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Positiv zusammenleben
Welt-Aids-Tag: Der Kampf gegen irrationale Ängste

Zum Welt-Aids-Tag kämpft die Deutsche Aids-Hilfe mit einer Plakataktion gegen Diskriminierung und Stigmatisierung von HIV-Positiven (Bild: Deutsche Aids-Hilfe)
- 1. Dezember 2016, 10:21h 4 Min.
Noch immer werden HIV-Positive diskriminiert. Am 1. Dezember versuchen Aids-Aktivisten beim 29. Welt-Aids-Tag, Ängste abzubauen. Außerdem stellen sie Forderungen für eine bessere Präventionspolitik.
Beim diesjährigen Welt-Aids-Tag gibt es unter dem Schlagwort #positivzusammenleben eine zentrale Botschaft: "Mit HIV kann man heute leben. Mit Diskriminierung nicht." Die Plakate, die anlässlich des Welt-Aids-Tags überall in Deutschland zu sehen sind, zeigen HIV-positive Menschen mit ihren Forderungen nach Respekt und Akzeptanz.
Die Botschaft von Björn aus Frankfurt lautet: "Gegen HIV hab ich Medikamente. Gegen dumme Sprüche nicht." Alexandra aus Aachen sagt: "Mit HIV komm ich klar. Mit Ablehnung nicht". Wolfgang erklärt anonym: "Mit HIV kann ich leben. Mit dem ewigen Verstecken nicht."
"Mit erfolgreicher Präventionsarbeit und hochwertiger Behandlung haben wir es erreicht, dass Deutschland zu den Ländern mit den niedrigsten HIV-Neuinfektionsraten in Europa gehört", freute sich Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) am Mittwoch zum Auftakt der Kampagne. "Wir dürfen jedoch nicht nachlassen, die Krankheit weiter zu bekämpfen und über Risiken aufzuklären. Zugleich ist es wichtig, dass wir alle gemeinsam entschlossen gegen Ausgrenzung und Ablehnung von HIV-infizierten Menschen vorgehen."
Forderungen nach besserer Sexualaufklärung, Gleichstellung, PrEP
Nicht alles ist Friede, Freude, Eierkuchen, wie Aids- und LGBTI-Aktivisten anlässlich des Welt-Aids-Tages erklärten. So stellte der Lesben- und Schwulenverband einen Forderungskatalog auf: Mit Blick auf den Kampf gegen Bildungspläne durch AfD und Teile der Union sei es wichtig, dass eine "sensible und altersgerechte Sexualaufklärung an Schulen" die Sexualerziehung des Elternhauses ergänzen müsse. "Ziel der Sexualaufklärung sollte die positive Einstellung zur eigenen Körperlichkeit und Sexualität sowie die Entwicklung von Verantwortungsbewusstsein für sich und andere sein", so der LSVD.
Zu einer erfolgreichen Aids-Prävention gehöre auch "die rechtliche Gleichstellung und gesellschaftliche Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt". Außerdem sei "eine verstärkte und zielgruppengerechte Aufklärung, der Ausbau von niedrigschwelligen und kostenlosen Testangeboten, auch für andere sexuell übertragbare Infektionen, und die Zulassung von antiretroviralen Medikamenten zur medikamentösen Prophylaxe" notwendig.
Jene Prä-Expositionsprophylaxe (PrEP), die HIV-Negative vor einer Infektion schützen kann, ist nach Ansicht der Aids-Aktivisten ein sehr wichtiger Baustein im Kampf gegen das Virus – und hier geht es in Deutschland zu langsam voran. Bereits im Vorfeld des Welt-Aids-Tages hatten mehrere Aids-Organisationen, darunter die Deutsche Aids-Hilfe, in einem gemeinsamen Appell an die Politik eine Freigabe von Truvada zur vorbeugenden Einnahme für bestimmte Personengruppen samt Kostenübernahme durch die Krankenkasse gefordert (queer.de berichtete).
Auch die Opposition fordert die schnelle Zulassung von PrEP: "Richtig eingesetzt, muss dieses Medikament die bisherigen Anstrengungen zur Eindämmung der Epidemie ergänzen", so die Grünenpolitiker Kordula Schulz-Asche und Volker Beck in einer gemeinsamen Erklärung zum Welt-Aids-Tag. So müsse geklärt werden, in welchen Fällen die Kosten für PrEP von den Krankenkassen übernommen werden. "Selbst bei medizinischer Indikation wie einer Latex-Allergie oder in Partnerschaften mit einem HIV-positiven Partner ist PrEP kaum zugänglich. Damit es hier Bewegung gibt, muss der Hersteller eine Kostensenkung vornehmen", so Schulz-Asche und Beck. Derzeit kosten eine Monatsration Truvada in Deutschland rund 800 Euro.
Protest gegen Zwangstests
Die Politik müsse auch bei anderen, derzeit akuten Herausforderungen schneller reagieren. So verwies der Bundesverband der queeren Sozialdemokraten zum Welt-Aids-Tag auf eine Problematik, die insbesondere Flüchtlinge in Bayern betreffe: "Als einziges Bundesland führt der Freistaat HIV-Zwangstest für Menschen auf der Flucht durch", kritisierten die Schwusos/SPD queer. Das verletze das Selbstbestimmungsrecht der Geflüchteten und sei außerdem wenig sinnvoll: "Die massenhaften Tests stellen nicht nur eine Verschwendung von Ressourcen dar, sondern sind zudem fachlich unsinnig, da in den Ländern, aus denen die Flüchtlinge derzeit hauptsächlich nach Deutschland kommen, HIV nicht besonders verbreitet ist." Das gelte etwa für Syrien.
Insgesamt sei nach drei Jahrzehnten Präventionspolitik noch immer Aufklärung das wichtigste Element im Kampf gegen das Virus. "Ein langes und erfülltes Leben mit HIV ist heute möglich. Diskriminierung und die Angst davor sind jedoch für viele Menschen mit HIV eine Belastung", so Ulf Hentschke-Kristal vom Vorstand der Deutschen Aids-Hilfe. Je weniger HIV-Positive abgelehnt werden, desto mehr Menschen würden sich testen lassen und desto mehr würden rechtzeitig mit einer Therapie beginnen, wodurch sie eine niedrigere Viruslast hätten und die weitere Übertragung des Virus verhindert werde. "Der Grund von Diskriminierung liegt meist in irrationalen Ängsten. Unsere Kampagne soll zeigen: Ängste vor Menschen mit HIV sind unbegründet, positiv zusammen leben ist leichter als gedacht." (dk)
Mehr zum Thema:
» Homepage Deutsche Aids-Hilfe















Und auch wenn es eine schwere, lebensbedrohliche Krankheit ist, so ist es dennoch kein Grund, jemanden auszugrenzen. Und mit den modernen Therapien ist den Betroffenen auch ein viel längeres und besseres Leben möglich, als es früher mal der Fall war.
Natürlich muss weiterhin das Ziel sein, diese Krankheit heilbar zu machen und Impfungen zu entwickeln. Aber es gibt keinen Grund, Menschen, die an dieser Krankheit erkrankt sind, auszugrenzen oder irgendwie zu stigmatisieren.