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Antidiskriminierungsstelle des Bundes
Experten fordern AGG-Verschärfung

Christine Lüders ist seit 2010 Chefin der Antidiskriminierungsstelle und kämpft für einen besseren Schutz von Minderheiten (Bild: Flickr / Heinrich-Böll-Stiftung / Stephan Röhl / by 2.0)
- 8. August 2016, 13:45h 2 Min.
Das Gleichbehandlungsgesetz wird zehn Jahre alt – und ist laut einem noch nicht veröffentlichten Expertenbericht ein Tiger ohne Zähne.
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) muss nachgebessert werden, um einen effektiven Rechtsschutz zu erzielen. Das ist laut der "Welt" die Ansicht eines Evaluationsberichtes, den die Antidiskriminierunsstelle des Bundes am Dienstag veröffentlichen will. Nach Angaben der Tageszeitung verlangen die Autoren eine umfassende Reform, darunter auch das Recht von Interessenverbänden, Firmen wegen Diskriminierung zu verklagen.
"Angesichts der zahlreichen Barrieren auf dem Weg zu individuellem Rechtsschutz sollte der Gesetzgeber kollektiven Rechtsschutz im Wege eines Verbandsklagerechts für entsprechend qualifizierte Antidiskriminierungsverbände etablieren und die Rechte von Betriebsräten und Gewerkschaften stärken", heißt es demnach in dem Bericht. Zudem soll die Frist, bis zu der man dem Arbeitgeber einen Verstoß mitteilen muss, verlängert werden – von derzeit zwei Monaten auf ein halbes Jahr.
Das AGG war 2006 von der Großen Koalition beschlossen worden (queer.de berichtete). Auch Diskriminierung aufgrund von sexueller Identität wurde verboten. Damit setzte die Bundesregierung im Wesentlichen eine Vorgabe der EU-Kommission um. Schon damals gab es eine Debatte über das Verbandsklagerecht, das insbesondere von Arbeitgebervertretern und der Union abgelehnt wurde.
Ausweitung der Diskriminierungsmerkmale
In dem Evaluationsbericht wird vorgeschlagen, mehr Diskriminierungsmerkmale in das Gesetz aufzunehmen – etwa die soziale Stellung oder das Einkommen. Außerdem werden konkret mehr "positive Maßnahmen" für Migranten gefordert, etwa eine Quote. Als Beispiel wird die Frauen-Quote in Führungspositionen genannt. Zudem wird angeregt, Diversity-Ziele verpflichtend zu machen. Diese Maßnahmen seien effektiver als Klagen nach einer bereits erfolgten Diskriminierung.
Die Experten erklärten auch, dass Befürchtungen einer durch das AGG angefachten Klagewelle nicht wahr geworden seien – ganz im Gegenteil gebe es Anzeichen "mangelnder Anreize und Ressourcen der Rechtsmobilisierung". Das Thema hatte vor zehn Jahren in der öffentlichen Debatte eine große Rolle gespielt: So hatte der damalige Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt vor einer "Amerikanisierung" des Diskriminierungsrechts gewarnt und unter anderem gefordert, Schwule und Lesben nicht im Zivilrecht vor Diskriminierung zu schützen (queer.de berichtete).
Die Antidiskriminierungsstelle wird Ende September das zehnjährige Bestehen des Gesetzes mit einem Festakt begehen. Die Festrede hält Bundejustizminister Heiko Maas (SPD), ein Grußwort kommt von EU-Justizkommissarin Vĕra Jourová.
Im April hatte die Antidiskriminierungsstelle eine erschreckende Studie herausgegeben, nach der jeder dritte Mensch in Deutschland in den vergangenen zwei Jahren Diskriminierungserfahrungen gemacht habe (queer.de berichtete). (dk)














