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Homosexuellenverfolgung im Nationalsozialismus
Unendlicher Schmerz, unfassbare Scham

Original KZ-Winkel eines Rosa-Winkel-Häftlings: Stefan T. Kosinski wurde mit 17 Jahren von den Nationalsozialisten wegen seiner Homosexualität verhaftet, gefoltert und ins KZ gesteckt (Bild: United States Holocaust Memorial Museum Collection, Gift of Wilhelm A. Kroepfl)
- 17. September 2016, 14:32h 3 Min.
Lutz van Dijk hat unter dem Titel "Endlich den Mut…" die bewegenden Briefe des 2003 gestorbenen ehemaligen Rosa-Winkel-Häftlings Stefan T. Kosinski veröffentlicht.
Von Bodo Niendel
Dieses Buch ist eine Hommage an Stefan T. Kosinski, der als Rosa-Winkel-Häftling das Konzentrationslager Auschwitz überlebte. Die bewegende Geschichte des schwulen Opfers der Nationalsozialisten, inklusive Stefans Liebe zu Willi G. im KZ, wurde von Lutz van Dijk vor 25 Jahren in dem Jugendbuch "Verdammt starke Liebe" (Amazon-Affiliate-Link ) dargelegt.
Der Briefe-Band "Endlich den Mut…" (Amazon-Affiliate-Link ) zeichnet nun sehr sensibel die Beziehung zwischen Autor und Porträtiertem sowie den überraschenden Erfolg des damaligen Buches nach. Aber noch viel mehr lässt es uns bei Kosinski erkennen, mit welch großer Scham sein öffentliches Auftreten behaftet war und mit welch großem Schmerz die Verfolgung als Homosexueller im Nationalsozialismus nachwirkte.
Kosinskis Briefe sind Zeugnis dessen und sie werden von Lutz van Dijk zurückhaltend kommentiert. Der Rentner wandte sich zuerst an van Dijk, um von ihm Informationen zu möglichen Entschädigungszahlungen zu erhalten. Bereits zuvor hatte er sich mit seinem Anliegen an den damaligen deutschen Bundeskanzler Helmut Kohl gewandt – ohne Erfolg. Dijk recherchierte und stellte fest, dass es für in Polen lebende homosexuelle NS-Opfer keine Unterstützung von deutschen Behörden gibt.
Aus einer Anfrage entwickelte sich eine Freundschaft
Kosinskis Situation war zu Anfang der Neunzigerjahre prekär, seine Gesundheit war – auch in Folge der Internierung in Auschwitz – angeschlagen, seine Rente klein und die medizinische Versorgung zu dieser Zeit in Polen äußerst schlecht. Dijk und Kosinski entwickelten ein Vertrauensverhältnis, und der Autor bemühte sich um anderweitige Unterstützung.
Zunächst schaffte er Öffentlichkeit mit Artikeln. Kosinski wurde zunächst nur unter Pseudonym genannt, denn er wollte sich vor seiner Familie nicht outen (er war bereits 65 Jahre alt). Dijk besuchte ihn in Warschau, übergab ihm eine Spendensammlung, die zunächst vage Buchidee konkretisierte sich und eine Freundschaft entstand.
Das Buch "Verdammt starke Liebe" wurde ein Erfolg weit über den deutschen Sprachraum hinaus. Die beiden Männer tourten gar gemeinsam auf Lesereise durch die USA, Kosinski wurde Ehrenbürger von Santa Cruz. Man spürt beim Lesen der Briefe nicht nur, dass ein älterer Mann noch einmal aufblühte, sondern ebenso, dass dies vor allem dem aufopferungsvollen Engagement eines wirklichen Menschenrechtsaktivisten zu verdanken war.
Am Ende kühlte sich die Beziehung etwas ab. Auch dies schildert Dijk selbstkritisch. Kosinski war von Selbstzweifeln geplagt, verbrannte alle Dokumente über seine Homosexualität und starb nach schwerer Krankheit im Jahr 2003. Auf Polnisch erschien das Buch über sein Leben nie. Zur geplanten US-amerikanischen Verfilmung kam es nicht mehr.
Jetzt, wo keine bekannten Homosexuellen der nationalsozialistischen Verfolgung mehr leben, ist dieses Buch ein wichtiger Beitrag zum Verstehen und Lernen. Es ist zugleich ein indirektes Plädoyer, wenigstens die in der Nachkriegszeit verfolgten Homosexuellen zu rehabilitieren und zu entschädigen, bevor auch sie versterben.
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Lutz van Dijk (Hrsg.): "Endlich den Mut …". Briefe von Stefan T. Kosinski (1925-2003). Broschiert. 208 Seiten. Querverlag. Berlin 2015. 14,90 € (Ebook 9,99 €). ISBN: 978-3-89656-228
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Unser Gedenken an die homosexuellen Opfer des Nationalsozialismus auf:
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