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Beim Kölner CSD hatten schwule Senioren im Sommer eine rasche Rehabilitierung gefordert (Bild: Norbert Blech)

  • 21. Oktober 2016, 17:47h 49 4 Min.

Am Freitag hat das Bundesjustizministerium einen Gesetzentwurf zur Rehabilitierung der Betroffenen zur Abstimmung an weitere Ressorts verschickt.

Das Bundesjustizministerium hat den lange erwarteten Referentenentwurf zur Rehabilitierung der Männer fertig, die in der Bundesrepublik und in der DDR aufgrund einvernehmlicher gleichgeschlechtlicher Kontakte verurteilt wurden.

Neben der Aufhebung ihrer Urteile stehen den Verurteilen dem Entwurf zufolge auf Antrag auch individuelle Entschädigungen zu: 3.000 Euro pro Urteil und 1.500 Euro pro angefangenem Jahr eines Freiheitsentzugs. Insgesamt rechnet das Haus von Justizminister Heiko Maas (SPD) mit rund 5.000 Anträgen und einer Höchstsumme von 30 Millionen Euro.

Insgesamt waren Schätzungen zufolge rund 65.000 Männer in der Bundesrepublik nach dem Paragrafen 175 verurteilt worden, der bis 1969 in der von den Nazis verschärften Form galt und noch bis 1994 ein unterschiedliches Schutzalter für homo- und heterosexuellen Sex vorsah. Auch in der DDR waren schwule Männer nach dem Paragrafen 175 der Vorkriegszeit, später nach dem Paragrafen 151 verfolgt worden. Der Paragraf bestimmte zudem das gesellschaftliche Klima und das Leben aller Schwulen.

Geld für Hirschfeld-Stiftung?

Der Referentenentwurf wurde am Freitag an die übrigen zuständigen Ministerien verschickt, einen Termin für eine Einbringung eines endgültigen Regierungsentwurfs in den Bundestag gibt es noch nicht.

Nach Informationen der "Tagesschau" soll der Entwurf auch eine zusätzliche Kollektiventschädigung vorsehen, unter anderem aus Verantwortung vor den Männern, die ihre Rehabilitierung nicht mehr erleben. Die Rede ist von einer Summe von 500.000 Euro, die der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld zukommen könnte.

Noch ist unklar, auf wieviel Widerstand der Gesetzentwurf in den Reihen der Union stoßen wird. Der Unions-Fraktionsvize Stephan Harbarth hatte sich etwa gegen eine Entschädigung aller Verurteilten ausgesprochen, sondern wollte nur Einzelfälle berücksichtigt sehen (queer.de berichtete). Auch der bayrische Justizminister hatte vorab bekannt gewordene Eckpunkte des Gesetzentwurfs als zu weitgehend kritisiert (queer.de berichtete). Umstritten ist wohl auch die Frage der Kollektiventschädigung.

Erste Reaktionen

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Dr. Jan-Marco Luczak begrüßte am Freitag die Initiative. "Die Ressortabstimmung muss nun zügig erfolgen, damit der Bundestag das längst überfällige Gesetz beraten und beschließen kann. Angesichts des hohen Alters vieler Opfer dieses unsäglichen Paragrafen haben wir keine Zeit zu verlieren", so Luczak, der stellvertretender Vorsitzender des Rechtsausschusses des Bundestags ist.

Ohne auf die Streitpunkte einzugehen, meinte er ferner: "Die Rehabilitierung ist ein wichtiger symbolischer Akt, um den Verurteilten späte Gerechtigkeit zuteil werden zu lassen. Mit der Aufhebung der Urteile wird der strafrechtliche Makel, der nach wie vor auf den Betroffenen lastet, endlich getilgt. Darin zeigt sich die Stärke unseres Rechtsstaats: Er kann Fehler der Vergangenheit erkennen und sich um Wiedergutmachung bemühen."

