Der Foto-Termin mit AfD-Hetzer André Poggenburg war wohl nicht die beste Idee. In der Hand hält Jones die "Magdeburger Erklärung zur Frühsexualisierung", angeblich handsigniert. (Bild: facebook / oliviajoneshamburg)
Fraktionschef André Poggenburg behauptet auch nach dem Treffen mit der Dragqueen, der Aktionsplan zur LGBTI-Akzeptanz sei "eine Schändung von Kinderseelen".
Von Norbert Blech
Einen Tag, nachdem der Auftritt der Hamburger Dragqueen Olivia Jones in der Kantine des Magdeburger Landtags für positive Schlagzeilen im Bemühen um Akezptanz von LGBTI sorgte (queer.de berichtete), hat der sachsen-anhaltinische AfD-Fraktionschef André Poggenburg mit neuer Hetze zu Schulaufklärung über Homo- und Transsexualität nachgelegt. Dazu nutze er ein gemeinsames Bild von sich mit der Dragqueen.
Die Grünen hatten Jones eingeladen, aus ihrem Kinderbuch "Keine Angst in Andersrum" vorzulesen. Damit reagierte die Partei auf eine Auseinandersetzung zwischen Jones und der AfD: Die Dragqueen hatte Strafanzeige gegen Poggenburg gestellt, nachdem die Partei Aufklärungsmaterialien über Homo- und Transsexualität wie ihr Buch als "Frühsexualisierung" und geradezu Kindesmissbrauch dargestellt hatten (queer.de berichtete). "Für uns zählen Wohlbefinden und seelische Unversehrtheit unserer Kinder mehr als unsinnige und übertriebene Forderungen von Schwulen- und Lesbenverbänden", hatte Poggenburg zu einer vom Landesgleichstellungsministerium herausgegebenen Aufklärungsbroschüre geschrieben, die unter anderem Jones' Buch als Lektüre empfiehlt.
Poggensburgs Fraktion wettert seit Monaten gegen eine angemessene Schulaufklärung über Homo- und Transsexualität, wie sie ein umfassender Aktionsplan zur Akzeptanz von LGBTI des Landes vorsieht. In einer Landtagsdebatte sprach der AfD-Abgeordnete Hans-Thomas Tillschneider etwa über Homosexualität als "Abweichung" und Fehler der Natur (queer.de berichtete). Einen Tag vor dem Besuch von Jones hatte Poggenburg auf einer Pressekonferenz im Landtag zudem die gemeinsame "Magdeburger Erklärung gegen Frühsexualisierung" der AfD-Landtagsfraktionen vorgestellt, in der eine Schulaufklärung über sexuelle Vielfalt diffamiert und abgelehnt wird (queer.de berichtete). Die auf Homophobie setzende Polemik gegen entsprechende Bildungspläne macht die AfD inzwischen bundesweit zu einem ihrer Hauptthemen.
Poggenburg: Heteros werden benachteiligt
"Das Wichtigste ist, dass auch unsere Kinder beigebracht kriegen, dass auch Männer Männer lieben können und Frauen Frauen lieben können und dass davon die Welt nicht untergeht", hatte Jones am Mittwoch im Landtag gesagt und versucht, mit ihrem Auftritt und der Lesung zumindest einige Menschen zu erreichen, die von der AfD verunsichert werden.
Poggenburg selbst war der Einladung zu der Vorlesung nicht gefolgt, hatte sich aber zu einem kurzen nicht-öffentlichen Gespräch mit der Dragqueen getroffen. Ein Foto des Termins nutze er am Donnerstag auf Facebook nun erneut zur Hetze gegen sexuelle Minderheiten und führte Olivia Jones zugleich vor, in dem er sie zu einer neuen öffentlichen Debatte in seine Fraktion einlud und behauptete, dass man "dialogbereit" sei. Auch überreichte er Jones, wie das Foto festhalten soll, angeblich ein "signiertes" Exemplar der hetzenden "Magdeburger Erklärung".
Aus dem "Dialog" mit Poggenburg wurde eine öffentliche Vorführung zur Belustigung der AfD-Anhänger in sozialen Netzwerken
Die AfD lehne Diskriminierung von Minderheiten ab, behauptet die Fraktion in dem dazugehörigen Eintrag auf Facebook, dies sei "rechtlich aber bereits umfassend geregelt". Die Partei sei der "Überzeugung, dass durch die überbordende Förderung von Minderheiten der Stellenwert der traditionellen Familien aus Mann, Frau und Kindern durch Landesaktionsprogramme oder Bildungspläne benachteiligt wird." Bürger würden durch sie nicht mitgenommen, sondern "verunsichert". "Daher halten wir diese Aktionspläne für völlig kontraproduktiv. Der Gefahr der Frühsexualisierung von Kindern in Kitas und Schulen durch sexuelle Indoktrination muss zwingend und unverzüglich Einhalt geboten werden." Medien hatten sich am Mittwoch belustigt, dass die Partei keine Belege für eine "Frühsexualisierung" vorlegen konnte – dabei sieht sie diese (wie die "Demo für alle") bereits durch die Erwähnung etwa von Regenbogenfamilien im Unterricht als gegeben an.
In einem weiteren Eintrag auf der Facebookseite der AfD-Fraktion Sachsen-Anhalt schrieb Poggenburg am Donnerstag zu angeblich anders lautenden Medienberichten, man sei nach dem Besuch von Jones "bei gar nichts 'zurückgerudert'": "Die AfD spricht sich nach wie vor grundsätzlich gegen Diskriminierung von Minderheiten, also auch Homo- und Transsexuellen, aus. Das war bisher so und steht in keinerlei Zusammenhang mit dem Besuch von Olivia Jones. Wir haben allerdings den Aktionsplan LSBTTI und die damit zusammenhängende Frühsexualisierung kritisiert und dabei bleibt es auch. Frühsexualisierung ist eine Schändung von Kinderseelen und erzeugt überhaupt keine Toleranz für Homosexualität." Als wäre es nicht die AfD, die diese Toleranz gezielt schwächt.
Botschaft für "buntes Deutschland" bleibt
Auch Olivia Jones hatte am Donnerstag ein Fazit ihres Magdeburg-Besuchs bei Facebook gepostet: "Ich hoffe, ich konnte Denkanstöße liefern und Mut machen." Die Medienberichterstattung ihr gegenüber war recht wohlwollend.
Zugleich kann der Auftritt auch als ein Signal an die aufgeklärte Gesellschaft, an die Szene und an ihre Unterstützer gewertet werden: "Ich bin ganz einfach für ein buntes Deutschland und nicht für ein braunes Deutschland. Und dafür muss man kämpfen!", hatte Jones in Magdeburg gesagt. Der Kampf gegen einen Rollback und gegen die Hetze geht weiter: Am Donnerstag veröffentlichte etwa der Hamburg Pride eine gepfefferte Antwort auf die "Magdeburger Erklärung" (queer.de berichtete).
Man achte übrigens auf den Fotos auf die Frisur von Adolf Poggenburg....ääähhh... sorry, André.....allein am Bartwuchs haperts noch.