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- 19. April 2005 3 Min.
Karlsruhe darf dank Stoiber erneut über Homos verhandeln.
Von Norbert Blech
München Das Land Bayern wird nun doch gegen die Adoption von Kindern durch gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften vor dem Bundesverfassungsgericht Klage einreichen. Das beschloss das Kabinett am Dienstag.
Justizministerin Dr. Beate Merk (CSU) sagte, die Regierung respektiere gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften und für diese auch "sowohl rechtliche wie praktische Erleichterungen". "Allerdings ist eine besondere Abwägung vorzunehmen, wenn es nicht in erster Linie um Erleichterungen für gleichgeschlechtliche Lebenspartner geht, sondern das Wohl der Kinder im Mittelpunkt steht", so Merk. Dieses Wohl der Kinder müsse "Vorrang haben vor allen anderen Überlegungen."
"Kinder dürfen nicht ohne ihren ausdrücklichen Willen ein Eltern-Umfeld erhalten, das mit dem Leitbild des Grundgesetzes und der Rolle von Mutter und Vater nicht übereinstimmt", sagte der bayrische Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU). Bayern setze mit der Klage beim Bundesverfassungsgericht ein klares Zeichen für die absolute Priorität des Kindeswohls, betonte Stoiber. Zugleich gehe es auch darum, dass "Rot-Grün rechtzeitig bei dem noch weitergehenden Versuch gestoppt wird, einen weiteren Schritt hin zur Voll-Adoption von Kindern durch gleichgeschlechtliche Paare zu unternehmen".
Das CSU-Kabinett habe den Rechtsprofessor Matthias Jestaedt beauftragt, einen Normenkontrollantrag zur Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechts in Karlsruhe einzureichen. Ein bundesweites, von der rot-grünen Regierungsfraktion erarbeitetes Gesetz, dass (verpartnerten) Homo-Paaren die sogenannte Stiefkindadoption ermöglicht, war Ende Oktober 2004 vom Bundestag verabschiedet worden und ist Anfang des Jahres in Kraft getreten. Bayern hatte bereits gegen die erste Fassung des Lebenspartnerschaftsgesetzes einen Normenkontrollantrag gestellt, damals zusammen mit Thüringen und Sachsen; die Richter wiesen jedoch die Klage wie zuvor schon einen Eilantrag ab.
LSVD kritisiert "Familienfeindlichkeit"
In einer ersten Reaktion hat der Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD) den Gang nach Karlsruhe als "familenfeindlich" zurückgewiesen. Die Klage richte "sich gegen zahlreiche Familien und vor allem gegen die Kinder, die von lesbischen und schwulen Eltern groß gezogen werden", kritisierte LSVD-Sprecherin Antje Ferchau. "Das ist das Gegenteil von moderner Familienpolitik. Es ist ein Angriff auf das Wohl vieler Kinder."
In Deutschland lebten "viele Tausend lesbische und schwule Eltern, die Verantwortung für die Erziehung und das Wohlergehen ihrer Kinder tragen", so Ferchau. Die Stiefkindadoption gebe diesen Familien und vor allem den Kindern erstmals eine gewisse Rechtssicherheit. "Familie ist, wo Kinder sind", so Ferchau. "Wir warnen die CSU davor, gleichgeschlechtliche Partnerschaften gegen ein traditionelles Familienbild auszuspielen. Der Schuss geht nach hinten los." Viele Studien hätten nachgewiesen, dass Lesben und Schwule ebenso gute Eltern sind wie heterosexuelle Mütter und Väter.
Beck: Stoiber schürt Ressentiments
Der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen-Bundestagsfraktion, Volker Beck, warf der bayrischen Staatsregierung vor, Ressentiments gegen gleichgeschlechtliche Familien mit Kindern zu schüren. "Mit dieser unverantwortlichen Stimmungsmache gegen homosexuelle Eltern schadet Stoiber dem Kindeswohl, das er angeblich schützen will." Die Kinder müssten darunter leiden, wenn ihre familiäre Situation öffentlich herabgewürdigt und schlecht geredet werde. Beck betonte, die seit Anfang des Jahres bestehende Stiefkindadoption sichere bereits in gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften aufwachsende Kinder rechtlich und finanziell ab.
Auch FDP kritisiert CSU
Auch der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Jörg van Essen, kritisierte den geplanten Gang nach Karlsruhe. "Die Liberalen rufen die Union auf, ihre Blockade gegen eine Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Paaren aufzugeben und endlich die gesellschaftliche Realität anzuerkennen", so van Essen.
LSU
Auch die Lesben und Schwulen in der Union (LSU) kritisierten die Entscheidung. "Gerade wer das Kindeswohl in den Vordergrund stellt, sollte nicht versuchen, dies für die vielen Kinder, die in gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften eine fürsorgliche und liebevolle Familie haben, gerichtlich zu unterbinden", erklärte Axel Hochrein, stellvertretender Bundesvorsitzender der LSU. Es sei nicht akzeptabel, dass sich der bayerische Ministerpräsident bei dieser Entscheidung auf das Leitbild des Grundgesetzes berufe. Dieses Leitbild entspriche nicht mehr der Lebensrealität und spiegele nicht die Familiensituation in Deutschland wieder. "Hier will die bayerische Politik die Lebensentscheidung der Gesellschaft ignorieren", so Hochrein.
Dienstag, 19. April 2005
zuletzt akt. am 20.4. um 10h














