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Debatte im Bundestag

Union gegen Verbesserungen beim Schutz vor Diskriminierung

Mit einigen Monaten Verspätung debattierte ein leerer Bundestag am Donnerstagabend das zehnjährige Bestehen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes.


Der CSU-Abgeordnete Volker Ullrich lehnte Verbesserungen beim Schutz gegen Diskriminierung ab – mit Argumenten, mit denen die Union einst das Anti­diskriminierungs­gesetz komplett bekämpfte

  • Von Norbert Blech
    20. Januar 2017, 04:59h 14 5 Min.

Zum Jubiläum kam sogar der Justizminister: Am 27. September im letzten Jahr hielt Heiko Maas (SPD) bei einem Festakt der Antidiskriminierungsstelle des Bundes ein Loblied auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, das im August zehn Jahre alt geworden war. Die forsche Leiterin der Stelle, Christine Lüders, hatte anlässlich des Jubiläums einen umfangreichen Evaluierungsbericht vorgelegt, mit etlichen Forderungen nach Verbesserungen im Detail (queer.de berichtete).

"Der Schutz vor Benachteiligungen muss effektiver werden", forderte Lüders. Und auch Maas meinte, anhand von Forderungen nach längeren Fristen für die Betroffenen zur Einrichtung einer Klage und einem Verbandsklagerecht: "Beide Beispiele geben Anlass, auch beim AGG nochmal genau hinzuschauen, ob wir da an der ein oder anderen Stelle nicht noch besser werden können."

Genau hingeschaut hat nun die Opposition, die viele Forderungen der Antidiskriminierungsstelle in Anträge gepackt hat. Die Linke fordert in ihrem Antrag (PDF) genau jenes Verbandsklagerecht, eine Verlängerung der Fristen und stärkere Sanktionsmöglichkeiten. Die Grünen fordern ganze 19 Punkte (PDF), darunter Ausnahmen für Religionsgemeinschaften auf den Bereich der Verkündung zu beschränken, Ausnahmen im Zivilrecht etwa für Kleinvermieter zu beenden und ausdrücklich klarzustellen, dass sich der Diskriminierungsgrund "Geschlecht" auch auf die Geschlechtsidentät bezieht, also auf trans- und intergeschlechtliche Menschen. Zudem müsse die Bundesregierung auf EU-Ebene ihre Blockade der fünften Antidiskriminierungsrichtlinie aufgeben.

Viel Lob für bewährtes Gesetz

In der Debatte zu den Anträgen am Donnerstagabend vor einem größtenteils entleerten Bundestag erinnerte die Linken-Abgeordnete Cornelia Möhring daran, was man sich vor zehn Jahren nicht alles habe anhören müssen: Union und FDP hätten ebenso wie Unternehmerverbände vor einer Klagewelle gewarnt, die dann nie eingetreten sei.


Doch noch immer fehle ein "gutes Durchsetzungsmittel", sprich: ein Verbandsklagerecht. Betroffene müssten finanzielle Risiken auf sich nehmen, würden für sich alleine oft nicht ernst genommen, stünden alleine dem Stress mit dem Arbeitgeber gegenüber. Und oft genug gelte das erstrittene Urteil dann nur für den Einzelfall.

Der CDU-Abgeordnete Hendrik Hoppenstedt lobte zunächst das Antidiskriminierungsgesetz, das ein Erfolg sei. Eine kollektive Rechtsdurchsetzung sei in der deutschen Justiz allerdings ein "Fremdkörper". Das Konzept des Individualklagerechts habe sich bewährt, Betroffenen stünden zudem Prozesskostenhilfe und ähnliche Mittel zur Verfügung. Man freue sich über die konkreten Diskussionen in den Ausschüssen, aber allzuviel Hoffnungen sollte sich die Opposition nicht machen.

Auch der Grünen-Politiker Volker Beck erinnerte an den Abwehrkampf, den die Union damals geführt habe. Das Gesetz habe die Kultur in vielen Unternehmen verändert und verbessert, so Beck, was dem einzelnen Diskriminierten aber nicht helfe. Man solle daher den Evaluierungsbericht ernst nehmen. Es sei etwa ein Unding, dass eine lesbische Erzieherin oder ein schwuler Krankenpfleger von einer kirchlichen Einrichtung entlassen werden können – ein Punkt, den folgende Redner von Union und SPD nicht mehr aufgriffen.


In Deutschland habe man im Kampf gegen Diskriminierung – anders als in Großbritannien oder Frankreich – nicht auf das Strafrecht, sondern auf das Zivilrecht gezielt, so Beck. Das mache es mit seinen loseren Regeln für die Opfer von Diskriminierung einfacher. Doch wenn andere Staaten den Betroffenen Staatsanwälte an die Seite stellen, könne man ihnen in Deutschland zumindest die Unterstützung starker Verbände ermöglichen.

CSU blockiert wie früher

Während der SPD-Abgeordnete Matthias Bartke ausführlich das bestehende Gesetz lobte, das das Bewusstsein für Diskriminierung geschärft habe, und eine Bereitschaft für ein Verbandsklagerecht signalisierte, holte der CSU-Politiker Volker Ullrich noch einmal die Kampfbegriffe der Vergangenheit aus der Mottenkiste.

