Der Grünenpolitiker Volker Beck könnte mit den meisten Reden zu einem Thema, der Gleichstellung schwuler und lesbischer Paare, noch im Guinness-Buch der Rekorde landen. Schuld ist weiter die Union, mit einer der längsten Blockadehaltungen
Eine Bundestagsdebatte zeigte am Donnerstag erneut, dass es innerhalb der Regierung keinen Fortschritt bei der Öffnung der Ehe für schwule und lesbische Paare gibt.
Von Norbert Blech
Der Deutsche Bundestag hat am Donnerstag erneut über die Ehe für alle diskutiert, genauer gesagt über deren Ausbleiben. Anlass war zunächst ein von der Linken eingebrachter Antrag, über einen Zwischenbericht des Rechtsausschusses zu entsprechenden Gesetzentwürfen von Linken und Grünen zu debattieren.
Zu dieser eher seltenen Vorgehensweise sah sich die Opposition schon einmal im Februar gezwungen, weil die Mehrheit der Großen Koalition eine Befassung mit den Entwürfen in dem Ausschuss immer wieder vertagte – diesen Mittwoch inklusive inzwischen stolze 18 Mal (Bericht zur damaligen Debatte).
Die Union zeigte sich ablehend gegenüber der Ehe für alle und offen für Kompromisse, die sonst niemand haben will
Mit fast den gleichen Rednern wie im Februar wurde so am Donnerstag erneut ergebnislos über den Stillstand diskutiert, nur dass sich zu den Blockademöglichkeiten ein weiterer Gesetzentwurf gesellte: Nachdem man ihn ein Jahr liegen gelassen hatte und es zuletzt gar einen Mahnbrief an Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) aus den Ländern gab (queer.de berichtete), wurde die Debatte auch als erste Lesung zum Gesetzentwurf des Bundesrats zu einer Ehe-Öffnung genutzt. Selbst darum soll koalitionsintern gerungen worden sein – und der Entwurf landet nun zunächst bei den übrigen im Rechtsausschuss.
"Bauchgefühl" bestimmt weiter Debatte
Wie bei allen Debatten zu Homo-Ehe & Co. der letzten Jahre zeigte sich auch heute wieder die Absurdität, dass es eine Mehrheit unter den Abgeordneten für die Gleichstellung gibt, der jeweilige Partner der Union aber die Koalition über das Gewissen der Abgeordneten stellt und diese das mitmachen.
So erinnerte sich der SPD-Abgeordnete Karl-Heinz Brunner etwa gerührt daran, wie er mit der SPD und dem LSVD vor dem Bundesrat gestanden habe, als dieser den Entwurf zur Ehe für alle verabschiedete, und beklagte, dass man in der Frage, anders als bei der Rehabilitierung der Opfer des Paragrafen 175, mit der Union "keinen Schritt weiter" sei. Er beklagte das neue Grundsatzprogramm der CSU, das (neben einer AfD-artigen Kritik an "Frühsexualisierung" und "Gender-Ideologie") die Ehe als Verbindung aus Mann und Frau festschreibt, und forderte den Koalitionspartner auf, sich zusammenzuraufen. Er kritisierte aber auch die Opposition: Immer neue Anträge würden bei den Gesprächen mit der Union nicht helfen.

Der Linkenabgeordnete Harald Petzold konterte: "Wir stellen so lange Anträge, bis Sie das umgesetzt haben", und kritisierte Brunner dafür, dass er derjenige sei, der im Rechtsausschuss immer die Vertagung beantrage – der SPD-Abgeordnete verteidigte sich mit dem Hinweis, ohne weitere Gespräche mit der Union würde die Ehe-Öffnung als "Scherbenhaufen" im Bundestag enden.
Petzold erinnerte, nicht als einziger, an das gestrige Grußwort der Bundeskanzlerin Angela Merkel an Donald Trump, das den Wert gesellschaftlicher Vielfalt inklusive dem Merkmal sexueller Orientierung betonte (queer.de berichtete). Leider träfe das auch hierzulande auf eine Realität, in der LGBTI Vorurteilen und Angriffen ausgesetzt seien, so Petzold, auch wegen des "Bauchgefühls" der Kanzlerin bei der Ehe für alle und der Blockade der Union in dieser Frage.
Union träumt von Festschreibung der Ungleichbehandlung im Grundgesetz
Bei der Blockade wird es wohl bleiben: Die CDU-Bundestagsabgeordnete Sabine Sütterlin-Waack betonte, bei der Ehe für alle gebe es in der Großen Koalition "keinen Konsens", und meinte, eine Expertenanhörung des Rechtsausschuss im Vorjahr hätte "auch unsere Bedenken gestützt". Man sei in der Auffassung "gefestigt", die Ehe-Öffnung abzulehnen, zu der es keine "zwingende grundgesetzliche Notwendigkeit" gebe. Es sei auch keine Diskriminierung, unterschiedliche Begriffe für Ehe und Lebenspartnerschaft zu verwenden.

