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Die AfD setzt in diesem Motiv mit dem hessischen Landesvorstand Albrecht Glaser mal wieder Aufklärung über sexuelle Vielfalt mit Kindesmissbrauch gleich
- 26. September 2016, 14:43h 4 Min.
Auch in Hessen macht die rechte Partei Stimmung gegen eine Schaulaufklärung über sexuelle Vielfalt – und ruft zur Teilnahme an der "Demo für alle" auf.
Von Norbert Blech
Die Pläne der schwarz-grünen Landesregierung Hessens zu einer behutsamen Modernisierung des Sexualkundeunterrichts sorgen weiter für eine größtenteils inszenierte Empörung in rechten und christlich-fundamentalistischen Kreisen. Sie stören sich vor allem daran, dass die "Akzeptanz von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, trans- und intersexuellen Menschen" erstmals als Unterrichtsziel definiert wird (queer.de berichtete).
Nach der "Demo für alle" hat sich Ende der letzten Woche auch die AfD in den Kampf eingeschaltet: "Mit diesem Vorgehen verstößt das Kultusministerium auf eklatante Weise nicht nur gegen die ihm obliegende Neutralitäts- und Zurückhaltungspflicht, sondern ebenso gegen das Indoktrinationsverbot, wenn bereits Grundschulkindern vielfältige sexuelle Verhaltensweisen vermittelt und etwa die Heterosexualität, insbesondere in ihrer ethischen Dimension, relativiert wird", meint Albrecht Glaser, Sprecher des AfD-Landesverbandes Hessen, in einer Pressemitteilung unter der Überschrift "Die Hessische Landesregierung vergreift sich an unseren Kindern".
Glaser behauptet weiter, es solle "in 'fächerübergreifendem Unterricht Einfluss genommen werden' auf 'die Sexualität von Kindern und Jugendlichen bzw. deren Sexualverhalten'", und tut dabei so, als zitiere er eine entsprechende Richtlinie und als sei eine solche Einflussmöglichkeit möglich. In Wirklichkeit spricht das Papier (PDF) davon, "Zurückhaltung zu wahren (…) und jede einseitige Beeinflussung zu vermeiden". Ziel sei, "ein offenes, diskriminierungsfreies und wertschätzendes Verständnis für die Verschiedenheit und Vielfalt der partnerschaftlichen Beziehungen, sexuellen Orientierungen und geschlechtlichen Identitäten in unserer Gesellschaft zu vermitteln" und ein akzeptierendes Schulklima für alle Schüler zu schaffen.
AfD-Lob für "Demo für alle"
Während in sozialen Netzwerken in diesen Tagen eine Satiremeldung kursiert, die AfD-Europapolitikerin Beatrix von Storch habe ein Kondomverbot gefordert, beklagt Glaser in seiner Pressemitteilung immerhin Aufklärung über Verhütungsmöglichkeiten: "Statt mit Mathematik und Deutsch verbringen unsere Schulkinder kostbare Zeit mit dem Erlernen von Sexualpraktiken, insbesondere dem Kenntniserwerb zur Verhinderung von deren biologischen Folgen".
Gegen die Aufklärung über sexuelle Vielfalt bringt Glaser noch "Rechtsgutachten von renommierten Verfassungsjuristen" ins Spiel, "welche diese Übergriffe in die Elternrechte und die Persönlichkeitsrechte der Kinder für verfassungswidrig halten". Er bezieht sich damit offenbar auf ein absurdes, von der "Demo für alle" verbreitetes Gefälligkeitsgutachten, wonach es ein Verstoß gegen die Neutralitätspflicht des Staates sei, "Heterosexualität und andere sexuelle Orientierungen als gleichwertige Erscheinungsformen menschlicher Sexualität" darzustellen (queer.de berichtete).

AfD-Plakat bei einer "Demo für alle" in Stuttgart, Bild: gk
Glaser behauptet noch, eine entsprechende Erziehung sei "in Baden-Württemberg und Bayern vorerst verhindert worden", und lobt dafür die "Demo für alle", die inzwischen auch eine Demonstration vor dem Wiesbadener Landtag angekündigt hat. "Solche Aktivitäten werden von der AfD begrüßt und breit unterstützt werden", so Glaser. "In Baden-Württemberg hatte dieser Widerstand von Eltern und verantwortungsbereiten Bürgern das Inkrafttreten des neuen Bildungsplanes verhindert und eine Überarbeitung erzwungen."
Rechte Mobilisierung zur "Demo für alle"
Die "Demo für alle" war als Protestbewegung lange vom CDU-Mitglied Hedwig von Beverfoerde aus dem Büro der AfD-Europaabgeordneten Beatrix von Storch heraus organisiert worden, an den Protesten in Stuttgart und Hannover nahmen immer wieder AfD-Politiker teil. In der letzten Woche hatte das inzwischen offiziell eigenständige Bündnis eine erste Kundgebung in der hessischen Landeshauptstadt angekündigt: Am 30. Oktober will man in Wiesbaden demonstrieren gegen einen "radikalen Sexualerziehungs-Lehrplan", der "Kindergefühle und Elternrechte mit Füßen tritt" (queer.de berichtete).
Der AfD-Ortsverband Main Taunus Ost hat inzwischen bei Facebook eine eigene Veranstaltung angelegt, mit der Parteimitglieder zur Teilnahme an der "Demo für alle" aufgerufen werden: "Der Missbrauch von Kinderseelen kommt nun auch in die hessischen Schulen" heißt es in der Einladung zur Veranstaltung "Hessischen Bildungsplan stoppen! AfD gegen Gender-Gaga!"

Sie wurde in den sozialen Netzwerken nicht nur geteilt von der jeder homophoben Propaganda folgenden Gruppe der "Homosexuellen in der AfD", sondern auch von der "Jungen Alternative": "Nein zur Frühsexualisierung" heißt ein eigenes Motiv des Parteinachwuchses.

Der JA-Vorstands-Beisitzer Patrick Andreas Bauer, der für die Partei im Kreistag des Main-Taunus-Kreises und im Bad Sodener Stadtparlament sitzt, postete zu der Veranstaltung auch ein Bild, das Schulaufklärung über sexuelle Vielfalt mit Kindesmissbrauch in Verbindung setzt. Er soll laut einem Bericht der Frankfurter Rundschau Kontakte zur AfD-nahen, vom Verfassungsschutz beobachteten "Identitären Bewegung" haben. Mitglieder des rechtsextremen Gruppierung hatten mit Transparenten wie "Gender-Terror raus aus den Köpfen" und "Die Familie ist unsere Identität" an früheren "Demos für alle" in Stuttgart teilgenommen.
Zuletzt hatte die AfD in mehreren Bundesländern immer lautstärker gegen Pläne zur Berücksichtigung sexueller Vielfalt im Unterricht mobilisiert und polemisiert. Auch in Verweis auf Hessen hatte Björn Höcke erst am Wochenende einen Kampf gegen den "perversen Zeitgeist" angekündigt: "Das kann doch kein Erziehungsziel einer Schule sein, die Kinder dazu zu zwingen, diese sexuelle Andersartigkeit, die in vielen Fällen sexuelle Perversität bedeutet, nicht nur zu tolerieren, sondern positiv zu finden", so der Landes- und Fraktionsvorsitzender der AfD in Thüringen, der vor der Politik-Karriere als Lehrer in Hessen arbeitete (queer.de berichtete).














