https://queer.de/?26383
Deutsches Asylrecht
Trotz Morddrohungen: Lesbe in den Kosovo abgeschoben

Die Abschiebung wird als Missachtung der Menschenrechte kritisiert (Bild: flickr / brx0 / by 2.0)
- 17. Juni 2016, 13:50h 3 Min.
Abschiebe-Polizisten führten eine Lesbe aus einem oberbayerischen Frauenhaus ab und schickten sie zurück in ihre Heimat – in dem "sicheren Herkunftsland" droht ihr der Tod.
Die Abschiebung einer 23-jährigen lesbischen Frau aus Bayern in den Kosovo, die am Donnerstag durchgeführt wurde, hat Empörung ausgelöst. Rita Braaz von der Münchner Lesbenberatung LeTRa erklärte, sie sei "fassungslos". "Die Abschiebung stellt eine massive Missachtung von Lesben-, Frauen- und Menschenrechten dar!", meinte Braaz. Der Fall zeige besonders brutal, "wie unmenschlich unsere Asylpolitik inzwischen ist". Die abgeschobene Frau war von LeTRa betreut und beraten worden.
Das Martyrium der abgeschobenen Frau hatte vor sechs Jahren begonnen, als ihr Vater von ihrer Homosexualität erfuhr. Er zwang die damals 17-Jährige, sich mit einem zehn Jahre älteren Mann zu verloben. Über mehrere Monate hinweg wurde sie daraufhin von ihrem Verlobten vergewaltigt; ihr eigener Bruder folterte sie, indem er Zigarettenkippen auf ihrer Haut ausdrückte. Schließlich gelang ihr die Flucht in die Hauptstadt Priština, wo sie versteckt mit einer Frau zusammenlebte und studierte. Doch ihre Familie suchte nach ihr und drohte ihr wiederholt mit ihrer Ermordung – Schutz von den lokalen Behörden erhielt sie nicht. Schließlich entschloss sie sich zur Flucht und fand den Weg nach Deutschland.
Asylantrag nach Aktenlage abgelehnt
Die letzten Wochen fand sie Zuflucht in einem Frauenhaus in der Nähe von München. Ihr Asylantrag wurde nach Aktenlage abgelehnt, ohne dass sie zu ihren Asylgründen angehört wurde – schließlich handelt es sich beim Kosovo seit dem vergangenen Jahr um ein "sicheres Herkunftsland". Mehrere Anträge, ihre Lage darzustellen, wurden abgelehnt und ihre Abschiebung angeordnet – für ihre Rechtsanwältin blieb keine Möglichkeit mehr, weitere Schritte dagegen einzuleiten. Auch eine Petition an den Bayerischen Landtag, die von der Lesbenberatung kurz vor der Abschiebung eingereicht worden war, konnte der jungen Frau nicht helfen.
"Unsere Klientin wurde in ein Land abgeschoben, in dem sie vor dem Nichts steht und ihr Leben bedroht ist", kritisierte Braaz. Sie erklärte weiter, dass LeTRa alle Möglichkeiten ausloten werde, um die 23-Jährige weiterhin zu unterstützen.
Fall ist für Bundesamt für Flüchtlinge abgeschlossen
Die "Abendzeitung" zitierte einen Sprecherin des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, dass für die Behörde der Fall klar gewesen sei. Der Kosovo sei als "sicher" eingestuft, Minderheiten könnten sich gegen Übergriffe wehren und die Asylentscheidung sei gerichtlich bestätigt worden.
Die grüne Landtagsabgeordnete Claudia Stamm erklärte, der Fall zeige, dass die deutsche Flüchtlingspolitik versage: "Das Konstrukt der sicheren Herkunftsstaaten ist absolut ungeeignet für vulnerable Gruppen! An solchen Schicksalen zeigt sich, wie falsch der Deal vom Herbst 2015 zur Ausweitung der sicheren Herkunftsstaaten war und ist."
Diese Abschiebung macht deutlich, wie problematisch die Einordnung von Staaten als "sicheres Herkunftsland" ist. Derzeit versucht die Bundesregierung zudem, auch Algerien, Marokko und Tunesien als "sicher" zu erklären, obwohl in diesen Ländern – anders als im Kosovo – Homosexuelle auch strafrechtlich verfolgt werden. Der Bundestag hat die Ausweitung bereits mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD beschlossen, LGBT-Organisationen wie der LSVD appellieren daher an die Regierenden, den Schritt noch einmal zu überdenken. Der Bundesrat leistet derzeit noch Widerstand: Die eigentlich am Freitag geplante Abstimmung musste daher verschoben werden, weil die meisten Länder, in denen Grüne mitregieren, das Projekt ablehnen wollen (queer.de berichtete).
Allerdings kündigte der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann am Freitagmorgen seine Zustimmung im Bundesrat an. Der einzige grüne Regierungschef sagte im "ARD-Morgenmagazin", die Bundesregierung habe ihm die Zusage gemacht, dass das Asylrecht bestimmter Gruppen wie Homosexuelle oder Journalisten im Asylverfahren weiterhin geprüft werde. Neben Baden-Württemberg müssen noch zwei weitere Länder, in denen die Grünen mitregieren, der Gesetzesänderung zustimmen. Die nächste Abstimmung ist in drei Wochen angesetzt. (dk)















"Doch ihre Familie suchte nach ihr und drohte ihr wiederholt mit ihrer Ermordung. Schutz von den lokalen Behörden erhielt sie nicht"
Finde den Fehler. Zynischer geht es wirklich nicht mehr. Es ist zum Schreien. Wie kann man* Menschen nur derart kaltblütig in den sicheren Tod schicken? Wie kann man* nur mit dem Wissen weiterleben, die Ermordung von Hilfesuchenden verantwortet zu haben?
Nachrichten wie diese machen mich unglaublich traurig und wütend. Soviel zur Einzelfallprüfung von Flüchtlingen aus (angeblich) sicheren Herkunftsländern.
Es mag pathetisch klingen, aber ich habe nun wohl endgültig das Vertrauen in diesen Staat verloren...