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Neue homofeindliche Kampagne der AfD Thüringen: Landes- und Fraktionschef Björn Höcke versucht, Klassenfahrten gegen die Hirschfeld-Tage auszuspielen (Bild: Metropolico.org / flickr)

  • 1. Oktober 2016, 10:24h 51 5 Min.

Die Rechtsaußenpartei macht Stimmung gegen die Hirschfeld-Tage – Anlass ist ein sexualpädagogischer Workshop in Erfurt.

Von Micha Schulze

Versuchen wir es mal positiv zu sehen: Die Hirschfeld-Tage, die von Ende Oktober bis Mitte Dezember in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen stattfinden, haben so gut wie kein Budget für Öffentlichkeitsarbeit – doch die AfD schlägt schon kräftig die Werbetrommel. In gleich zwei Facebook-Posts thematisierten die Rechtsaußenpartei in Thüringen sowie ihr Landes- und Fraktionschef Björn Höcke eine von rund 150 Veranstaltungen: "Anal verkehren – ein sexualpädagogischer Workshop" am 25. November in Erfurt.

Natürlich, wie es sich für die AfD gehört, unter der Gürtellinie. "Rot-Rot-Grün fördert mit thüringischem Steuergeld aus dem Thüringer Landesprogramm für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit die Klärung der großen Fragen der Menschheit", lästerte die Partei am 19. September noch vergleichsweise harmlos.

Björn Höcke bastelte am Mittwoch jedoch noch eine Grafik mit Bodo Ramelow und der Überschrift "Linke: Für Ideologie ist immer Geld da": Auf einer Tafel streicht der linke Ministerpräsident das Wort "Klassenfahrt" durch und schreibt stattdessen "Analsex-Workshop" mit drei Ausrufezeichen. Dazu postet Höcke: "Mit 34.872 Euro an Landesmitteln fördert er als Schirmherr die Hirschfeld-Tage, in deren Rahmen u.a. ein Seminar mit dem Titel 'Anal verkehren – ein Workshop' für die 'Fortbildung' homosexueller Männer angeboten wird. Ganz ehrlich: Das ist Bildungspolitik für'n Arsch."



Der Versuch des AfD-Politikers, angebliche Kürzungen bei Klassenfahrten gegen die Hirschfeld-Tage auszuspielen, ist doppelt perfide: Zum einen, weil das Thüringer Bildungsministerium nach eigenen Angaben alle Klassenfahrten genehmigen will, sich das Beantragungsverfahren jedoch nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts deutlich verkompliziert hat. Zum anderen, weil der Workshop "Anal verkehren" überhaupt nicht für minderjährige Schüler oder nur für Schwule gedacht ist.

Veranstalter verteidigen den Workshop


Jörg Litwinschuh, geschäftsführender Vorstand der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld, findet den Analsex-Workshop gut: "Es gibt ein Recht auf sexuelle Bildung" (Bild: BMH / Sabine Hauf)

Die Veranstaltung am 25. November richte sich "an Erwachsene jeglicher sexueller Orientierungen und Geschlechter", erklärte Matthias Gothe vom Verein queerweg, der den von Marco Kammholz konzipierten Workshop ausrichtet. Ausdrücklich betonte er auf Anfrage von queer.de: "Dabei finden keine sexuellen Handlungen statt."

"Die Hirschfeld-Tage stehen in der Tradition von Dr. Magnus Hirschfeld", heißt es in einer gemeinsamen Stellungnahme der Veranstalter. "Schwerpunkt seiner wissenschaftlichen Arbeit war die Etablierung der Sexualwissenschaft in Europa und damit einhergehend die Emanzipierung von Menschen vielfältiger Begehrensformen. Auch heute noch sind hier viele Leerstellen, Fehlinformationen und Tabus zu finden."

Mit dem Angebot von Marco Kammholz sei "ein professionelles, sexualpädagogisches Bildungsangebot in die dritten Hirschfeld-Tage aufgenommen worden, um eine Sprache und Wissen über Sexualität und Körperlichkeit zu vermitteln. Gerade diese sind unverzichtbare Grundlagen für eine selbstbestimmte, verantwortungsvolle und lustfreundliche Sexualität. So wird ein sicherer Umgang beim Sexualverkehr sowie Schutz und Aufklärung vor Krankheiten und Infektionen vermittelt."

In Köln war der Analsex-Workshop abgesagt worden

Dennoch hatte dieselbe Aufklärungsveranstaltung von Kammholz bereits im Mai an der Universität Köln für einigen Wirbel gesorgt. Nach Protesten sagte die Studierendenvertretung den "Workshop für Arschficker_Innen und die, die es vielleicht werden wollen", wie er dort angekündigt worden war, wieder ab, weil er als "Belästigung am Arbeitsplatz" verstanden werden könne (queer.de berichtete).

