Igor Dodon beim vermeintlichen Einsatz für die "traditionelle" Familie, die Kundgebung zeitgleich zum CSD vor wenigen Wochen war von den Sozialisten organisiert worden
Der prorussische Sozialist Igor Dodon richtete als Anti-CSD in Chisinau ein "Familienfest" aus und lässt das Parlament ein neues Gesetz gegen Homo-"Propaganda" debattieren.
Im Oktober steht Moldawien vor einem wichtigen Entscheid über die zukünftige Richtung des Landes: Nach einem Urteil des Verfassungsgerichts darf das Volk am 30. Oktober seinen zukünftigen Präsidenten erstmals seit 20 Jahren wieder direkt wählen. Dabei deutet sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen pro-europäischen und pro-russischen Kandidaten an.
Im Volk am beliebtesten und nach Wahlumfragen am aussichtsreichsten ist derzeit Igor Dodon, Vorsitzender der oppositionellen Partei der Sozialisten der Republik Moldau, die bei den Parlamentswahlen 2014 mit 25 von 101 Sitzen stärkste Kraft wurde. Der 41-Jährige setzt auf einen populistischen Pro-Russland-Kurs. So behauptete er im Februar, die USA und die NATO planten eine Zwangsvereinigung von Moldawien mit Rumänien.
Auch auf Homophobie setzt Dodon: In Werbespots zu Parlaments- und Kommunalwahlen tauchten Conchita Wurst und Bilder von LGBT-Demos auf, während der Parteivorsitzende die Regierung beschuldigte, "unsere traditionellen Werte und christliche Moral" zu zerstören. In der Parteizeitung "Socialistii" sprach er sich gegen einen CSD in der Hauptstadt Chisinau aus.
Russische "Tradition" für alle
Der CSD am 22. Mai stand unter dem Motto "Keine Angst". Die Polizei brach ihn schließlich nach Angriffen vorzeitig ab.
Als LGBT-Aktivisten am 22. Mai dieses Jahres eine CSD-Demonstration abhielten und von hauptsächlich orthodoxen Aktivisten angegriffen wurden, hielt Dodon auf einem zentralen Platz einen "Familientag" ab. Teilnehmer trugen weiße T-Shirts oder Baseballcaps mit einer Comic-Zeichnung eines heterosexuellen Paares mit zwei Kindern – ein ähnliches Logo nutzen "Demo für alle" und weitere homophobe Gruppen europaweit.
Wenige Tage zuvor hatte sich Dodon auf die Seite der Kirche im Kampf für die "traditionelle Familie" und "christliche Werte" gestellt und eine zunehmende und "schamlose" Homo-"Propaganda" im Land beklagt, die finanziell aus dem Ausland unterstützt werde.
Die Sozialisten legten im Mai auch einen neuen Gesetzentwurf zum Verbot von "Homo-Propaganda" nach russischem Vorbild vor: "Wir wollen die Propaganda dieses Phänomens verbannen, denn es gibt die Gefahr, dass Kinder davon Opfer in Schulen werden", sagte die stellvertretende Parteivorsitzende Vlad Batrancea. Die Vorlage wurde am 25. Mai im Kultur- und Bildungsausschuss des Parlaments angenommen.
An dem Tag jährte sich zum vierten Mal die Verabschiedung eines Antidiskriminierungsgesetzes durch das Parlament; ein Versuch der Sozialisten, dieses im Frühjahr aufzuheben, war im Parlament gescheitert. Durch das Gesetz sei "die Bewerbung von Homosexualität in der Gesellschaft aggressiver geworden", beklagt die Partei bei der Vorstellung des Gesetzes gegen Homo-"Propaganda".
Neutrale Interviews als "Propaganda"
Die "Bewerbung von Homosexualität" in öffentlichen Kundgebungen, Medien und dem Internet gegenüber Minderjährigen soll mit Geldstrafen ab 4.000 Lei (rund 100 Euro) bei Privatpersonen und 10.000 Lei im Falle von Organisationen belegt werden. Einer der Gesetzesautoren, Vladimir Turcan, sagte dem Portal newsmaker.md über LGBT, "jede Information über sie hat eine versteckte Propaganda". Daher seien generell Interviews mit Homosexuellen, auch neutrale, in Medien zu bestrafen, es sei denn, es handle sich um "Anti-Propaganda".
Mehrere Städte Moldawiens verbieten bereits Homo-"Propaganda", ohne jedoch Sanktionsmöglichkeiten zu haben. 2013 hatte das Parlament ein entsprechendes landesweites Verbot von Werbung für "Prostitution, Pädophilie, Pornografie oder jegliche andere Beziehung außerhalb von Ehe und Familie" samt Geldstrafen verabschiedet, nach erheblicher Kritik seitens der EU aber wenige Monate später wieder abgeschafft (queer.de berichtete).
Der Gesetzentwurf stammte von den Kommunisten, die mit den Sozialisten derzeit fast die Hälfte der Sitze des Parlaments ausmachen. Bei den übrigen Parteien bahnt sich eine Ablehnung des Gesetzes an. "Ich bin zuversichtlich, dass Moldawien und die Mehrheit seiner Abgeordneten diesem russisch inspiriertem Propaganda-Gesetz widerstehen wird", meinte Ulrike Lunacek von der interfraktionellen Gruppe EU-Parlamentarier zu LGBT-Rechten. Leider würden "opportunistische Politiker" versuchen, LGBT zu Sündenböcken zu machen. (nb)