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Nachruf
George Michael: Ein brillanter Künstler und engagierter Humanist
Der britische LGBTI- und Menschenrechtsaktivist Peter Tatchell würdigt den verstorbenen Sänger.

Der plötzliche Tod von George Michael an Weihnachten hat viele Menschen bewegt (Bild: georgemofficial/instagram)
- 28. Dezember 2016, 12:40h 5 Min.
Am Sonntag, am ersten Weihnachtsfeiertag ist der britische Popstar George Michael im Alter von 53 Jahren verstorben (queer.de berichtete). Inzwischen wurde bekannt, dass der frühere Wham!-Star und erfolgreiche Solosänger an einem Herzinfarkt starb und dass er von seinem Partner Fadi Fawaz, mit dem er seit fünf Jahren zusammenlebte, tot im Bett aufgefunden wurde.
Während viele LGBTI auf der ganzen Welt reflektieren, welchen Einfluss Michael auf ihre Leben und ihr Coming-out hatte, machten Berichte über zahlreiche Wohltätigkeiten des Sängers die Runde, die vorher nicht bekannt waren.
In diesem Nachruf blickt der britische LGBTI- und Menschenrechtsaktivist Peter Tatchell auf Leben und Wirken des Sängers zurück.
George Michael: Ein brillanter Komponist und Sänger mit sozialem Gewissen und Botschaft

Der Autor Peter Tatchell 2011 beim CSD in Moskau (Bild: nb)
George Michaels plötzlicher, traurig stimmender Tod hat der Welt einen großen Künstler und einen Star mit einem sozialen Gewissen genommen. Neben seiner tollen Musik – vor allem in seiner Solo-Karriere, die den Test der Zeit besteht – sprach er sich gegen Ungerechtigkeit und den Irak-Krieg aus.
Er verteilte kostenlose Konzerttickets an Krankenpfleger und Krankenpflegerinnen des nationalen Gesundheitsdiensts und half beim Sammeln von Spenden für Aids-Organisationen, das Projekt Childline, Palästina, Comic Relief und, in den 80ern, für die streikenden Bergarbeiter. Seine Unterstützung für LGBT-Rechte zeigte sich bei seinen Auftritten 2010 beim Sydney Gay and Lesbian Mardi Gras in 2010 und 2000 beim Konzert "Equality Rocks" in Washington DC.
Ich habe George zum ersten Mal circa 1980 getroffen, als er noch Teenager war und lange bevor er berühmt wurde. Es war ein Zufallstreffen in einer kleinen schwulen Disco über einem Pub an der U-Bahn-Station Manour House im Norden Londons. Er war ein toller Tänzer und sang zu allen Liedern mit. Er hatte eine gute Stimme und sagte, er werde ein Popstar. In jenen Tagen gab es viele Möchtegern-Stars. Aber er war eindeutig talentiert. Ich dachte: Vielleicht ist dieser Typ auf der richtigen Spur. Ich war dennoch überrascht – und erfreut – als er drei Jahre später mit Wham! groß rauskam.
Zu dieser Zeit, nachdem er ein Chart-Erfolg wurde, ging er in den schwulen Nachtclub Bolts in Haringey, obwohl er noch im Schrank war und verschlossen über seine Homosexualität. Das war ein riskanter Schritt für einen großen Popstar, aber exemplarisch für die vielen Risiken, die er in seinem Leben nahm. Manche von uns fragten sich, ob die Besuche im Bolts einen unbewussten Wunsch zeigten, von der Presse geoutet und gezwungen zu werden, das Führen eines geheimen Doppellebens, mit all den enthaltenen Belastungen, zu beenden.
Mit Kraft aus dem Schrank
George outete sich erst vergleichsweise spät, 1998 als er Mitte 30 war, nachdem er im Rahmen einer verdeckten Polizeiaktion in Los Angeles verhaftet worden war. Aber er wandelte seine Verhaftung um in eine trotzige Verteidigung des Rechtes, schwul zu sein, die ihm öffentliche Zustimmung für seine Aufrichtigkeit gewann. Er parodierte den Vorfall unterhaltsam und perfekt mit dem Song "Outside" und dem begleitenden Video.
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In den 1980er-Jahren entschied er sich, nicht zu enthüllen, dass er schwul war, weil er eine negative Reaktion von seinen Eltern, Fans, seiner Plattenfirma und vor allem der Boulevardpresse fürchtete. Damals waren die Blätter brutal zu homosexuellen Prominenten. Sie wurden verunglimpft und mit Schmutz beworfen. Schwul zu sein wurde als Skandal und Schande dargestellt. Die Boulevardpresse hat in dieser Zeit viele Karrieren beschädigt.
Das war auch die Ära von Aids, das oft als "schwule Seuche" bezeichnet wurde. Schwule Männer wurden für den tödlichen Virus verantwortlich gemacht. Die öffentliche Stimmung wurde homophober. Homofeindliche Überfälle und Morde stiegen enorm an. Es war eine furchtbare Zeit, schwul zu sein, erst recht für öffentliche Personen. Ich wünschte, George hätte sich damals geoutet, weil er hätte helfen können, der Welle des Vorurteils entgegenzutreten. Aber ich verstehe, dass er es nicht getan hat.
Vom Schwarm zum Aktivisten
George war nicht nur ein brillanter Komponist und Sänger, sondern hatte auch ein soziales Gewissen, machte Musik mit einer Botschaft und sammelte viel Geld für gute Zwecke.
Sein Lied "Praying for Time" war 1990 eine bezaubernde, wenn auch verzweifelte Kritik an Armut und Ungerechtigkeit. Er trat nicht im offiziellen Video auf. Es verzichtete auf Tänzer oder sexy Jungen und Mädchen. Das Video war ein schwarzer Bildschirm mit den Lyrics in weißer Schrift. Ganz klar wollte er, dass seine Fans sich auf seine Botschaft konzentrieren und diese verstehen.
Er war auch ein lautstarker Gegner des Irak-Kriegs. Sein "Shoot the Dog" war 2002 eine schonungslose Satire auf George W. Bush und Tony Blair und sein Lied "The Grave" ein Jahr später war eine Klage über vergeudete junge Leben, die im Krieg verloren gehen – bewusst veröffentlicht zum Zeitpunkt der aus seiner Sicht ungerechtfertigten und illegitimen Intervention der Alliierten im Irak. "Shoot the Dog" war ein mutiger Schritt, der ihm Fans im kampflustigen, patriotischen Amerika gekostet hat. Aber er hielt an seinen Prinzipien fest und zeigte seinen Kritikern, dass er kein geistloser, hedonistischer Pop-Schwarm war.
Das Vermächtnis von George Michael ist das eines höchst talentierten Performers, eines Gegners von Ungerechtigkeit und das eines wohltätigen Humanisten. Seine Musik wird über Jahrzehnte weiterleben und Millionen weiterhin Freude und Inspiration bringen. Bravo!
Übersetzung: nb















Und hier einer der vielen schönen Momente, die George uns allen geschenkt hat - aus glücklichen Tagen, aufgenommen am 23. März 1991 in der Wembley-Arena in London, kurz nach dem Kennenlernen seiner ersten großen Liebe, Anselmo Feleppa, bei "Rock in Rio" Anfang 1991.
www.elisarolle.com/romance/images/GeorgeMichaelAndAnselmoFel
eppa.jpg
www.youtube.com/watch?v=7t-AVCTn8JA