Drei von rund 69.000 verurteilten Opfern der Schwulenverfolgung nach 1945: Klaus, Wolfgang und Heinz können im kommenden Jahr auf eine Rehabilitierung und mehrere Tausend Euro Entschädigung hoffen (Bild: Ulrike Delfs / Antidiskriminierungsstelle)
Der Bundestag bewilligte im Justiz-Haushalt für 2017 insgesamt 4,5 Millionen Euro für die Individualentschädigung von Nachkriegsopfern des Paragrafen 175.
Ein gutes Zeichen für die im Nachkriegsdeutschland wegen ihrer Homosexualität verurteilten Männer: Obwohl es noch gar keine Rechtsgrundlage gibt, hat der Deutsche Bundestag am Dienstag den Haushalt 2017 des Bundesjustizministeriums angenommen, in dem 4,5 Millionen Euro für die Schaffung eines Fonds zur Individualentschädigung von Opfern des "Schwulenparagrafen" 175 des Strafgesetzbuchs vorgesehen sind.
Der Beschluss deutet darauf hin, dass CDU und CSU noch in dieser Legislaturperiode dem Gesetzentwurf von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD), der sich seit vier Wochen in der Ressortabstimmung befindet, grundsätzlich zustimmen werden. Die Union hatte in der Frage der Rehabilitierung und Entschädigung der nach 1945 verfolgten Schwulen bislang widersprüchliche Signale ausgesandt. In seinem Entwurf hatte Maas allerdings mit Entschädigungskosten in Höhe von rund 30 Millionen Euro über den Zeitraum von fünf Jahren gerechnet.
Linke fordert zusätzlichen "Härtefallfonds"
"Mit dem vorliegenden Haushalt schaffen wir – dafür bin ich besonders dankbar – die Voraussetzung für eine individuelle Entschädigung der Opfer", sagte Maas in der Bundestagsdebatte. Ebenfalls beschlossen wurde eine vom Justizminister als "Kollektiventschädigung" gedachte institutionelle Förderung der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld in Höhe von jährlich 500.000 Euro (queer.de berichtete).
Der Linken-Abgeordnete Harald Petzold dankte der Großen Koalition für die Bereitstellung der Mittel im Haushaltsplan, forderte jedoch zusätzlich einen "Härtefallfonds" für all diejenigen, die zwar nicht verurteilt wurden, aber aufgrund von Ermittlungsverfahren "ihre bürgerliche Existenz, ihre Wohnung, ihren Arbeitsplatz verloren haben und die ebenfalls in ihrer Menschenwürde erheblich verletzt worden sind".
Die CDU-Abgeordnete Elisabeth Winkelmeier-Becker begrüßte die geplante Entschädigung der verurteilten Schwulen und erklärte, "dass wir das Geld dafür sehr gerne in den Haushalt eingestellt haben". Die SPD-Politikerin Christina Jantz-Herrmann nannte die Rehabilitierung einen "längst überfälligen Schritt". Ihr Parteifreund Dennis Rohde erklärte in der Aussprache: "Wir wissen, wir können Unrecht nicht ungeschehen machen, aber wir können alle daran arbeiten, dass sich Unrecht nicht wiederholt."
Justizministerium rechnet mit bis zu 5.000 Anträgen
Mit dem Paragrafen 175 in der von der Nationalsozialisten verschärften Fassung waren schwule Männer auch in der Nachkriegszeit strafrechtlich verfolgt worden, vor allem in den Fünfziger- und Sechzigerjahren wurden Zehntausende verurteilt. Maas hatte die Rehabilitierung lange vor sich her geschoben, bis die Antidiskriminierungsstelle des Bundes im Mai ein Rechtsgutachten veröffentlichte, wonach diese nicht nur möglich, sondern rechtlich geboten sei (queer.de berichtete).
Ende Oktober stellte das Justizministerium einen ersten Referentenentwurf für ein "Gesetz zur strafrechtlichen Rehabilitierung der nach dem 8. Mai 1945 wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen verurteilten Personen" (StrRehaHomG) vor, über den derzeit die Regierungskoalition berät und der eine individuelle Entschädigung von 3.000 Euro pro Urteil und je 1.500 Euro pro Jahr Freiheitsentzug vorsieht (queer.de berichtete). Der Antrag sei innerhalb von fünf Jahren nach Inkrafttreten des Gesetzes zu stellen und müsse den Zeitraum des Freiheitsentzugs "nachvollziehbar belegen".
Das Justizministerium schätzt, dass – bei insgesamt rund 69.000 Verurteilungen, von denen noch 2.900 im Zentralregister erfasst seien – noch rund 5.000 Verurteile leben könnten. (mize)
Allein der Zeitpunkt ist ueberfaellig und wurde gewaehlt, dass man sich der "edlen Wohltaten" durch die mehrheitsbildende Regierungskoalition fuer das Kreuzchen bei der naechstjaehrigen BTW erinnern moege.
Niemand, der es nicht erlebt hat, weiß, was unsereins allein durch die ANGST erwischt zu werden, ausgehalten hat. Man hatte einen süßen Mann kennen gelernt und man konnte sich nur im Geheimen treffen. Schneller Sex war lebensgefaehrlich. Und ueberhaupt, um sich kennenzulernen, bedurfte es zahlreicher Tricks ueber das Ausland. Was gut war ist, dass das Misstrauen gegenueber dem Staat geschult wurde.
Sex ist ein Grundbeduerfnis. Dieses bestraft zu haben, ist ein Verbrechen an sich, das geahndet werden solle. Aber die Drahtzieher fuer die Aufrechterhaltung der Ungerechtigkeit waschen noch immer ihre Haende in braun-schwarz-roter Bruehe. Jenes Unrecht kann man nicht mit mit den paar Kroeten aufwiegen. Im Uebrigen wurde lange zu lange gewartet.
Wenn es heisst, es wuerde damit gerechnet, dass 5000 Antraege gestellt wuerden. Traurig, traurig und wuetend machend, dass die Zeit mit nichtsnutzigem Getue verplempert wurde, in der heimlichen Erwartung, bis fast alle Berechtigten gestorben sind.