Der Jurist und Hochschullehrer Winfried Bausbach ist seit 2013 Staatsminister der Justiz im Kabinett von Horst Seehofer (Bild: CSU)
Man dürfe keinen "Präzedenzfall" schaffen, der in Krisenzeiten missbraucht werden könne, warnt der CSU-Politiker Winfried Bausback.
Erstmals hat sich ein hochrangiger Politiker der Union zu den Plänen von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) geäußert, die im Nachkriegs-Deutschland verfolgten Homosexuellen zu rehabilitieren und zu entschädigen. An dem im Juli von Maas veröffentlichten "Eckpunktepapier" übte der bayerische Justizminister Winfried Bausback (CSU) am Mittwoch gegenüber der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" deutliche Kritik.
Die auch nach 1945 fortgesetzte Kriminalisierung schwuler Männer verstoße zwar "aus heutiger Sicht klar gegen das freiheitliche Menschenbild des Grundgesetzes", räumte Bausback auf der einen Seite ein. "Wir können deshalb durchaus über eine Aufhebung dieser Urteile durch den Gesetzgeber diskutieren." Andererseits müsse klar sein, dass wir "uns in einem schwierigen Spannungsfeld" bewegen, so der CSU-Minister.
"In rechtsstaatlichen Verfahren zustande gekommen"
Vor dem Grundsatz der Gewaltenteilung müsse jede gesetzliche Regelung "keine Zweifel daran aufkommen lassen, dass die Aufhebung dieser Urteile von bundesrepublikanischen Gerichten der absolute Ausnahmefall ist", erklärte Bausbach. "Es geht um die Aufhebung von Urteilen unabhängiger Gerichte durch den Gesetzgeber, die seinerzeit unter Geltung des Grundgesetzes in rechtsstaatlichen Verfahren zustande gekommen sind."
Der Bundestag laufe andernfalls "Gefahr, einen Präzedenzfall zu schaffen, der in politischen Krisenzeiten bei geänderten politischen Mehrheiten dazu missbraucht werden könnte, willkürlich zunächst missliebige Straftatbestände und sodann die auf diesen beruhenden Strafurteile aufzuheben", so der bayerische Justizminister. Das Eckpunktepapier des Bundesjustizministers werde diesen Anforderungen nicht gerecht.
Gesetzentwurf soll im Oktober kommen
Heiko Maas hatte erst am Dienstag auf dem Deutschen Juristentag in Essen bekräftigt, dass er binnen der nächsten sieben Wochen einen Gesetzentwurf zur Rehabilitierung auf den Weg bringen will: "Ich werde noch im Oktober einen Gesetzentwurf vorlegen, mit dem wir die Verurteilungen nach Paragraf 175 aufheben und die Betroffenen rehabilitieren", sagte er in seiner Eröffnungsrede (queer.de berichtete).
Der Bundesjustizminister beklagte, dass zehntausende Verurteilungen weiter bestünden: "Ich finde es unerträglich, dass die Betroffenen bis heute mit diesem Strafmakel leben müssen." Diese Männer hätten nichts gestohlen und nichts unterschlagen, sie hätten niemanden verletzt und niemanden betrogen, sie seien einzig und allein wegen ihrer sexuellen Identität verfolgt und bestraft worden. "Aus heutiger Sicht war das ein klarer Verstoß gegen die Menschenwürde und damit verfassungswidrig", stellte der SPD-Politiker fest. "Ein Rechtsstaat sollte auch die Kraft haben, seine eigenen Fehler zu korrigieren."
Gutachten der ADS brachte Diskussion in Gang
Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes hatte im Mai ein Gutachten veröffentlicht, wonach der Staat verpflichtet sei, die Unrechtsurteile gegen Opfer der Schwulenverfolgung aufzuheben und die verurteilten Männer zu entschädigen – und damit die aktuelle Diskussion in Gang gebracht. Maas versprach noch am selben Tag erstmals einen Gesetzentwurf.
Unter den Landesjustizministern vertritt der CSU-Politiker Bausback eine Minderheitenposition. Auf ihrer Frühjahrskonferenz im brandenburgischen Nauen hatte die Justizministerkonferenz im Juni die Bundesregierung aufgefordert, "umgehend, d.h. noch in dieser Wahlperiode des Deutschen Bundestages", die in der Bundesrepublik und der DDR wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen verurteilten Männer zu rehabilitieren (queer.de berichtete). (cw)