Die AfD wirbt rund ein Jahr vor der Bundestagswahl offensiv um die Stimmen von Homo-Hassern (Bild: Metropolico.org / flickr)
In einem neuen gemeinsamen Positionspapier wettern alle Landtagsfraktionen der AfD gegen Schaulaufklärung über "sexuelle Vielfalt" – LSVD und Grüne sind empört.
Die AfD hat am Dienstag in einer Pressekonferenz im sachsen-anhaltinischen Landtag die "Magdeburger Erklärung zur Frühsexualisierung" vorgestellt. Darin kritisiert die Partei Bildungspläne, in denen Lesbe, Schwule, Bi- und Intersexuelle sowie Transpersonen inhaltlich aufgegriffen werden. Auf das Papier haben sich Familien- und Bildungspolitiker aus allen AfD-Landtagsfraktionen geeinigt.
Die online bislang nicht veröffentlichte Erklärung fordert laut der Nachrichtenagentur dpa, dass an Schulen die "klassische Familie" und die Ehe aus Mann und Frau als "primäres Lebensziel" vermittelt werden solle. Andere Formen des Zusammenlebens und Sexualverhaltens sollten nicht als gleichwertig dargestellt werden, fasst die "taz" das Papier zusammen. Der sachsen-anhaltinische AfD-Fraktionschef André Poggenburg sagte der Zeitung zufolge bei der Vorstellung des Papiers, aktuelle Schulmaterialien zur Aufklärung wie ein "Kita-Koffer" zum Thema Gleichstellung seien eine "Frühsexualisierung", durch die Schüler "sexuell indoktriniert" und "Kinderseelen belastet" würden.
In einem weiteren Positionspapier hatte Poggenburgs Landespartei bereits vor wenigen Tagen beschlossen, dass zukünftig nur noch "normale" Familien in Deutschland gefördert werden sollten (queer.de berichtete). Das am Dienstag vorgestellte Papier soll laut der "taz" auch eine Ablehnung des Adoptionsrechts für gleichgeschlechtliche Paare enthalten: Es sei nicht geklärt, ob Kinder bei gleichgeschlechtlichen Paaren eine "normale und stabile Geschlechtsidentität" entwickelten, meinen die AfD-Politiker demnach.
Verstärkter Kampf gegen eine Gleichwertigkeit der Homosexualität
Die AfD scheint mit der Pressekonferenz in Magdeburg einem die sexuelle Vielfalt bejahenden Termin zuvorkommen zu wollen: Am Mittwoch will die Hamburger Dragqueen Olivia Jones in dem gleichen Landtag auf Einladung der Grünen aus ihrem Kinderbuch "Keine Angst in Andersrum" vorlesen – sie hatte vor wenigen Monaten eine Strafanzeige gegen Poggenburg gestellt, weil dieser eine Aufklärungsbroschüre des Landesgleichstellungsministeriums kritisiert hatte, in der das Buch als Empfehlung gelistet wurde (queer.de berichtete). Poggenburg hatte eine "ideologische, unverantwortliche Verblendung" kritisiert und Aufklärung über Homo- und Transsexualität letztlich mit Kindesmissbrauch in Verbindung gebracht.
Zu dem Thema poltert seine AfD seit Monaten: Im September hatte die Rechtsaußenpartei einen Stopp des von CDU bis Linken unterstützten Landesaktionsplans gegen Homophobie gefordert, der unter anderem eine Aufklärung an Schulen vorsieht. Der Abgeordnete Daniel Roi kritisierte in einem Landtagsantrag eine "Radikalität der Maßnahmen", die dem "Empfinden von Normalität und Natürlichkeit" der Mehrheit der Bevölkerung zuwiderliefen (queer.de berichtete). Seine Fraktionskollege Hans-Thomas Tillschneider hatte in einer Pressemitteilung ergänzend über "das Verhältnis von Norm und Abweichung" sinniert (queer.de berichtete), während Fraktionschef Poggenburg in der Landtagsdebatte von einem "gesellschaftlichen Umpolungs- und Umwertungsprogramm" sprach (queer.de berichtete).
