend geäußert, dass 'tabuisiert sein soll, wer Homosexualität offen auslebt'." Der Abgeordnete habe sich also auf einen vorherigen Satz Quades bezogen.
Die "Behauptung" und "Falschmeldung", der Politiker habe eine Gefängnisstrafe gefordert, sei eine "linke Verleumdung", meint die AfD. Zu der Aussage der Tabuisierung stehe der Politiker allerdings "uneingeschränkt, da er Sittenverfall und sogar allgemein offen ausgelebte Sexualität scharf ablehnt". Die AfD schafft damit bewusst den nächsten provozierenden homophoben Skandal.
Quade: "Unerträgliches" Menschenbild der AfD

Die Linken-Politikerin Henriette Quade gehört seit 2011 dem Landtag von Sachsen-Anhalt an (Bild: Martin Rulsch, wikimedia, by sa 4.0)
Die Äußerung Gehlmanns hatte am Freitag für scharfe Kritik gesorgt. So hatte sich Quade im Landtag zu einer Erklärung außerhalb der Tagesordnung zu Wort gemeldet und aus dem vorläufigen stenografischen Protokoll die Zitate zur Gefängnisstrafe in den Maghreb-Ländern zitiert. Die Äußerung Gehlmanns müsse der Öffentlichkeit bekannt gemacht werden, so die 32-Jährige.
Weiter sagte sie unter großem Applaus: "Liebe Abgeordnete der AfD, das gibt deutlich Auskunft darüber, was für ein Menschenbild Sie verfolgen, welche Gesellschaft Sie wollen, und es ist schlichtweg unerträglich." Eine direkte Erwiderung der AfD ließ der Landtagspräsident nicht zu, weil Debatten zu persönlichen Erklärungen in der Geschäftsordnung nicht vorgesehen sind.
Der grüne Bundestagsabgeordnete Volker Beck hatte in einer Pressemitteilung darauf verwiesen, dass bereits ein AfD-Kommunalpoliker die strafrechtliche Verfolgung Homosexueller in Uganda als "hart, aber konsequent" bezeichnet hatte (queer.de berichtete). Zu Gehlmann sagte er: "Wie ironisch, dass ausgerechnet die AfD, die bei jeder Gelegenheit die Deutsche Leitkultur hochhält, jetzt von Ländern wie Marrokko, Algerien und Tunesien lernen will. Bei der AfD gilt scheinbar die Devise: Kein Ressentiment bleibt unbedient. Nach dem ritualsmäßigen Zurückrudern und Dementieren kann man mittlerweile fast die Uhr stellen."
Tillschneider: Öffentlichkeit nicht mit sexuellen Neigungen behelligen

Der vermeintliche "Islamkritiker" Hans-Thomas Tillschneider redete im Landtag die Homo-Verfolgung in den Maghreb-Staaten schön (Bild: Screenshot Landtags-TV)
In der Debatte am Donnerstag war es darum gegangen, dass die Bundesregierung Marokko, Tunesien und Algerien im Asylrecht als "sichere Herkunftsstaaten" auszeichnen will. Der Bundestag hat dazu einen Gesetzentwurf verabschiedet (queer.de berichtete), über den der Bundesrat in Kürze abstimmen wird. Die AfD hatte einen später vom Parlament abgelehnten Antrag vorgelegt, dass Sachsen-Anhalt den Entwurf in der Länderkammer unterstützen solle – die Landesregierung plant eine Enthaltung.
Der Islamwissenschaftler Hans-Thomas Tillschneider, der als erster AfD-Politiker auf einer Veranstaltung von Pegida in Dresden gesprochen hatte und im März ebenfalls in den Magdeburger Landtag eingezogen war, sagte in der Debatte, Homosexuelle würden in den Maghreb-Ländern "nicht systematisch verfolgt". Eine entsprechende verharmlosende Lagebeschreibung der Bundesregierung fasste er in eigenen Worten zusammen: "Nur wer seine Homosexualität offen zur Schau stellt, kann in die Lage kommen, strafrechtlich belangt zu werden. Homosexuelles Verhalten wird also, wenn es sich nicht zu aufdränglich präsentiert, in Tunesien, Algerien und Marokko geduldet."
Eine "gewisse Zurückhaltung im öffentlichen Raum" solle nach Auffasung der Grünen unzumutbar sein, amüsierte sich Tillschneider über deren Einsatz für homosexuelle Asylbewerber. Unter Applaus seiner Fraktion meinte er: "Ich persönlich halte es ja für eine Frage des Anstands, meine Mitmenschen nicht in aller Öffentlichkeit mit meinen sexuellen Neigungen zu behelligen."
Die AfD war im März mit 24,3 Prozent der Stimmen in den Magdeburger Landtag gewählt worden; Andreas Gehlmann hatte mit 30,3 Prozent eines von 15 Direktmandaten geholt. Auch in Rheinland-Pfalz war die AfD im März erstmals in den Landtag eingezogen – und machte dort im Plenum am Donnerstag ebenfalls mit Homophobie Schlagzeilen. Fraktionschef Uwe Junge sprach sich in einer Rede gegen eine "Umerziehung" an Schulen aus und gegen ein Adoptionsrecht für homosexuelle Paare: "Als Statussymbol sind uns unsere Kinder zu schade" (queer.de berichtete).















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...quod erat demonstrandum.