Marcelo Crivella wird am 1. Januar den Posten des Bürgermeisters von Rio de Janeiro antreten (Bild: Senado Federal / flickr)
Ausgerechnet die weltoffene Millionenstadt wird jetzt von einem reaktionären Politiker regiert.
Der evangelikale Aktivist Marcelo Crivella hat am Sonntag die Stichwahl um den Posten des Bürgermeisters von Rio de Janeiro mit deutlichem Vorsprung gewonnen. Auf den Senator der erzkonservativen "Partido Republicano Brasileiro" entfielen 59 Prozent der Stimmen, sein sozialistischer Kontrahent Marcelo Freixo war mit 41 Prozent weit abgeschlagen.
Crivella, der in Brasilien als Sänger religiöser Popsongs bekannt geworden ist, polemisiert regelmäßig gegen Homosexuelle. So behauptete er in einem Buch, dass Homosexuelle Opfer eines "schrecklichen Übels" seien. Der 59-Jährige möchte Schwulen und Lesben das Ehe-Recht wieder entziehen und lehnt beispielsweise Sexualkunde an Schulen ab. Sein Gegenkandidat hatte ihm daher im Wahlkampf wiederholt vorgeworfen, mit seiner Rhetorik die Gewalt gegen Homosexuelle anzustacheln, und die Wähler gewarnt, dass Rio de Janeiro eine andere Stadt sein werde, sollte Crivella gewinnen.
Die Wahl des evangelikalen Kandidaten in der zweitgrößten Metropole des Landes gilt als Antwort auf die wirtschaftliche Krise, die insbesondere der sozialistischen Regierung der im August abgesetzten Präsidentin Dilma Rousseff angelastet wird. Derzeit durchlebt Brasilien die schlimmste Rezession seit den Dreißigerjahren des vergangenen Jahrhunderts.
Crivella ist ein Vertreter des "Wohlstandsevangeliums"
Crivella gehört der evangelikalen "Universalkirche des Königreichs Gottes" an, in der er unter anderem den Titel "Bischof" trug. Die in Brasilien rund zwei Millionen Mitglieder zählende Kirche verkündet ein sogenanntes "Wohlstandsevangelium". Anhänger dieser Richtung glauben, dass Reichtum ein Zeichen von Gottes Gunst sei – und Armut ein Zeichen dafür, dass man etwas falsch gemacht hat.
Der Kirche wird oft vorgeworfen, selbst wie ein Wirtschaftsunternehmen geführt zu werden. So erzielt sie jährliche Einnahmen von über einer Milliarde Euro. Von Mitgliedern verlangt die von Crivellas Onkel gegründete Kirche einen Mindesbeitrag von zehn Prozent ihres Einkommens. In den vergangenen Jahren ermittelte die Justiz wegen Geldwäsche, Steuerhinterziehung, Veruntreuung von Spendengeldern, Betrugs und Bildung einer kriminellen Vereinigung gegen die Glaubensgemeinschaft.
In Brasilien hatte der Oberste Gerichtshof 2013 die Ehe für Schwule und Lesben geöffnet (queer.de berichtete). Als Grund wurde das Diskriminierungsverbot in der Verfassung angeführt. (dk)
Wenn die ökonomische Basis nicht stimmt, hapert es auch am Überbau.
Rückschritt ist immer möglich, deshalb muss man wachsam sein.
Gerade, wenn man wie wir in einem Land lebt, in dem der Fortschritt eine Schnecke ist.
Wenn er überhaupt kriecht...