Heiner Merz, Dozent im Bereich Betriebswirtschaftslehre, ist seit Juli 2016 Fraktionsvorsitzender der dezimierten AfD-Fraktion in Baden-Württemberg (Bild: Landtag von Baden-Württemberg)
In einer Antwort auf eine provokative Anfrage der Rechtspopulisten verteidigt die baden-württembergische Landesregierung die Freiheit der Lehre – und die Vielfalt der Geschlechter.
Von Andreas Zinßer
Die AfD in Baden-Württemberg beginnt damit, es ihren Schwesterfraktionen in den anderen deutschen Landtagen gleich zu tun, und schießt sich auf die ihr unbegreifliche Genderforschung ein. In einer vor allem provokativen Kleinen Anfrage wollte AfD-Fraktionschef Heiner Merz im August wissen, wie es die grün-schwarze Landesregierung mit der "sogenannten Genderforschung" im Ländle hält, die doch "etwa hinsichtlich ihrer Wissenschaftlichkeit einer gewissen Kritik" unterliege.
Merz, Abgeordneter für das weit im württembergischen Osten gelegene Heidenheim, ist kein Mensch, der viele Informationen über sich preis gibt. Selbst seine eigene Webseite ist unter dem Menüpunkt "Über mich" leer. Dafür verlangte er um so detailliertere Informationen von der Landesregierung.
Er wollte unter anderem wissen, wieviel Personal sich mit Genderstudien befasse, welche Seminare genau seit 2014 angeboten worden seien und was das denn so alles koste. Obendrein fragte er, ob Grün-Schwarz biologische Unterschiede zwischen Männern und Frauen anerkenne und wieviele Geschlechter es nach Ansicht der Regierung gebe.
Ministerin klärt AfD über Hochschulautonomie auf
Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) lässt sich von der AfD nicht aus der Fassung bringen (Bild: Grüne Baden-Württemberg)
Die Antwort (PDF) ist überraschend deutlich ausgefallen. Wissenschaftsministerin Theresia Bauer von den Grünen verteidigte zunächst die Freiheit von Lehre, Forschung und Kunst: "Über die inhaltlichen Schwerpunkte wird innerhalb der Forschung und Lehre in den Hochschulen entsprechend der Hochschulautonomie selbständig entschieden. Daher werden auch weder die einzelnen Lehrveranstaltungen der Hochschulen noch deren Zugehörigkeit zu den Studiengängen von Seiten des Landes erfasst." Gleichwohl werde die Gender-Dimension "zweifellos in zahlreichen Forschungsvorhaben und Lehrveranstaltungen als Teilaspekt mit betrachtet".
Verbindliche Aussagen zur Anzahl von wissenschaftlichen Mitarbeitenden, Lehrveranstaltungen oder verpflichtenden Lehrveranstaltungen könnten wegen der Freiheit der Lehre nicht gemacht werden. Ebenso seien mit einer Gender-Forschung verbundene Kosten nicht abzugrenzen. Die Zentraleinrichtung zur Förderung von Frauen- und Geschlechterforschung an der Freien Universität Berlin (ZEFG) gebe aber eine Übersicht über entsprechende Professuren. Die Abfrage für Baden-Württemberg zeigt demnach derzeit zwölf Stellen.
Selbst auf die rein provokativen letzten beiden Fragen des AfD-Fraktionschefs antwortete Bauer souverän wissenschaftlich. Zur Frage, ob die Landesregierung die Ansicht vertritt, dass Unterschiede zwischen Mann und Frau ausnahmslos sozial konstruiert seien, meinte sie, sie sei "der Auffassung, dass es Menschen mit verschiedenen biologischen Ausprägungen gibt und dass Verhalten nicht nur biologisch, sondern vor allem kulturell bedingt und daher erlernt ist. Welches Aussehen, welches Verhalten und welche Rolle eine Gesellschaft als typisch männlich oder typisch weiblich betrachtet oder einfordert, kann demnach je nach Epoche und Lebensraum sehr unterschiedlich sein."
Auch in der abschließenden Antwort verweigerte die Ministerin den ideologischen Diskurs und holte vielmehr das Thema zurück in einen rechtlichen und gesellschaftlichen Rahmen: "Es steht jedem Menschen frei, die Frage der eigenen Geschlechtsidentität nach individueller Auffassung zu beantworten. Im juristischen Sinne sieht das deutsche Personenstandsrecht die Möglichkeit vor, Personen dem männlichen, weiblichen oder keinem Geschlecht zuzuordnen."
So erstickt man die AfD im Keim.