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- 02. Mai 2005 3 Min.
Die intersexuelle Berliner Polizistin Bianca Müller ist tot. Sie hat seit über einem Jahrzehnt gegen Mobbing bei der Polizei gekämpft.
Von Dennis Klein
Am Donnerstag Abend gegen 22 Uhr brach die Feuerwehr ihre Wohnungstür in Berlin-Zehlendorf auf – sie fanden die Polizistin Bianca Müller tot auf ihrem Bett vor. Die 50-Jährige hatte sich bereits drei bis vier Tage zuvor das Leben mit Tabletten genommen. Bekannt wurde die Polizistin durch ihre Geschlechts-Operation Ende der 90er Jahre. Selbst jahrelang ein Opfer von Mobbing, half sie in der Arbeitsgemeinschaft "Kritische Polizistinnen und Polizisten" Beamten, die von Kollegen gemobbt werden.
Bianca Müller kam 1954 in Berlin als Hermaphrodit oder Intersexueller, d.h. mit weiblichen und männlichen Geschlechtsorganen, zur Welt. Da ihre Eltern einen Sohn wollten, ließen sie kurzerhand den Vaginalbereich zunähen und "männlich" ins Geburtsbuch eintragen. Mit ihrem Geschlecht kam "Sven" jedoch nicht zurecht. Bereits mit vier Jahren zog sie heimlich Mädchen-Kleidung an – als ihre Eltern davon Wind bekamen, hagelte es Prügel. Als ihre Vorliebe auf dem Schulhof bekannt wurde, machten Mitschüler Jagd auf "Sven". Mit zehn Jahren unternahm sie ihren ersten Selbstmordversuch. Sie versuchte später, ihr Empfinden zu verleugnen: Mit 22 ging "Sven" zur Kriminalpolizei, um einen richtigen Männerjob zu haben. Kollegen erlebten sie als "machohaft", ihr Markenzeichen war eine qualmende Zigarre. Mit 38 bekannte sie sich schließlich zu ihrer Weiblichkeit: "Ich wurde durch Gesetz und Umwelt 38 Jahre lang vergewaltigt", sagte sie 2000 der Tageszeitung "taz". Auf ihrem Revier hieß es, sie hätte Hodenkrebs – in Wirklichkeit unterzog sie sich einer Geschlechtsanpassung in London.
Sie sollte nun in ein anderes Polizeirevier versetzt werden, in dem nichts von ihrer Vergangenheit bekannt war. Doch "einige hielten die Schnauze nicht", so Bianca Müller. Und so bekam sie bereits vor Dienstantritt Drohanrufe, wurde unter anderem als "Nutte" beschimpft. Dann sollte die Kriminalhauptkommissarin "wie ein Azubi als einfache Sachbearbeiterin" bei der Polizei arbeiten. 1997 wurde sie zudem nach einer Kampagne als Sprecherin des 500 Mitglieder zählenden CDU-Polizei-Arbeitskreises gestürzt. Jahrelang wehrte sie sich gerichtlich gegen Mobbing und Diskriminierung.
Auch privat musste Müller Schicksalschläge verkraften: Ihr Freund starb an einem Herzinfarkt. Kurze Zeit später hatte sie eine Fehlgeburt.
Völlig geschockt reagierte der Psychologe Klaus Mucha auf die Nachricht vom Tod Müllers. Mucha hatte in einer Studie festgestellt, dass "mindestens 6,4 Prozent der Berliner Polizisten unter Mobbing leiden". Er hatte auch Müllers Fall analysiert. "Zuletzt erhielt ich zum Jahreswechsel E-Mails von ihr, in denen sie sinngemäß schrieb, wenn jetzt wieder Nackenschläge kämen, sei dies das Ende für sie", so Mucha gegenüber der "Welt".
In einem mehrseitigen Abschiedsbrief erhebt Müller Anschuldigungen gegen Kollegen und die Polizeiführung. Die Nachrichtenagentur dpa meldet, dass bei der Polizei unerfüllte Karrierewünsche als Grund für das "angebliche Mobbing" angesehen werden. Laut Polizeisprecher Uwe Kozelnik seien alle Vorwürfe im Abschiedsbrief "bereits bekannt gewesen".
2. Mai 2005
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