Die Abgeordnete lobte sich zugleich dafür, gesprächs- und kompromissbereit zu sein, und verriet so nebenbei, dass die Union in ihren Gesprächen mit der SPD auch nach drei Jahren offenbar in keinster Weise auf die Ehe für alle zusteuert: Sütterlin-Waack erwähnte den Gedanken, die Lebenspartnerschaft zusätzlich zur Ehe unter den besonderen Schutz des Grundgesetzes zu stellen, und beklagte, dass dies von queer.de als "perfide Idee" beurteilt wurde. Diese Kritik ist inzwischen auch ein Jahr alt und stand unter dem Eindruck, einen Vorstoß einzelner Abgeordneter zu kritisieren. In Wirklichkeit scheint es sich um die Blockade-Argumentation der Union gegenüber der SPD zu handeln; nicht, dass diese das öffentlich gemacht hätte.
SPD fordert "Respekt" für Union
Die frisch in den Bundestag nachgerückte SPD-Abgeordnete Bettina Bähr-Losse betonte, dass man in einer Koalition nunmal Kompromisse eingehen müsse, und forderte Respekt für die Union, die man auf dem Weg zu der Gleichstellung mitnehmen müsse und die sich da angesichts des "C"s in ihrem Namen wiederum schwer tue, die eigenen Mitglieder mitzunehmen. Sie sei zuversichtlich, dass dieser notwendige Dialog mit dem Koalitionspartner zu einem Ergebnis führe, forderte zum Ende aber immerhin eine Freigabe der Abstimmung. Auch bei diesem "Dialog" bockt die Union (bei der letzten Debatte im Bundestag hatte übrigens der SPD-Abgeordnete Johannes Kahrs angedeutet, dass die SPD sich notfalls überlegen würde, mit der Opposition zu stimmen, sollte die Ehe für alle erneut Thema im Bundestag werden; Petzold beklagte am Donnerstag, dass Kahrs nicht anwesend war und "gekniffen" habe).
Der CSU-Abgeordnete Alexander Hoffmann redete das neue CSU-Grundsatzprogramm schön und die Diskriminierung von LGBT in Deutschland herunter: Wer die Ehe für alle in den USA oder Brasilien lobe, dürfe dort teils fehlende Antidiskriminierungsgesetze oder hohe Mordraten nicht übersehen.

Deutschland sei nicht das Schlusslicht oder ein Hinterwäldlerland, als dass es manchmal dargestellt werde, so Hoffmann, auch sei man nicht homophob, wenn man die Ehe für alle ablehne, weil nur aus der Verbindung zwischen Mann und Frau Kinder hervorgingen. Die heterosexuelle Ehe sei immer noch das meistgelebte Modell in Deutschland – darauf zitierte er ausführlich eine entsprechende Äußerung von Baden-Württembergs grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (queer.de berichtete).
Der Grünen-Abgeordnete Volker Beck erinnerte Hoffmann daran, dass Kretschmann zu den Initiatoren des Bundesratsbeschlusses zur Ehe-Öffnung gehörte. In seiner Rede zuvor hatte Beck die Union ermahnt, auf die "absurden" Pläne zur Einbringung der Lebenspartnerschaft in das Grundgesetz zu verzichten, da das eher einem "Defense of Marriage Act" und ähnlichen Gesetzen ähneln würde statt einer Gleichstellung. Beck ermahnte die Kollegen, die Anträge zur Ehe für alle vor Ende der Legislaturperiode zur Abstimmung zu bringen.
"Deutschland sei nicht das Schlusslicht oder ein Hinterwäldlerland, als dass es manchmal dargestellt werde..."
Ein Machtwort an den typischen klischeebeladenen "Jammerdeutschen"!