"Ich begrüße, dass es nun endlich bei der Rehabilitierung und Entschädigung verfolgter Homosexueller vorangeht", meinte auch der grüne Bundestagsabgeordnete Volker Beck. "Unrecht darf keinen Bestand haben. Der Strafmakel muss weg!" Maas springe aber zu kurz, "wenn er allein auf Haftentschädigung abstellt. Schon die Eröffnung eines Ermittlungsverfahrens konnte die Vernichtung der bürgerlichen Existenz und den Verlust des Arbeitsplatzes zur Folge haben. Deshalb müssen auch Berufs- und Rentenschäden Berücksichtigung finden." Beck forderte zudem eine Kollektiventschädigung: "Der Paragraph hat mir und vielen meiner Generation auch ein Stück der Jugend geraubt."

In einer ersten Stellungnahme begrüßte auch der LSVD, dass nun ein Entwurf für ein Gesetz vorliegt: "Die Opfer der menschenrechtswidrigen Verfolgung von Homosexualität warten schon viel zu lange darauf, dass ihnen endlich Gerechtigkeit widerfährt." Man werde den Entwurf genau prüfen: "Die Entschädigung muss einen gerechten Ausgleich dafür bieten, dass die Betroffenen durch die staatliche Verfolgung oft in ihrer bürgerlichen und beruflichen Existenz für ihr ganzes Leben geschädigt wurden."

Die Bundesinteressenvertretung schwuler Senioren (BISS) hatte Anfang Juni einen zweistelligen Millionenbetrag als kollektive Entschädigung durch einen Entschädigungsfonds verlangt (queer.de berichtete).

Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes hatte im Mai ein Gutachten veröffentlicht, wonach der Staat verpflichtet sei, die Unrechtsurteile gegen Opfer der Schwulenverfolgung aufzuheben und die verurteilten Männer zu entschädigen. Maas, der die Frage jahrelang "prüfen" ließ, versprach noch am selben Tag einen baldigen Gesetzentwurf. Urteile nach Paragraf 175 aus der Nazi-Zeit waren zusammen mit Urteilen wegen Fahnenflucht bereits 2002 aufgehoben worden, gegen die Stimmen von Union und FDP. Eine Aufhebung der Nachkriegsurteile wurde lange Zeit mit dem Argument abgewehrt, dass das Bundesverfassungsgericht den Paragrafen im Jahr 1957 für verfassungsgemäß erklärt hatte. (nb)

#1 FinnAnonym
  • 21.10.2016, 18:09h
  • Das ist doch wohl ein schlechter Witz, oder?

    Die Entschädigungssummen sind eine Beleidigung...
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#2 stephan
  • 21.10.2016, 18:12h
  • "3.000 Euro pro Urteil und 1.500 Euro pro angefangenem Jahr eines Freiheitsentzugs. Insgesamt rechnet das Ministerium von Justizminister Heiko Maas (SPD) mit rund 5.000 Anträgen und einer Höchstsumme von 30 Millionen Euro."

    Das ist lächerlich!

    Natürlich kann man nicht mit Geld das Unrecht wieder gut machen und die fürchterlichen Schicksale verbessern, aber es müsste insbesondere 10000 für jedes Jahr geben, in dem jemand als vorbestrafter Mann herumlaufen musste, ohne je das Geringste verbrochen zu haben! In einem Land, in dem Ex-Bundespräsidenten 200000 Ehrensold bekommen (gleichgültig, wie lange sie im Amt waren) sollte das möglich sein!
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#3 25fthgAnonym
  • 21.10.2016, 18:15h
  • Die Entschädigung ist viel zu niedrig!

    Stellt euch vor ihr werdet vom Staat wegen Homosexualität verurteilt und sitzt wegen diesem Unrechtsurteil 3 Jahre im Gefängnis (Freiheitsentzug!). Und dann Jahrzehnte später kommt der Staat und will euch lediglich lächerliche 4500 EUR für drei Jahre Freiheitsentzug zahlen.

    4500 EUR für drei Jahre ungerechtfertigten Freiheitsentzug.

    Das zeigt wie wenig den Politikern die Freiheit eines Menschen wert ist. Nur 1500 EUR pro Jahr nämlich. Unverschämtheit!

    Drei Lebensjahre hat der Staat euch die Freiheit weggenommen und die kriegt ihr nie mehr wieder, und ihr werdet vom Staat dann mit lächerlichen 4500 EUR dafür abgespeist werden?
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