Im Landeshaus in Kiel wurde über die Rechte von Trans- und Intersexuellen debattiert (Bild: Schleswig-Holsteinischer Landtag)
Im Kieler Landtag unterstützten mit Ausnahme der CDU alle Fraktionen einen Antrag zur Stärkung der Rechte von trans- und intersexuellen Menschen.
Von Dennis Klein
Zum erste Mal in seiner Geschichte hat der Landtag von Schleswig-Holstein am Donnerstagnachmittag über Trans- und Intersexualität debattiert – und dabei weitgehende Einigkeit erzielt. Bereits im Vorfeld hatten sich die beiden Oppositionsfraktionen FDP und Piraten einem Antrag der Regierung aus SPD, Grünen und der dänischen Regionalpartei SSW angeschlossen. Nur die CDU konnte sich nicht zu einer Unterstützung durchringen. Begründung: Man müsse sich erst einmal über das Thema informieren.
Der zweiseitige Antrag (PDF) bittet die Landesregierung, sich im Bund und auf internationaler Ebene für die Rechte von Trans- und Intersexuellen stark zu machen. Dabei wird ein umfassendes Forderungspaket gestellt: Das veraltete deutsche Transsexuellengesetz müsse reformiert werden, man solle sich in internationalen Gremien dafür einsetzen, dass Transpersonen nicht länger als krank gelten, Organisationen für trans- und intersexuelle Menschen müssten gestärkt werden, ein digitales Vernetzungs- und Informationsportal müsse aufgebaut werden und minderjährige Intersexuelle müssten stets ein Vetorecht bei geschlechtsanpassenden Operationen haben und mehr über medizinische Maßnahmen informiert werden. Anlass für den Antrag ist die international begangene Transgender Awareness Week, die jedes Jahr im November die Sichtbarkeit von transgeschlechtlichen Menschen erhöhen und auf Diskriminierungen hinweisen soll.
"Trans-Rechte sind Menschenrechte"
Knapp 40 Minuten debattierten die Abgeordneten über den Antrag: Den Anfang machte der schwule Grünenpolitiker Rasmus Andresen, der betonte, dass Trans- und Intersexuelle in der deutschen Gesellschaft noch immer auf Unverständnis stießen und Gewalt erfahren würden. Er forderte, dass die Anerkennung von transgeschlechtlichen Personen einfacher sein müsse, und nannte als positives Beispiel etwa die Reform des Transsexuellenrechts in Norwegen (queer.de berichtete). "Die Rechte von trans- und intersexuellen Menschen sind Menschenrechte", so Andresen. Über den Antrag hinaus wünsche sich seine Fraktion zudem, dass in offiziellen Dokumenten neben "männlich" und "weiblich" ein drittes Geschlecht ausgewählt werden dürfe.

Katja Rathje-Hoffmann betonte für die CDU als größte Oppositionsfraktion, auch sie glaube, dass Menschenrechte "selbstverständlich" auch für Trans- und Intersexuelle gelten würden. Gleichzeitig könne sich ihre Fraktion nicht durchringen, den Antrag zu unterstützen, weil sie zu wenig darüber wüssten: "Wir sind keine Experten zu diesem Thema. Und deswegen spreche ich mich für eine Ausschussunterweisung dieses Antrags aus", so Rathje-Hoffmann. Man müsse sich erst gründlich mit dem Thema beschäftigen und eine mündliche Anhörung veranstalten. "Wir brauchen mehr Informationen von Leuten, die was davon verstehen", forderte die 53-Jährige, für die Trans- und Intersexualität offenbar ganz neue Phänomene sind.

Der SPD-Politiker Wolfgang Baasch erwiderte darauf, es sei offensichtlich, dass es Vorurteile in der Gesellschaft gebe. Er dankte FDP und Piraten dafür, den Regierungsantrag nicht nur mitzutragen, sondern gemeinsam eingebracht zu haben.
Warnung vor Rechtspopulisten
Die Notwendigkeit einer Anhörung konnte auch Heiner Garg von der FDP nicht nachvollziehen. "Warum gelingt es uns verdammt noch mal nicht im Jahre 2016, dass Menschen so genommen werden, wie sie sind", fragte der Liberale in einer engagierten Rede. Er warnte vor Populisten von Rechts und mahnte Demokraten an, "richtige Zeichen" dagegen zu setzen.

Auch der Pirat Torge Schmidt sieht weltweit beängstigende Tendenzen, die von "hasserfüllten Menschen" getragen werden – als Beispiele nannte er die US-Präsidentenwahl, Brexit und die AfD. Darum müsse man alles tun, um Diskriminierung zu bekämpfen. Es sei für ihn schon eine Benachteiligung, dass es das Transsexuellengesetz gibt. "Warum stehen Regelungen zu Namensänderung nicht einfach im BGB?", fragte der 28-Jährige.
Flemming Meyer vom SSW kritisierte auch Aussagen von Reformgegnern, die das Thema wegen der geringen Zahl von Transsexuellen für unwichtig halten. Auch die dänische Minderheit in Schleswig-Holstein würde als "Randphänomen" verunglimpft, so Meyer. Die Qualität einer Gesellschaft zeige sich aber erst in ihrem Umgang mit Minderheiten.
Zum Abschluss appellierte Gleichstellungsministerin Kristin Alheit (SPD) an die Abgeordneten, ein Zeichen gegen Rechtspopulisten und ihre Hetze unter dem Stichwort "Genderwahn" zu setzen. Insbesondere die Einstufung von Transsexualität als Krankheit sei eine "Stigmatisierung, Kränkung und Herabsetzung" von Menschen.
Am Ende der Debatte sprach sich nur die CDU für die Überweisung des Antrags in die Ausschüsse aus, alle anderen Parteien stimmten dagegen. Der Antrag wurde danach mit den Stimmen von SPD, Grünen, FDP, Piraten und SSW angenommen. Die Christdemokraten enthielten sich.
Selbst im Jahr 2016 stecken die geistig noch in den 1950-ern. Wenn nicht sogar noch 10 Jahre früher...