Steinbach 2011 bei einem Auftritt in Erfurt
Die langjährige CDU-Bundestagsabgeordnete Erika Steinbach verlässt kurz vor ihrem angekündigten Ausscheiden aus dem Bundestag die Partei. In einem Interview mit der Zeitung "Welt am Sonntag", das am Samstag bekannt wurde, kündigte sie zudem an, aus der Unionsfraktion im Bundestag auszutreten. Den Schritt begründete sie vor allem mit der Flüchtlingspolitik.
"Würde ich aktuell CDU wählen? Nein. Würde ich heutzutage gar in die CDU eintreten? Nein. Daraus kann ich nur die ehrliche Schlussfolgerung ziehen, die CDU zu verlassen", sagte die 73-Jährige, die seit 1974 der Partei angehörte, der Zeitung.
Ihr Bundestagsmandat will die frühere Präsidentin des Bundes der Vertriebenen aber behalten: "Ein erheblicher Teil der Bürgerinnen und Bürger, die mir ihre Stimme anvertraut haben, hadern zutiefst mit der praktisch über Nacht eingeleiteten Migrationspolitik. Diese Wähler werde ich bis zum Ende der Legislaturperiode im Bundestag vertreten."
Steinbach, die bislang dem Parteivorstand angehörte und Sprecherin für Menschenrechtspolitik ihrer Fraktion war, meinte, die Kanzlerin habe mit der Grenzöffnung im Herbst 2015 gegen geltendes Recht verstoßen: "Dass monatelang Menschen unidentifiziert mit Bussen und Zügen über die Grenze geschafft wurden, war keine Ausnahme, sondern eine gewollte Maßnahme entgegen unserer gesetzlichen Regelungen und entgegen EU-Verträgen." Auch bei der Energiewende und der Euro-Rettung habe sich die Kanzlerin über geltendes Recht hinweggesetzt.
Hoffnung auf AfD-Einzug
Steinbach hatte bereits 2015 angekündigt, bei der Bundestagswahl in diesem Jahr nicht mehr anzutreten. In dem Interview mit der "Welt am Sonntag" sagte sie, dass sie nicht in die AfD eintreten wolle, lobte aber die Rechtspopulisten: "Ich hoffe, dass die AfD in den Bundestag einzieht, damit es dort endlich wieder eine Opposition gibt. Nur so bleibt die Demokratie lebendig."
Die Partei greife Themen auf, die "in den vergangenen Jahren defizitär geworden" seien, so Steinbach. "Sie ist auch Fleisch vom Fleisch der CDU!" Die Union habe sich dem "linken Zeitgeist angepasst": "Das konservative Element ist Schritt um Schritt gezielt marginalisiert, ja stigmatisiert worden".
Steinbach hatte sich unter anderem als erzkonservative Hardlinerin in der Union einen Namen gemacht und immer wieder gegen LGBTI-Rechte gepoltert. Die Einführung der Lebenspartnerschaft lehnte sie ebenso ab wie spätere Weiterentwicklungen des Instituts. So stimmte sie "aus Gewissensgründen" gegen das von Karlsruhe erzwunge Ehegattensplitting für Homo-Paare. "Ich gestatte mir, eine andere Auffassung zu haben, was die Verfassungsgründer im Sinn hatten", sagte sie dazu. Bereits zur Entscheidung des Gerichts zur Sukkzessivadoption hatte sie getwittert: "Wer schützt eigentlich unsere Verfassung vor den Verfassungsrichtern?"
2013 meinte sie in einem Interview: "Ehe und Familie sind die Zukunft eines Landes, weil rein vom Naturgesetz her nur dort die Generationenfolge abgesichert werden kann." Ein Jahr zuvor sagte sie: "Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutz des Grundgesetzes, weil nur die Familie die Gesellschaft stabilisiert und das Überleben des Volkes sichert. Die Rechtsformen liegen immer im Interesse des Staates und seiner kulturellen Tradition". Die Ehe für alle lehnt sie daher ab, ohnehin wolle "nur ein kleiner Teil" der Homosexuellen heiraten.
Wegen der Segnung homosexueller Paare hatte Steinbach 2002 die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau verlassen, sie gehört seitdem der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) an.
Steinbach raus, Ex-Kollege Hohmann rein?
Steinbach ist der prominenteste CDU-Austritt der letzten Jahre. Im Dezember war bereits die Organisatorin der homofeindlichen "Demo für alle", Hedwig von Beverfoerde, mit Verweis auf die Flüchtlingspolitik aus der CDU ausgetreten (queer.de berichtete). Im Oktober wechselte zudem ein Redner der "Demo für alle" von der CDU zur AfD, der vorherige Bezirksvorstand Malte Kaufmann begründete das mit einem angeblich zu homofreundlichen Kurs seiner Partei (queer.de berichtete).
Ein ehemaliger CDU-Bundestagsabgeordneter aus Steinbachs Landesverband Hessen, der wegen seiner "Tätervolk"-Rede aus der Partei ausgeschlossene Martin Hohmann, steht derweil vor einem Wiedereinzug in das Parlament: Die AfD wählte den Politiker, der einst "aktive Zivilcourage" gegen die "Denaturierung des Leitbildes der Familie" durch "Aktivitäten der deutschen Homosexuellenlobby zur Ausweitung ihrer Rechte" gefordert hatte, in Hessen auf einen aussichtsreichen vierten Listenplatz (queer.de berichtete).