https://queer.de/?27452
Nach Skandalrede in Hamburg
Oettinger entschuldigt sich nun doch

Günther Oettinger ist seit 2010 EU-Kommissar, zunächst für Energie, derzeit für digitale Wirtschaft. Im kommenden Jahr soll er das Haushaltsressort übernehmen (Bild: ITU Pictures / flickr)
- 3. November 2016, 12:08h 3 Min.
Er verstehe nun, dass seine Rede "vielleicht sogar Menschen verletzt hat", schreibt EU-Kommissar Günther Oettinger in einer schriftlichen Erklärung.
Zu Update springen: Kai Gehring nennt Entschuldigung "halbherzig" (14:48h)
Acht Tage nach seiner heftig kritisierten Rede in Hamburg hat sich EU-Kommissar Günther Oettinger doch noch für seine rassistischen und homophoben Äußerungen entschuldigt. In seiner Ansprache beim 27. "EuropAbend" beim AGA Unternehmensverband hatte er unter anderem gegen eine "Pflicht-Homoehe" gewettert und Chinesen als "Schlitzohren und Schlitzaugen" bezeichnet, die ihre Haare "mit schwarzer Schuhcreme" kämmen (queer.de berichtete).
"Ich habe über meine Rede nachgedacht und verstehe nun, dass meine Wortwahl schlechte Gefühle ausgelöst und vielleicht sogar Menschen verletzt hat", schreibt Oettinger in einer englischsprachigen Stellungnahme. "Das war nicht meine Absicht, und ich entschuldige mich für Bemerkungen, die nicht so respektvoll wie nötig gewesen sind."
Im Original fügte der CDU-Politiker auf Englisch hinzu: "I was frank and open – it was not a speech read-out, but 'frei von der Leber' as we say in German."
Kein Eingehen auf Lesben und Schwule
Während Oettinger in seiner Erklärung Chinesen und Wallonen, die er wegen ihres Widerstands gegen das Freihandelsabkommen Ceta als "Kommunisten" bezeichnet hatte, ausdrücklich erwähnte, ging er auf seine abwertende Äußerung der "Pflicht-Homoehe" nicht näher ein. Sowohl der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) als auch die Lesben und Schwulen in der Union (LSU) hatten deshalb eine Entschuldigung gefordert (queer.de berichtete).
Vor seinen bedauernden Worten hatte Oettinger in Interviews zunächst versucht, seine "saloppen Äußerungen" herunterzuspielen. So sei er "ohne Zusammenhang" zitiert worden, behauptete er gegenüber der Tageszeitung "Die Welt" (queer.de berichtete). Im SWR schob er hinterher, er sei tolerant und habe "überhaupt nichts gegen die Ehe unter Gleichgeschlechtlichen" (queer.de berichtete).
Die Kritik an dem Mitglied des CDU-Bundesvorstands riss jedoch nicht ab. So hatten Politiker von SPD, Grünen und Linken Oettingers Eignung als EU-Kommissar und vor allem seine Beförderung zum Haushaltskommissar in Frage gestellt (queer.de berichtete). Mehrere Europaabgeordnete hatten Anfang der Woche angekündigt, dem 63-Jährigen bei der anstehenden Befragung zu seinem neuen Posten im Plenum auf den Zahn zu fühlen.
Am Mittwoch hatte sogar die chinesische Regierung gegen den deutschen EU-Kommissar protestiert. Die Bemerkungen Oettingers zeigten, dass es bei einigen westlichen Politikern ein "tief verwurzeltes Gefühl von Überlegenheit" gebe, erklärte eine Sprecherin des Außenministeriums in Peking. Man hoffe in Zukunft auf gegenseitigen Respekt und Gleichbehandlung. (cw)
|
Update 14.48h: Kai Gehring nennt Entschuldigung "halbherzig"
In einer ersten Reaktion auf Oettingers Stellungnahme sprach der grüne Bundestagsabgeordnete Kai Gehring am Donnerstagnachmittag gegenüber queer.de von einer "halbherzigen" Entschuldigung. Als einziger deutscher EU-Kommissar bleibe er "untragbar und zum Fremdschämen".
"Dass Oettinger sich bei Frauen, Schwulen und Lesben für seine diskriminierenden und herablassenden Äußerungen nicht entschuldigt, lässt abermals tief blicken", sagte Gehring. "Damit bestätigt er sein inakzeptables antiquiertes Frauen- und Homosexuellen-Bild."
Die Europäische Union und Europa stünden für die volle Gleichbehandlung und Diskriminierungsfreiheit der Geschlechter und von Lesben und Schwulen, erklärte der Essener Grünen-Politiker. "Wer dies wie Oettinger verächtlich macht und die Relevanz von Gleichberechtigung nach wie vor nicht erkennt, hat den Job als EU-Kommissar verfehlt."















Tagelang hat er jede Entschuldigung oder auch nur Distanzierung vehement abgelehnt.
Und erst jetzt, wo es diplomatische Verwicklungen gibt und wo klar wird, wie sehr er der EU und Deutschland schadet, entschuldigt er sich.
Aber auch nicht aus Einsicht, sondern nur um seinen Posten und sein Einkommen zu sichern.
Wenn der Deutschland und der EU nicht noch mehr schaden soll, bleibt nur der Rücktritt. Und wenn er selbst nicht den Anstand dafür hat, zum Wohle der EU und Deutschlands auf seine Pöstchen zu verzichten, müssen andere ihm eben die Entscheidung abnehmen. Ansonsten wäre der Schaden für die EU und gerade auch für Deutschland verheerend.