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Vortrag von Torsten Hahnel in Halle
Die schleichende Normalisierung von Hass und Hetze

Mit dieser Grafik macht Thüringens AfD-Chef Björn Höcke auf seiner Facebook-Seite Stimmung gegen die Hirschfeld-Tage
- 12. November 2016, 09:07h 3 Min.
Ein interaktiver Vortrag im Rahmen der Hirschfeld-Tage beschäftigte sich mit dem "Erstarken des Rechtsextremismus" in Deutschland.
Von Katharina Menzel
Im Juni 2016 veröffentlichte die Universität Leipzig die Langzeitstudie "Die enthemmte Mitte" (queer.de berichtete). Es zeichnete sich ein deutlicher Anstieg der Islamfeindlichkeit, des Sexismus sowie der Abwertung von Homosexuellen – im Gegensatz zu den Vorjahren – ab. So empfanden es beispielsweise 40 Prozent der Befragten als "ekelhaft", wenn sich gleichgeschlechtliche Paare in der Öffentlichkeit küssen.
Grund genug, die Ursachen dafür auch im kleineren Rahmen eruieren und vor allem diskutieren zu wollen. So sah sich das Begegnungs- und Beratungszentrum lebensart in Halle, in Zusammenarbeit mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung in der Pflicht, genau diese Aspekte im Rahmen der Hirschfeld-Tage mit einem interaktiven Vortrag der breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Wie jedoch bereits die Studie vermuten ließ, war die Beteiligung am Donnerstagabend in den Räumen des Vereins leider ein Spiegel der aktuellen Entwicklung, "obwohl das Erstarken des Rechtsextremismus alle etwas angehen sollte", wie ein über das fehlende Engagement empörter Gast postulierte.
Parallelen zur Weimarer Republik

Referent Torsten Hahnel vom Verein "Miteinander – Netzwerk für Demokratie und Weltoffenheit in Sachsen-Anhalt" (Bild: Katharina Menzel)
"Durch Wissenschaft zur Gerechtigkeit", dieser Überzeugung folgte Magnus Hirschfeld bereits 1919 mit der Eröffnung des Instituts für Sexualwissenschaft in Berlin, mit dem er der Forschung einen festen Platz und Legitimation verschaffen wollte. Seine Einrichtung etablierte sich schnell zur Anlauf- und Beratungsstelle für Menschen, die Probleme mit ihrer sexuellen Identität hatten sowie als Archiv sexualwissenschaftlicher Literatur. Den Nationalsozialisten ein Dorn im Auge, musste der jüdische Arzt im Mai 1933, zur Zeit der Bücherverbrennungen bereits im Exil, die Vernichtung seines Lebenswerkes hilflos mit ansehen.
Die nahezu gleichen Bilder boten sich in den letzten beiden Jahren in Deutschland – Brandanschläge auf Flüchtlingsunterkünfte, rechte Demonstrationen und offen zur Schau gestellter Hass, wie Torsten Hahnel, Referent des Abends im BBZ lebensart eindrucksvoll erörterte. Eines der Hauptprobleme bestehe darin, dass sich mittlerweile die rechten und neonazistischen Gruppen nicht nur regional und bundesweit, sondern auch international untereinander vernetzen.
Aber auch im Mikrokosmos einer einzigen Stadt seien die erstarkenden Kameradschaftsstrukturen eindeutig sichtbar. So belegt Halle einen traurigen Spitzenplatz in der Statistik rechter Gewalttaten in Sachsen-Anhalt, allein 69 der 219 im Land registrierten Fälle wurden in der Saalestadt verübt. Transparente mit Aufschriften wie "Klagt nicht, kämpft / Wir sind geboren, um zu leben!" der rechtsextremen "Brigade Halle/Saale" seien in der Stadt nicht zu übersehen.
Rechte Hetze und das Erstarken der AfD
Die Ergebnisse der letzten Landtagswahl im März diesen Jahres, bei der die AfD mit 24,7 Prozent einen für unmöglich gehaltenen zweiten Platz erreichte, wurde nicht nur während des Vortrages, sondern auch im Nachhinein hitzig diskutiert, gehen doch gerade von dieser Partei die stärkste Hetze gegen LGBTI-Menschen aus.
Das Fazit, das Torsten Hahnel, Mitarbeiter im Verein "Miteinander – Netzwerk für Demokratie und Weltoffenheit in Sachsen-Anhalt", aus seinen Ausführungen zieht, soll aufrütteln: "Die unwidersprochene Dominanz von Nationalsozialisten in der Öffentlichkeit schafft eine schleichende Normalisierung". Sensibilität und Aufmerksamkeit seien notwendig, um dieser alarmierenden Entwicklung entgegenzuwirken.
Eine Besucherin sieht hier vor allem die Medien in der Pflicht: "Leider ist es ja so, dass viel mehr über Negatives berichtet wird, wie sollen denn die Menschen dann positive Dinge und Entwicklungen überhaupt wahrnehmen?"
Unter dem Motto "L(i)ebe die Vielfalt" stehen bis zum 19. Dezember bei den dritten Hirschfeld-Tagen 115 Veranstaltungen in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen auf dem Programm. Die Bundesstiftung Magnus Hirschfeld als Veranstalterin kooperiert dabei mit neun regionalen Partnern aus der Community. Weitere Infos zum Programm auf hirschfeld-tage.de.















Ich sehe, was das angeht, durchaus einen Anlass zur Selbstkritik auch queerer Medien, die meines Erachtens auch nur einen Teil ihres eigenen Klientels erreichen und ansprechen und ungewollt zur Entpolitiserung und Schwächung der "moderaten" Mitte beitragen.
Ich denke, das Problem liegt eben auch in der Natur der anonymisierten Internetkommunikation, das Bevorzugen der "eigenen" Netzwerke mit ihrer jeweiligen Weltsicht, wodurch der gesamtgesellschaftliche Austausch nicht immer befördert wird.
Queere Themen sind, weil es nun mal um Sex und Liebe und nicht um Dominanz und Hass geht, sensibel und emotional und brauchen eine dementsprechende Gesprächskultur und angstfreie Räume. Gerade die Prozesse, wo sich der gesesllchaftliche Fortschritt und ein Umdenken vollzieht, sind im Netz kaum sichtbar.