Kinder haben auch Regenbogen-Pflegefamilien das Recht auf zwei Elternteile (Bild: nadiaphaneuf / flickr / by 2.0)
Wieder muss ein Gericht regeln, was der Gesetzgeber "vergessen" hat: Das Münchner Amtsgericht hat entschieden, dass gleichgeschlechtliche Pflegeeltern gemeinsam die Vormundschaft übernehmen dürfen.
Das Amtsgericht München hat in einer am Freitag bekannt gegebenen Entscheidung vom 18. Mai beschlossen, dass auch verpartnerte Pflegeeltern gemeinsam die Vormundschaft für ein Pflegekind übernehmen dürfen. Die Richter erklärten, sie würden damit eine "Regelungslücke" schließen.
Derzeit sieht das Bürgerliche Gesetzbuch vor, dass von besonderen Ausnahmen abgesehen grundsätzlich nur ein Vormund bestellt werden soll. Außerdem heißt es, dass bei einem (heterosexuellen) Ehepaar beide Partner gemeinschaftlich zu Vormündern bestellt werden können. In dieser Regelung, die homosexuelle Paare grundsätzlich ausschließt, sehen die Amtsrichter "eine Diskriminierung gleichgeschlechtlicher eingetragener Partnerschaften (im Vergleich zu Ehepartnern)".
Betroffener Junge lebte den größten Teil seines Lebens bei lesbischer Pflegefamilie
Im vorliegenden Fall ging es um den zehnjährigen Tim (Name geändert), der seit 2008 bei einem lesbischen Paar lebt. Die beiden Frauen waren bereits 2005 eine eingetragene Lebenspartnerschaft eingegangen. Der Aufenthalt von Tims leiblicher Mutter ist unbekannt.
Bisher hatte ein katholischer Verein die Vormundschaft für das Kind. Die Pflegemütter beantragten beim Amtsgericht München jedoch die gemeinschaftliche Vormundschaft für Tim, da auch der Junge den Wunsch äußerte, dass seine beiden Pflegmütter für ihn Entscheidungen treffen sollten. Das Jugendamt hatte damit keinerlei Probleme – die Behörde hält die beiden Pflegemütter für geeignet. Das Amtsgericht entschied daher, dass die verpartnerten Frauen trotz der fehlenden rechtlichen Regelung die Vormundschaft übernehmen sollten. Der Beschluss ist bereits rechtskräftig.
Richter beriefen sich auf Entscheidung zur Sukzessivadoption
Die Richter beriefen sich auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur sogenannten Sukzessivadoption. Die Karlsruher Höchstrichter hatten im Februar 2013 entschieden, dass das Verbot der Adoption eines bereits vom Lebespartner adoptierten Kindes gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstößt und sowohl das gleichgeschlechtliche Paar als auch das Kind diskriminiert (queer.de berichtete).
"Nachdem der Gesetzgeber die Sukzessivadoption zulässt, ist nicht nachvollziehbar, weshalb dann eingetragene Lebenspartner nicht auch – wie Ehepaare – gemeinschaftlich zu Vormündern bestellt werden können sollten, ohne dass hierfür besondere Gründe vorliegen müssen", so die Begründung der Münchner Richter. Auch das Wohl des Kindes sehen sie durch die augenblickliche Regelung gefährdet: "Die Bestellung nur einer Pflegemutter würde um Übrigen auch dem Kindeswohl widersprechen, da sich beide gleichwertig um Tim kümmern. Schon alleine deswegen wäre es diskriminierend, nach der 'Würfelmethode' nur einen Vormund auszuwählen und hierdurch die andere Pflegemutter grundlos im Familienverband zurückzusetzen".
In ganz Deutschland suchen Jugendämter händeringend nach Pflegefamilien für Kinder, deren leibliche Eltern sich nicht um sie kümmern können oder wollen. Daher wenden sich einige Behörden direkt an gleichgeschlechtliche Paare. So wirbt die Hamburger Familienbehörde derzeit anlässlich der Pride Week dafür, dass Schwule und Lesben Pflegekinder aufnehmen (queer.de berichtete). (dk)
Wieso haben wir überhaupt noch eine gut bezahlte Bundesregierung, wenn eh die Gerichte die Arbeit übernehmen müssen?