Bei einem Wettbewerb des Möbelkonzerns Ikea in Russland haben diese beiden händchenhaltenden jungen Männer aus Moskau bislang die meisten Stimmen bekommen
Zwei händchenhaltende Männer liegen bei einem Titelbild-Contest weit vorne. Dann verschwindet das Motiv für einige Stunden – war Ikea eingeknickt?
Von Norbert Blech
Am Dienstagabend war das Erwartete vermeintlich eingetreten: Von einer "unverschämten Zensur" sprach die Gruppe "Straight Alliance for LGBT Equality", nachdem aus einem Online-Wettbewerb beim russischen Ikea plötzlich der Beitrag verschwunden war, der seit Tagen mit Abstand führte. Er zeigte zwei händchenhaltende Jungs – war das zuviel im Land der Homo-"Propaganda"?
Für den Wettbewerb konnten sich Familien, Paare, Freunde und Einzelpersonen in verschiedenen Filialen des Möbelhauses in der nachgebauten Einrichtung des aktuellen Katalogtitelbildes fotografieren lassen. Teilnehmer von "Werde das Titel-Gesicht" bekommen einen individuellen Katalog, die Gewinner der Online-Abstimmung Einkaufsgutscheine; ihr Bild soll vom Konzern zu Werbezwecken, aber nicht für den eigentlichen Katalog verwendet werden.
Nachdem die beiden Jungs aus Moskau leicht in Führung lagen, hatte es einen ersten Pressebericht gegeben, danach hatte jene "Straight Alliance" am Samstag ihre über 20.000 Follower im sozialen Netzwerk vk dazu aufgerufen, für die "sich liebenden Jungs" zu stimmen – auch um sehen, "wie Ikea in Russland seine Corporate Standards einhält". Der Konzern war vor drei Jahren bereits durch vorauseilende Zensur bei einem Interview mit einem lesbischen Paar in einem Kundenmagazin aufgefallen.
Am Sonntag berichtete queer.de als erstes internationales Medium über den Cover-Contest und vermutete ein sich anbahnendes "Politikum" – am Montag folgten etliche Berichte in russischen Medien, die ersten internationalen Medien wandten sich an Ikea. Dann verschwand am Dienstag das Bild plötzlich aus dem Wettbewerb. War Ikea eingeknickt? Der Konzern reagierte nicht auf Anfragen, löschte zunächst auch Diskussionen darüber auf seiner vk-Seite.
Ebenso kommentarlos war das Bild am späten Abend plötzlich wieder da, an der gleichen Adresse, die zuvor die Serverantwort "404 – Nicht gefunden" zurückgegeben hatte. Ein (vom Staat heftig bekämpftes) russisches Online-Netzwerk zur Unterstützung von LGBTI-Jugendlichen heißt übrigens in Anspielung auf die Meldung und auf die fehlende Sichtbarkeit der queeren Kids in der Öffentlichkeit "Kinder 404".
Ikea: Toleranz ja, Zensur ja
Der Witz an dem Ikea-Titel-Streit: Niemand weiß so recht, ob es sich bei den abgebildeten Jungs überhaupt um ein schwules Paar handelt. Gegenüber dem Portal life.ru hatte einer der Abgebildeten, Leo, gesagt, er gehöre "nicht der LGBT-Community an" und habe "kein Interesse, die Aufmerksamkeit von ihren Unterstützern oder von ihren Gegnern (zu) erlangen". Das Foto sei reiner Spaß gewesen.
Das kann stimmen, muss aber nicht. Als das Titelbild am Dienstag vorübergehend verschwunden war, kam die Idee auf, die Jungs könnten selbst drum gebeten haben. Der Gedanke war durch das Wiederauftauchen wenig später hinfällig.
War es ein technischer Fehler, wie ein paar sehr wenige glaubten? Oder lag es an Ikea? Der Konzern hatte sich am Montag dem zunehmenden Mediensturm gegenüber sehr gemischt geäußert. Man wisse nicht, ob die Jungs schwul seien, meinte ein Pressesprecher. "Vielleicht sind das Brüder?" Ikea mache keinen Unterschied zwischen Personen aufgrund ihres Geschlechts, ihrer Religion, des Alters, des Geschlechts oder der sexuellen Orientierung, so der Sprecher weiter, das Foto verstoße nicht gegen die Wettbewerbsregeln und die Gesetzgebung. Er sagte aber auch: "Wenn nötig, werden wir eine unabhängige Prüfung veranlassen. Im Falle einer Bestätigung, dass es sich dabei um Propaganda für nicht-traditionelle sexuelle Beziehungen handelt, werden wir das Foto aus dem Wettbewerb entfernen."
