Der alte und neue Premierminister Malcolm Turnbull ist zwar ein Befürworter der Ehe für alle, will das Parlament aber aus Rücksicht auf seine Partei darüber nicht abstimmen lassen (Bild: Liberal Party of Australia)
Gibt es einen Volksentscheid über die Ehe für alle oder stimmt das Parlament über die Gleichstellung ab? Selbst eine Woche nach der knappen Parlamentswahl ist Down Under nichts geklärt.
Es gilt als sehr wahrscheinlich, dass Australien in Kürze die Ehe für Schwule und Lesben öffnen wird. Der Weg dorthin ist allerdings nach der Parlamentswahl vom 2. Juli ungewiss: Premierminister Malcolm Turnbull von der konservativen Partei hatte im Wahlkampf einen Volksentscheid versprochen, während die oppositionelle Labor-Partei eine freie Abstimmung im Parlament befürwortete, die mit Sicherheit eine Mehrheit für die Gleichstellung hervorbringen würde (queer.de berichtete).
Wegen des kompliziertes Wahlsystems dauerte es eine Woche, bis ein wenig Klarheit über die parlamentarischen Mehrheitsverhältnisse herrschten. Turnbull hat sich am Wochenende nach langwierigen Auszählungen zum Sieger erklärt und will weiter Regierungschef bleiben. Seine konservative Parteienkoalition aus "Liberal Party" und "National Party" hat nach neuesten Zahlen mit 76 der 150 Sitze punktgenau die absolute Mehrheit geholt. Die Labor-Partei kommt auf 69 Sitze. Die restlichen Mandate verteilen sich auf mehrere kleine Parteien, darunter die Grünen.
Ob Turnbull, der selbst die Ehe für alle unterstützt, sein Versprechen eines Referendums einlösen kann, ist aber unklar: Oppositionsführer Bill Shorten von der Labor-Partei will das Plebiszit im Senat, der einem Referendum ebenfalls zustimmen muss, gemeinsam mit den Grünen verhindern – in dieser Kammer hat Turnbulls Parteienkoalition keine Mehrheit.
Volksentscheid als zu teuer und unnötig kritisiert
Shorten kritisierte am Montag insbesondere die hohen Kosten eines Volksentscheids von rund 180 Millionen Dollar (125 Millionen Euro). Zudem sei eine solche Volksbefragung nach australischem Recht nicht bindend – am Ende müsste also doch das Parlament zustimmen. Senator Nick Xenophon erklärte, eine solch unnötige Abstimmung sei lediglich die "teuerste Meinungsumfrage der Welt".
Neben der Opposition haben auch LGBT-Organisationen die geplante Abstimmung kritisiert. Sie argumentierten, dass es ohnehin bekannt sei, dass es im Parlament wie in der Gesellschaft eine Mehrheit für die Ehe-Öffnung gebe. Laut Meinungsumfragen setzen sich stabil über 60 Prozent der Australier für die Gleichstellung von Schwulen und Lesben im Ehe-Recht ein. Zudem könnte ein Referendum mit Hass-Kampagnen von Homo-Gegnern die gesellschaftliche Atmosphäre vergiften und zu einem Anstieg der homophoben Übergriffe führen.
Weiter Widerstand bei Konservativen
Für Turnbull ist die Lage in der Ehe-Frage nach der Wahl kompliziert, da es in seiner eigenen Partei nach wie vor viel Widerstand gegen die Gleichstellung gibt. Eigentlich war er vor seiner Amtsübernahme im Herbst 2015, als er seinen innerparteilichen Vorgänger Tony Abbott stürzte, selbst gegen ein Referendum. Turnbull übernahm aber Abbotts Idee einer kostspieligen Volksbefragung, um keine Grabenkämpfe in seiner Partei zu riskieren.
Bislang gibt es in Australien keine bundesweite Anerkennung von Homo-Paaren. In allen Bundesstaaten und Territorien sind allerdings in den letzten Jahren "civil unions", "domestic partnerships" oder "civil partnerships" eingeführt worden, die fast alle Rechte der (heterosexuellen) Ehe beinhalten. Bereits mehrfach gab es Auseinandersetzungen um die Ehe-Öffnung. Ein Versuch der Hauptstadtregion im Jahr 2013, die Ehe regional zu öffnen, wurde vom Obersten Gerichtshof gestoppt, weil die Bundesregierung für die Ehe-Definition zuständig sei (queer.de berichtete). (dk)
Und die internationale Wirkung wäre um ein Vielfaches grösser. Es würde Bestrebungen der Ehe-Öffnung in vielen Ländern einen gewaltigen Schub geben.