Die Mehrheit der Abgeordneten im Kieler Landtag ist für einen Gottesbezug in der Landesverfassung – die Zwei-Drittel-Mehrheit wurde jedoch knapp verfehlt (Bild: Thomas Eisenkrätzer / Schleswig-Holsteinischer Landtag)
Nur eine Stimme fehlte am Freitag im Landtag für eine religiöse Präambel – Widerstand kam vor allem von der FDP und den Piraten.
Die schleswig-holsteinische Landesverfassung stellt auch in Zukunft keinen Bezug zu Gott her. Eine entsprechende überparteiliche Initiative verfehlte am Freitag im Landtag denkbar knapp die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit. Nach einer anderthalbstündigen kontroversen Debatte stimmten 45 Abgeordete für den Antrag – für eine Verfassungsänderung wäre eine Stimme mehr erforderlich gewesen.
Der Antrag war bereits eine Kompromissversion, in der es hieß, die Verfassung schöpfe "aus dem kulturellen, religiösen und humanistischen Erbe Europas und aus den Werten, die sich aus dem Glauben an Gott oder aus anderen Quellen ergeben". Zwei weitere Gesetzentwürfe hatten zuvor klar die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit verfehlt. Eine Version mit direktem Gottesbezug erhielt 31 Stimmen, für eine Vorlage ohne Gottesbezug stimmten 37 Abgeordnete.
SPD-Fraktionschef Ralf Stegner warb für den Kompromiss
Für die Kompromissversion votierten alle 22 Abgeordneten der CDU, viele Ja-Stimmen gab es auch aus der SPD. Im Plenum hatte SPD-Fraktionschef Ralf Stegner für die Vorlage geworben, da sie Grundwerte wie Solidarität, Frieden, Toleranz und Menschenrechte enthalte. Diese Grundwerte seien "nicht beliebig, sondern welche, die wir alle teilen und die Terroristen ausschließt". Der Kompromissvorschlag enthalte die Möglichkeit, sich auf Gott zu beziehen, er fordere aber auch Toleranz ein.
Während die Grünen beim Gottesbezug gespalten waren, kam der größte Widerstand gegen die Initiative von der FDP, den Piraten und dem Südschleswigschen Wählerverband (SSW). Religiosität gehöre ins Privatleben und nicht in die Verfassung, meinte FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki. Es sei "gefährlich", sich von religiösen Lobbygruppen "unter Druck" setzen zu lassen. Der Präambel-Kompromiss sei schon in der Formulierung unlogisch und enthalte "rhetorische Leerformeln", so Kubicki. Zudem beinhalte der Glaube an Gott an sich keine Werte. Der schwule FDP-Abgeordnete Heiner Garg begründete sein Nein mit dem Satz: "Keine Religion akzeptiert mich so, wie ich bin."
Ein Gottesbezug würde dem Land schaden, meinte Piraten-Fraktionschef Patrick Breyer: "Wenn wir an das religiöse Erbe Europas anknüpfen, grenzen wir Menschen aus anderen Kulturkreisen aus." Diese Formulierung eröffne extremistischen Gruppen "ungeahnte Möglichkeiten der Polarisierung und Spaltung". Auch der Hinweis auf "Gott und andere Quellen" sei problematisch: "Mit 'anderen Quellen' könnte auch Hitlers 'Mein Kampf' gemeint sein", so der Piraten-Politiker.
Auch der SSW-Vorsitzende Lars Harms warb für den Gesetzentwurf ohne Gottesbezug – und insgesamt für mehr Gelassenheit: "Es wäre aber auch kein Beinbruch, wenn keiner der Vorschläge die nötige Mehrheit finden würde", sagte Harms. Die aktuelle Verfassung habe schon eine gute Präambel.
Junge Union fordert Volksentscheid über Gottesbezug
Die Volksinitiative "Für Gott in Schleswig-Holstein", die von der evangelischen und der katholischen Kirche sowie muslimischen und jüdischen Verbänden unterstützt worden war, bedauerte die knappe Entscheidung. Sie hatte im Vorfeld mehr als 40.000 Unterschriften für einen Gottesbezug in der Landesverfassung gesammelt und damit eine Parlamentsbefassung erzwungen. Die Junge Union Schleswig-Holstein forderte am Freitag als Reaktion auf die Niederlage im Landtag einen "sofortigen Volksentscheid".
In Deutschland haben neben dem Grundgesetz neun der 16 Landesverfassungen einen Gottesbezug. (cw)
Da muss man die FDP ausnahmsweise einmal loben. Gut gemacht. Gott hat in einer staatlichen Verfassung nichts verloren.