Jens Spahn, Mitglied des CDU-Präsidiums und Parlamentarischer Staatssekretär im Finanzministerium, hat seine Partei zur Öffnung der Ehe für lesbische und schwule Paare aufgefordert. Im Interview mit den ARD-"Tagesthemen" zeigte sich der schwule Politiker am Donnerstagabend optimistisch, dass die Gleichstellung "noch in diesem Jahrzehnt" erreicht werde.
Anlass für das Interview war die am Vormittag vorgestellte Studie "Einstellungen gegenüber Lesben, Schwulen und Bisexuellen in Deutschland" der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, nach der 82,6 Prozent eine Ehe-Öffnung für gleichgeschlechtliche Paare unterstützen (queer.de berichtete).
Spahn fühlt sich durch die repräsentative Umfrage bestätigt: "Genauso wie wir in der Studie sehen, dass sich in den letzten zehn Jahren eine neue Gelassenheit, eine neue Selbstverständlichkeit im Umgang mit Homosexualität, mit Schwulen und Lesben bei ganz vielen Deutschen ergeben hat, so bin ich auch sicher, dass wir beim Thema Ehe-Öffnung ja schon weit gekommen und auch in den nächsten Jahren, noch in diesem Jahrzehnt, die rechtliche Öffnung sehen werden."
Die Ehe als "zutiefst bürgerliche Institution"
Er werbe in der Union und in der Gesellschaft für die Ehe für alle, "weil das doch die Werte sind, die Verbindlichkeit, für die wir eigentlich stehen", sagte Spahn im Gespräch mit Caren Miosga. Es gehe darum, dass sich Schwule und Lesben für eine "zutiefst bürgerliche Institution" entscheiden wollten. In der Debatte innerhalb seiner Partei sehe er die Chance, "dass wir auch Menschen erreichen, die vielleicht von Grünen bei Debatten in Köln oder Berlin-Mitte nicht erreicht werden: im Münsterland, in der Eifel, etwa im ländlichen Raum, die wir öffnen können und mit Argumenten erreichen können, und das ist eine Chance in der Entwicklung."
Jens Spahn räumte ein, dass ihn manche abwertenden Äußerungen aus CDU und CSU über Lesben und Schwule "schmerzen", rief jedoch beide Seiten zu einer verbalen Abrüstung auf: "Ich finde manchmal auch die Reaktion, immer gleich jeden als homophob oder schwulenfeindlich zu bezeichnen, der sich schwer tut mit bestimmten Entwicklungen, weil er jahrzehntelang – wie ja auch meine Eltern oder Großeltern – es nicht anders gelernt haben."
Jens Spahn dankt Klaus Wowereit und Volker Beck
Auf der anderen Seite lobte der 36-Jährige, der vom britischen "Guardian" schon als möglicher Kanzlerkandidat der Union gehandelt wurde, namentlich Klaus Wowereit und Volker Beck, die viel für "diese neue Offenheit" getan hätten. Homosexuelle Vorbilder in der Politik seien nach wie vor wichtig, so Spahn. Es schmerze ihn, wenn lesbische oder schwule Jugendliche aus Angst ihre sexuelle Orientierung verheimlichten.
Auch er selbst erlebe Ablehnung in Deutschland, erklärte der schwule CDU-Politiker: "Natürlich gibt es immer noch Szenen im Alltag, auch gerade abends im öffentlichen Straßenverkehr, selbst in einer großen Stadt wie Berlin, wo man mal schräg und dumm angemacht wird, wenn ich mit meinem Freund unterwegs bin."
Jens Spahn ist seit 2002 Mitglied des Deutschen Bundestags, in den Medien geoutet hat sich der ehemalige Messdiener im Jahr 2012. Im selben Jahr unterstütze er als einer der sogenannten Wilden 13 die Gleichstellung von eingetragenen Lebenspartnern im Steuerrecht (queer.de berichtete). Mehrfach betonte er jedoch, keine "schwule Klientelpolitik" machen zu wollen. Im Dezember 2014 wurde Spahn in das CDU-Präsidium gewählt (queer.de berichtete). Im Juli 2015 stieg er zum Staatssekretär in Wolfgang Schäubles Finanzministerium auf (queer.de berichtete). Öffentlich profiliert hat sich der katholische Politiker aus dem Münsterland vor allem mit Polemiken gegen muslimische Migranten (queer.de berichtete). (cw)