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Gemeinsamer Kandidat der Großen Koalition
Steinmeier – ein guter Bundespräsident für Lesben und Schwule?

Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) soll nach dem Willen der Großen Koalition das protokollarisch höchste Amt des Staates bekleiden (Bild: Estonian Foreign Ministry / flickr)
- 14. November 2016, 10:41h 3 Min.
Außenminister Frank-Walter Steinmeier soll nach dem Willen von SPD und Union Nachfolger von Joachim Gauck werden. Den Einsatz für LGBTI-Rechte hat er nie zur Chefsache gemacht.
Von Micha Schulze
Nun wird's also doch der Außenminister. Nach langem Zögern haben sich CDU und CSU am Montagmorgen darauf verständigt, den SPD-Kandidaten für das Bundespräsidentenamt Frank-Walter Steinmeier zu unterstützen. Der derzeitige Amtsinhaber Joachim Gauck hatte im Sommer erklärt, er stehe aus Altersgründen nicht für eine zweite Amtszeit zur Verfügung.
Steinmeier gehört zu den deutschen Politikern, die in queerpolitischen Fragen bislang kaum aufgefallen sind – weder eindeutig negativ noch wirklich positiv. Auf Veranstaltungen von Homo-Hassern wurde der SPD-Politikern ebensowenig gesichtet wie auf CSD-Paraden. Nur ein einziges Mal sorgte er 2007 wegen eines gemeinsamen Auftritts mit dem Berliner Rapper Muhabbet, der für Liedzeilen wie "Faggots schwuchteln euren Kopf leer" bekannt ist, für einen Mini-Skandal. Davon habe er nichts gewusst, redete sich Steinmeier damals heraus (queer.de berichtete).
Immerhin: In einigen wenigen Interviews sprach sich der designierte Bundespräsident in den vergangenen Jahren für die rechtliche Gleichstellung von Lesben und Schwulen aus und kritisierte dabei die Union, die vom Bundesverfassungsgericht "belehrt" werden musste. Vor drei Jahren zeigte Steinmeier auf seiner Facebook-Seite mit dem Gleichheitssymbol auch seine Unterstützung für die Ehe für alle (queer.de berichtete).
Kaum wahrnehmbare Kritik an Verfolgerstaaten

Joachim Gauck hat sich als Bundespräsident so häufig wie kein Vorgänger zu LGBTI-Rechten zu Wort gemeldet. Aus Altersgründen verzichtet er auf eine zweite Amtszeit (Bild: EnergieAgentur.NRW / flickr)
Als Außenminister waren von ihm jedoch nur selten kritische Töne zur Verfolgung von LGBTI in anderen Staaten zu hören. Anders als etwa Guido Westerwelle (FDP) gilt der SPD-Politiker als Kritiker einer "wertegebundenen Außenpolitik". Vor allem gegenüber den Menschenrechtsverletzungen in Russland hält sich Steinmeier auffallend zurück.
Den Einsatz für LGBTI-Rechte überließ Steinmeier im Auswärtigen Amt komplett seinem schwulen Staatsminister Michael Roth (SPD), der dabei durchaus engagiert handelt. Der Einsatz für die Menschenrechte von sexuellen und geschlechtlichen Minderheiten war für den 60-Jährigen aber keine Chefsache.
Joachim Gauck hat sich als Bundespräsident vergleichsweise vorbildlich und so häufig wie kein Vorgänger für Lesben und Schwule eingesetzt. Bei einer Rede im Februar 2013 vor dem Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen betonte er, dass Menschenrechte von Frauen und Homosexuellen universell und unteilbar seien, auch wenn sie in Teilen der Welt umstritten sind (queer.de berichtete).
Je länger Gauck im Amt war, um so deutlicher wurden seine mahnenden Worte auch zur ausstehenden Gleichstellung homosexueller Paare in Deutschland. Beim evangelischen Kirchentag 2015 in Stuttgart beantwortete er eine Frage zur Ehe-Öffnung mit dem vielsagenden Hinweis, dass sein Glaube und sein "unbedingtes Ja zur Aufklärung" zueinander passten (queer.de berichtete). Im vergangenen Sommer sprach sich der Bundespräsident in einem Interview mit der "Irish Times" für eine "stärkere Debatte" über die Ehe-Öffnung aus. Eine Gleichstellung gleichgeschechtlicher Paare nähme anderen nichts weg (queer.de berichtete).
Joachim Gauck dankte queeren Aktivisten für ihr Engagement
In einem Grußwort zum 25. Jubiläum des Lesben- und Schwulenverbands (LSVD) hob der Bundespräsident im vergangenen Jahr hervor, dass die Entwicklung zu mehr Toleranz und Akzeptanz in Deutschland "kein Selbstläufer" gewesen sei: "Sie wurde von Menschen getragen, die gerade in der Vergangenheit viel riskierten – ihren familiären Rückhalt, ihren Arbeitsplatz, ihre bürgerliche Existenz. Diesen mutigen Frauen und Männern ist es zu verdanken, dass der kulturelle Wandel überhaupt in Bewegung kam, dass Tabus gebrochen und politische Forderungen erhoben wurden. Ihnen, den Vorkämpfern der sexuellen Gleichberechtigung, gilt heute mein Dank." Dieses Engagement sei weiterhin notwendig, so Gauck (queer.de berichtete).
Natürlich könnte ein deutsches Staatsoberhaupt noch deutlich mehr für LGBTI tun, zur Entschädigung der Opfer des Paragrafen 175 oder, ganz aktuell, zur Transgender Awareness Week, war auch von Gauck bislang nichts zu hören. Dennoch hinterlässt der ostdeutsche Pfarrer große Fußstapfen, wenn er im kommenden Jahr aus dem Amt scheidet. Frank-Walter Steinmeier muss sich an diesen Verdiensten messen lassen.