Dass das Foto Homo-"Propaganda" darstellen könnte, davon waren einige russischen Medien überzeugt. Life.ru fand sogar einen "Sexologen", der das behauptete. Dieser meinte auch, Schwule hätten nicht so viel Rückhalt in der Bevölkerung wie es der Abstimmungsstand zeigen würde – während für teilnehmende Familien nur deren Angehörige und Freunde abstimmten, vote bei den zwei Jungs die halbe Gay Community.
Der absurdeste Beitrag kam natürlich von der staatlichen Propagandaschleuder RT (Russia Today), die ausgerechnet den ersten queer.de-Bericht zum Thema zusammenfasste – nicht ganz korrekt unter der Überschrift "Queer.de: LGBT-Community nutzt Ikea, um sich am Kreml zu rächen".

In den Threads der "Straight Alliance" bemerkte jemand in der Zwischenzeit, dass ein anderer Wettbewerbsbeitrag doch zwei sich offenbar liebende Frauen mit Kleinkind zeige: Diese Regenbogenfamilie sollte man doch auch unterstützen. Auch hier spielt wohl das Auge des Betrachters eine Rolle – wie bei ein, zwei Bildern mehr, die Schwule zeigen könnten, es aber nicht müssen. Zusammen ergeben alle Bilder durchaus eine Alltags-Vielfalt, zumindest noch. Der Wettbewerb läuft bis zum 23. Oktober.
Neues Homo-Motiv in den USA
Das russische Ikea hatte 2013 schon einmal für Empörung gesorgt, als es in seiner Version des mehrsprachigen internationalen Kundenmagazins auf ein Interview mit einem lesbischen Paar verzichtete und das mit dem Gesetz gegen Homo-"Propaganda" begründete (queer.de berichtete). Man halte sich als internationaler Konzern an nationale Gesetze, hieß es damals aus der Konzernzentrale.
Die Entscheidung hatte zu Kritik aus dem In- und Ausland geführt, zumal das bis heute kaum und wenn dann vor allem vorab gegen Demonstrationen angewandte Gesetz gegen Homo-"Propaganda" äußerst schwammig formuliert ist und Ikea, von einer öffentlichen Debatte abgesehen, kaum ein Risiko eingegangen wäre. Medien selbst entgingen bislang größtenteils der Wirkung des Gesetzes, in dem sie sich online als "ab 18" einstuften. Ein Schritt, den man bei Ikea wohl nicht gehen wollte – mit Verweis auf das "Propaganda"-Gesetz schaffte man das russische Kundenmagazin im letzten Jahr stattdessen gleich ganz ab (queer.de berichtete).
2012 hatte Ikea bereits für einen internationalen Aufschrei gesorgt, als man aus dem Katalog für Saudi-Arabien die Frauen entfernte. Zugleich hatte der Konzern in Ländern, in denes das problemlos möglich ist, bei den Mitarbeitern und in Kampagnen immer Diversity unterstützt: Bereits 1994 warb man etwa im US-Fernsehen mit einem schwulen Paar.
Als Ikea 2008 in Polen und 2011 in Italien mit schwulen Motiven auf Kritik von Homo-Hassern stieß, zeigte sich der Konzern davon unbeeindruckt. In den USA stellte er erst am Dienstag neue Motive für eine Zeitungsanzeigen-Kampagne vor, bei der es auch ein schwules Paar zu sehen gibt.
Mit diesem Motiv wirbt Ikea jetzt in den USA
Russland geht wohl auf dem zahnfleisch. Fotografieverbot für zwei männer oder zwei frauen auf einem foto. Könnten ja lgbt sein. Krude denkweise.
Daraus sollte auch Putin seine lehre ziehen. Kein foto mehr zusammen mit seinem premier. Sind doch ein nettes pärchen so vor der kamera die beiden. Oder?
Fragt sich nur, wo er die frauen hernimmt. Gibt ja keine in führungspositionen.
Quintessenz: Vielleicht däte herrn putin und dem ganzen apparat in moskau etwas mehr weiblichkeit auf leitungsebene gut. Nicht nur melkerinnen und krankenschwestern. Dann wäre die politik bestimmt weniger aggressiv und testosteron-gesteuert verwegen.