Ähnliche Aussagen waren zuletzt verstärkt aus weiteren AfD-Landesverbänden zu hören; der thüringische Fraktionschef Björn Höcke meinte etwa, es könne nicht Ziel der Schule sein, "die Kinder dazu zu zwingen, diese sexuelle Andersartigkeit, die in vielen Fällen sexuelle Perversität bedeutet, nicht nur zu tolerieren, sondern positiv zu finden" (queer.de berichtete). Die Partei greift dabei Übertreibungen, Falschinformationen und Hetze der homofeindlichen Bewegung "Demo für alle" auf, die einst aus dem Büro der AfD-Europaabgeordneten Beatrix von Storch heraus organisiert wurde.
"Faktenfreie und diffamierende Kampagnen"
Wie hier die Landtagsfraktion Sachsen-Anhalt pöbelt die AfD u.a. in sozialen Netzwerken gegen Sexualaufklärung und Schulaufklärung über sexuelle Vielfalt
Der Lesben- und Schwulenverband und die Grünen haben das neue AfD-Papier scharf kritisiert. LSVD-Sprecherin Stefanie Schmidt bemängelte die "faktenfreien und diffamierenden Kampagnen" der rechten Partei. LGBTI seien "unbestreitbarer Bestandteil der heutigen Gesellschaft, sie sind gleichwertig und sollten wie alle Menschen angst- und diskriminierungsfrei leben können", so Schmidt.
Eine selbstverständliche und unaufgeregte Thematisierung des Themas in der Schule wirke präventiv und nachhaltig gegen Homo- und Transphobie. "Das sollte genau wie Inklusion oder die Thematisierung von Rassismus und Antisemitismus ein wichtiger Bestandteil der Demokratie- und Menschenrechtsbildung sein. Dass die Akzeptanz von Vielfalt und das Eintreten für (Mit-)Menschlichkeit von der AfD diffamiert werden, zeugt von einem ebenso uniformen wie beschränkten Gesellschaftsbild." Schmidt wünsche sich, dass alle Kinder "angstfrei über ihre Familien sprechen können" statt durch Mobbing und Ausgrenzung eingeschränkt zu werden.
"Das Pamphlet der AfD-Fraktionen stellt Ideologie über das Kindeswohl", erklärte auch der Bundestagsabgeordnete Volker Beck (Grüne). "Eine altersgerechte Erziehung für Respekt unterschiedlicher Lebensformen hat nichts mit Sex, sondern mit Demokratie zu tun."
Der grüne Bildungsexperte Kai Gehring kritisierte, dass die AfD mit "reaktionären Glaubenssätzen" versuche, die LGBTI-Akzeptanz zu torpedieren. Das sei eine "Kampfansage gegen die gesellschaftliche Vielfalt in unserem Land". "Statt eines Zurück in die autoritären 1950er Jahre muss es um Bildung und Pädagogik der Vielfalt gehen. Kinder leben in einer vielfältigen Gesellschaft und haben Fragen. Die müssen Eltern, Kitas und Schulen beantworten können anstatt sie zu Tabus zu erklären oder mit AfD-Glaubenssätzen abzuspeisen", so Gehring. (dk)
was dem indoktrinationsverbot, das die deppen so gerne beschwören, sehr eindeutig widerspricht.
aber diese erkenntnis ist natürlich einer der begriffsperversionen zum opfer gefallen, die die heutige politische diskussion mehr und mehr prägen. das, was afd und dfa ("demo für alle") ihrerseits als angebliche "indoktrination" verteufeln, ist ja genau das, was unverblendete menschen einfach nur als "aufklärung" oder "objektive wissenvermittlung" bezeichnen würden.
ich hätte nicht gedacht, dass orwells "neusprech" zu meinen lebzeiten einmal derartig effektiv und unverschämt zur realität werden würde.