Für die Hirschfeld-Tage wurde die Beschreibung nun dezenter formuliert: "Der Workshop möchte einladen, sich den großen und kleinen Fragen rund um das Thema Analverkehr zu widmen: Wie spreche ich über Analverkehr? Was gilt es anatomisch zu beachten? Wie kann Analverkehr entspannt ablaufen und was kann dabei helfen?", heißt es in der Ankündigung auf der queerweg-Homepage.

"Es gibt ein Recht auf sexuelle Bildung", betonte Jörg Litwinschuh von der Bundes­stiftung Magnus Hirschfeld, die die Hirschfeld-Tage alle zwei Jahren zusammen mit regionalen Partnern veranstaltet. "Die bewusste Verdrehung von Fakten durch Herrn Höcke verwundert nicht: Die AfD versucht erneut, durch Provokation die moderne Vielfalts- und Sexualpädagogik zu diskreditieren. Dahinter steckt schlicht und ergreifend Homo­sexuellenfeindlichkeit."

Auch Hirschfeld wurde Opfer rechter Hetze

Eine Haltung, die schon Magnus Hirschfeld immer wieder zu spüren bekam. Mit der Titelschlagzeile "Homo­sexuelle als Vortragsredner in Knabenschulen" skandalisierte das NSDAP-Blatt "Völkischer Beobachter" am 31. Oktober 1928 etwa Veranstaltungen mit dem Sexualwissenschaftler in Gymnasien.



Im Artikel hieß es: "Was wir hier an Instinkten aufschäumen sehen [in der deutschen Jugend], das hat nichts mehr mit einem gesunden Aufschäumen männlicher Triebe zu zun, sondern ist bereits von einer Seuche vergiftet, die mit den Namen Magnus Hirschfeld, des jüdischen Häuptlings, genügend gekennzeichnet ist."

Bereits im Jahr 1920 war Magnus Hirschfeld nach einem Vortrag in München durch "völkische Rowdys" schwer verletzt worden; Zeitungen meldeten sogar schon seinen Tod und er konnte mehrfach seine eigenen Nachrufe lesen. In der Weimarer Republik wurde er immer wieder das Ziel nationalsozialistischer Hetzkampagnen, besonders im "Stürmer", und seine Vorträge wurden zunehmend von Schlägertrupps gestört.

Im Jahr 2016 bleibt es bislang bei verbalen Ausfällen (zumindest gegenüber queeren Aktivisten). Björn Höcke gehört dabei zu den homo- und transfeindlichsten Hetzern der Bundesrepublik: Erst in der vergangenen Woche kündigte er bei einem "Bürgerdialog" in Heuthen einen Kampf gegen den "perversen Zeitgeist" der LGBTI-Akzeptanz an (queer.de berichtete). In seiner Rede sagte der rechsextreme Politiker: "Lehrpläne oder sogenannte Bildungspläne, die die natürliche Vereinigung von Mann und Frau relativieren und die Sexpraktiken irgendwelcher lautstarker Minderheiten als nachahmenswerte Normalität anpreisen, die sind ersatzlos zu streichen."

In Sachsen-Anhalt debattierte der Landtag am Freitag einen AfD-Antrag, ein LSBTTI-Aktionsprogramm "sofort zu beenden". Abgeordnete der Partei sprachen dabei von Homosexualität als "Normabweichung" und einem "Fehler der Natur" (queer.de berichtete).

Wöchentliche Umfrage

» Berichtet queer.de zuviel über die AfD?
    Ergebnis der Umfrage vom 26.09.2016 bis 03.10.2016

#1 ChaosmaedchenProfil
  • 01.10.2016, 11:04h -

  • Sexuelle Bildung ist wichtig. Und wer daran interessiert ist, Herr Gott nochmal, soll diesen Workshop besuchen dürfen.

    Ich finde es lustig, Björn Höcke schon wieder in einem homophoben Kontext zu lesen, schon wieder mit Mitteln, die gezielt Fakten verdrehen und Missverständnisse erzeugen. Dieser Mann scheint wohl ein bisschen zu viel von drei Minuten Internetrecherche zu halten, nh?

    Aber so kennen wir die AfD ja.
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#2 GeorgGProfil
  • 01.10.2016, 11:18hBerlin
  • In Köln wurde dieser Workshop abgesagt, aber im erzkonservativen Sachsen soll er stattfinden...

    Da darf man sich über solche Reaktionen nicht wundern.
  • Direktlink »
#3 wiking77
  • 01.10.2016, 11:48h
  • hey, hey, vielleicht hat Herr Höcke es noch nicht mit dem Richtigen probiert ...

    Ansonsten finde ich das ganze etwas zu sehr emotional hochgekocht.
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