
Sollen deutsche Schulen LGBTI als gleichwertig darstellen? Das wäre verfassungswidrig, so ein Professor aus Göttingen in einem Rechtsgutachten, das für eine homophobe Gruppe erstellt wurde.
Der Verein "Echte Toleranz e.V." hat am Montag ein von Anwalt Dr. Christian Winterhoff verfasstes Rechtsgutachten (PDF) vorgestellt, in dem vor LGBTI-Aufklärung an schleswig-holsteinischen Schulen gewarnt wird. Der "außerplanmäßige Professor" der Universität Göttingen hat eine einfache Botschaft: LGBTI in Schulen als gleichwertig darzustellen, ist in Deutschland verboten. Oder wie der Professor es ausdrückt:
Es ist mit der dem Staat obliegenden Neutralitäts- und Zurückhaltungspflicht unvereinbar und verstößt gegen das Indoktrinationsverbot, wenn Schulkindern die Akzeptanz vielfältiger sexueller Verhaltensweisen vermittelt und insbesondere Heterosexualität und andere sexuelle Orientierungen als gleichwertige Erscheinungsformen menschlicher Sexualität dargestellt werden.
Der Professor hält es auch für verfassungswidrig, wenn Schwule und Lesben vom Netzwerk SCHLAU in den Schulen über die Probleme von LGBTI sprechen. Wenn "derartige Personen", so der Professor abwertend, im Rahmen "sonstiger Schulveranstaltungen für Akzeptanz ihrer sexuellen Orientierung werben, ohne dass auch gegenteiligen Einstellungen hinreichend Raum gegeben wird", handle es sich um einen Rechtsbruch. Der SCHLAU-Besuch in der Klasse sei "Indoktrination", wenn nicht gleichzeitig "ein Vertreter einer gegenteiligen Sexualmoral anwesend ist, der sein Menschen- und Familienbild ebenso vermittelt (z.B. ein katholischer Priester)", so Winterhoff.
LGBTI als böser Kinderschreck
Die Einstellung, dass Homosexuelle eine pauschale Gefahr für Kinder darstellen, ist in Deutschland bis hinein in etablierte Parteien noch immer weit verbreitet. So hat etwa 2014 die niedersächsische CDU-Schulexpertin Karin Bertholdes-Sandrock allen ernstes gesagt, es dürfe "auf keinen Fall" sein, "dass beispielsweise Schwule und Lesben in den Klassen allein gegenüber den Kindern auftreten" (queer.de berichtete).
Zur Erinnerung: Die Aufklärung über "sexuelle Vielfalt" heißt nicht, wie immer wieder von Homo-Hassern behauptet wird, dass Lehrern ihren Schülern empfehlen, möglichst schnell mit jedem und allem Sex zu haben. Stattdessen sollen Schüler dafür sensibilisiert werden, dass es gleichgeschlechtliche Paare oder Regenbogenfamilien gibt und dass es sich dabei nicht um schlechtere oder bessere Menschen handelt als alle anderen.
Diese Aufklärung wird von LGBTI-Aktivisten als wichtig angesehen, weil gerade an Schulen Homophobie weit verbreitet ist und LGBTI-Schülern so ein Coming-out erschwert wird. Laut einer Studie aus dem Jahr 2012 benutzen beispielsweise fast zwei Drittel der Grundschüler in Berlin das Wort "Schwuchtel" oder "schwul" als Schimpfwort (queer.de berichtete).
Für Leute wie Professor Winterhoff ist das aber offenbar kein Problem. Er fordert auch ein Recht für Eltern, die Schüler von Unterrichtseinheiten zu sexueller Vielfalt zu befreien. Rechtlich steht das Gutachten dabei auf wackeligen Beinen, da Winterhoff sehr selektiv einzelne Sätze aus Urteilen auswählt.
"Echte Toleranz" als Code für Homo-Hasser
Der Verein "Echte Toleranz", der die Studie beauftragt hatte, beschreibt seine Zielsetzung in einer Pressemitteilung so: Er mache sich "sich stark für eine öffentliche Debatte, in der alle Wertvorstellungen und Meinungen, die von der Meinungs- und der Religionsfreiheit des Grundgesetzes gedeckt sind, toleriert und nicht stigmatisiert werden". In Wirklichkeit wird auf der Website des Vereins jedoch fast ausschließlich gegen LGBTI-Schulaufklärung gekämpft, so bietet er Tipps zu "Abwehrrechten der Eltern" gegen SCHLAU-Workshops.
Der Begriff "Echte Toleranz" wird unter Homo-Hassern und Rechtspopulisten immer mehr zu einem Chiffre für "Man muss doch mal sagen dürfen, dass die Leute, die anders als ich sind, minderwertig sind." Rechte und religiös-fundamenalistische Gruppen haben zuletzt das Thema Schulaufklärung über Homo- und Transsexualität für sich entdeckt, beispielsweise mit der "Demo für alle" – die meisten Deutschen wünschen sich diese allerdings. Das hat beispielsweise eine YouGov-Umfrage im vergangenen Jahr gezeigt, nach der es nur sechs Prozent ablehnen, dass Homosexualität im Sexualkundeunterricht erwähnt wird (queer.de berichtete). (dk)
Bild: Gays with Kids
Dr. Christian Winterhoff
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Und die Universität, wo er "außerplanmäßiger Professor" ist, hat ja sicher auch Interesse daran, eine Pluralität der Standpunkte kennenzulernen:
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Diese Universität wird auch von unseren Steuergeldern bezahlt, dann haben wir ja auch einen gewissen Auskunftsanspruch und dürfen uns mit weitergehenden Fragen an die Verantwortlichen wenden.