Die Ergänzungsvorschläge seien weder notwendig noch gut, sondern ein "Einfallstor für Ausnutzung" und "sachfremde Verfolgung". Sie führten zu Klagen und Bürokratie und letztlich weniger Akzeptanz in der Gesellschaft, die unter einen "Generalverdacht der Diskriminierung" gestellt werde. So hätten die Grünen im Kölner Polizeieinsatz der letzten Silvesternacht Diskriminierung gesehen, "wir sahen Recht und Ordnung". Änderungen am Gesetz werde es nicht geben.

Zum Abschluss fühlte sich die SPD-Abgeordnete Dorothee Schlegel zwar an die Debatten von vor zehn Jahren erinnert, nutzte das ausufernde Rederecht der Regierungsfraktionen aber vor allem für ein Lob der SPD-Politik von Frauenwahlrecht bis zu aktuellen Errungenschaften wie Teilhabegesetz und Lohngerechtiskeitsgerecht.


Es stünden "wichtige Jahre bevor", ermahnte die Politikerin noch in Bezug auf zunehmenden Rechtspopulismus. Bei Diskriminierung werde man "als SPD nicht lockerlassen." Über das Thema Ehe für alle sprach sie dabei nicht – wie auch sonst keiner der Redner.

Antidiskriminierungsstelle kämpft auch so weiter

Die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle will das bestehende Ehe-Verbot für schwule und lesbische Paare in den kommenden Monaten zu einem Schwerpunkt im Rahmen eines "Themenjahres für sexuelle Vielfalt" machen. Das hatte sie in der letzten Woche eröffnet, mit der Vorstellung einer Studie zur Haltung der Bevölkerung gegenüber Schwulen und Lesben (queer.de berichtete). Medien berichteten ausführlich, aus der Union forderten immerhin Stefan Kaufmann und Jens Spahn die Ehe für alle. SPD-Abgeordnete, -Vorsitzende und -Minister ließen das kleine Momentum jedoch ohne Äußerung verstreichen.

Das Themenjahr soll unter anderem mit einem Aktionstag der Antidiskriminierungsstelle am 17. Mai, dem Internationalen Tag gegen Homophobie und Transphobie, am Brandenburger Tor in Berlin weitergehen. Mit der Bundestagswahl endet dann allerdings die Amtszeit von Christine Lüders. Spätestens mit der Wahl würden Gesetzesentwürfe der Opposition und des Bundesrats zur Ehe für alle hinfällig werden, die die große Koalition in den Ausschüssen inzwischen seit Jahren vertagt. Die Anträge zur Ausweitung des Antidiskriminierungsgesetzes landen nun ebenfalls dort.

-w-

#1 SebiAnonym
  • 20.01.2017, 08:09h
  • Das vor gut 10 Jahren in der damaligen Großen Koalition von Union und SPD beschlossene AGG ist eine Farce und eine Perversion der Idee eines Anti-Diskriminierungs-Gesetzes, da es Diskriminierung explizit erlaubt.

    Denn kirchliche Arbeitgeber bekommen dank des AGG explizit das Recht zur Diskriminierung zugesprochen.

    Das betrifft nicht nur LGBTI, wie z.B. den Fall einer lesbischen Putzfrau in einem Kindergarten in katholische Trägerschaft, die gefeuert wurde, weil sie lesbisch ist. (queer.de berichtete)

    Sondern z.B. auch Fälle wie den von dem Chefarzt eines Düsseldorfer Krankenhauses in katholische Trägerschaft, der entlassen wurde, weil er sich scheiden ließ und neu heiratete.

    Und das interessante ist, dass solche Einrichtungen natürlich von der Allgemeinheit bezahlt werden und die Kirche nur ihren Namen gibt, dann aber bestimmen will, wie es da zugeht.

    Es ist weder verboten, lesbisch zu sein, noch sich scheiden zu lassen und neu zu heiraten. Aber die Kirche darf dennoch in solchen Fällen entlassen. Das ist ein Skandal und hat NICHTS mit Rechtsstaatlichkeit zu tun.

    Und das AGG erlaubt das explizit!!
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#2 JustusAnonym
  • 20.01.2017, 08:53h
  • "Union und FDP hätten ebenso wie Unternehmerverbände vor einer Klagewelle gewarnt, die dann nie eingetreten sei."

    War doch klar, dass das nicht passieren würde. Das war einfach nur die Ausrede von Homohassern, die nicht zugeben, dass es ihnen nur um Diskriminierung geht und die deshalb so tun, als ginge es ihnen nur ums wirtschaftliche Wohl. Und in einem kann man so noch gegen LGBTI hetzen und so tun, als würden sie dem wirtschaftlichen Wohl schaden, Arbeitsplätze vernichten, etc.
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#3 PatroklosEhemaliges Profil
  • 20.01.2017, 10:28h
  • "Die Grünen fordern ganze 19 Punkte, darunter Ausnahmen für Religionsgemeinschaften auf den Bereich der Verkündung zu beschränken..."

    Volker Beck und seine Gleichstellungsentourage sollten besser die ABSCHAFFUNG der Ausnahmen für Religionsgemeinschaften fordern, alles andere ist inakzeptabel!
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