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Paragraf 175
Noch bis Ende der Sechzigerjahre wurden Schwule kastriert
Der Historiker Jens Kolata entdeckte durch Zufall zwölf Fälle "freiwilliger Entmannung" in einem Gefängniskrankenhaus in Baden-Württemberg.

(cc) Wagner Tobias (OnkelchenTobi) at wikipedia) Eingangstor der Festung Hohenasperg, in der das gleichnamige Justizvollzugskrankenhaus bis heute untergebracht ist (Bild:
- 25. Januar 2017, 10:36h 3 Min.
Zwischen 1945 und 1969 wurden im Justizvollzugskrankenhaus Hohenasperg bei Ludwigsburg mindestens zwölf Männer wegen ihrer Homosexualität kastriert. Über diesen "Zufallsfund" des Historikers Jens Kolata, der am Institut für Ethik und Geschichte der Universität Tübingen über Verbrechen im Nationalsozialismus recherchierte, berichtete am Mittwoch die "Stuttgarter Zeitung".
So hatte der Psychologe Nikolaus Heim im Jahr 1980 Nachuntersuchungen ehemaliger Häftlinge dokumentiert, die nach dem Paragraf 175 verurteilt worden waren. Durch den Ritus der sogenannten "freiwilligen Entmannung" hatten sich die Betroffenen in den Fünfziger- und Sechzigerjahren eine Strafmilderung erhofft. Nach den Aufzeichnungen Heims beklagten die Männer deutliche körperliche Beschwerden durch den Eingriff wie zum Beispiel Hitzewallungen, Ermüdbarkeit oder Gewichtszunahme.
Ein Opfer meldete sich bereits 1996 bei Domian
Bereits 1996 hatte sich beim ehemaligen Nighttalker Domian ein anonymes Opfer des Paragrafen 175 gemeldet, das angab, im Jahr 1968 "in der Nähe von Stuttgart" kastriert worden zu sein: "Mir wurde angedroht, dass man mich erst entlässt, wenn ich mich kastrieren lasse", sagte der Mann, der sich am Telefon "Gustav" nannte, in der Live-Sendung.
Das baden-württembergische Justizministerium erklärte gegenüber der "Stuttgarter Zeitung", man würde es überaus bedauern, sollten sich die Erkenntnisse bestätigen. "Wir wollen das unbedingt aufklären", so Sprecher Steffen Tanneberger.
Das aus dem Aktionsplan "Für Akzeptanz & gleiche Rechte Baden-Württemberg" geförderte Recherche- und Aufklärungsprojekt "Der Liebe wegen" will die zwölf durch Zufall entdeckten Kastrationsfälle nun einer größeren Öffentlichkeit zugänglich machen und gleichzeitig die Recherchen intensivieren. Projektleiter Ralf Bogen sprach gegenüber der "Stuttgarter Zeitung" von "komplett neuen Erkenntnissen".
Auswirkungen auf Debatte um Entschädigung?
Auch Martin Cüppers, der an der Universität Stuttgart ein Forschungsprojekt zur Verfolgung sexueller Minderheiten koordiniert, erwartet "einzigartige Ergebnisse, die für den internationalen Forschungsstand von großer Bedeutung sind". Die Geschichte der deutschen Schwulenverfolgung müsse umgeschrieben werden, glaubt der Historiker, was auch Auswirkungen auf die aktuelle Debatte um die Rehabilitierung und Entschädigung der Opfer des Paragrafen 175 habe könne.
Das Bundesjustizministerium von Heiko Maas (SPD) hatte Ende Oktober 2016 einen ersten Referentenentwurf für ein "Gesetz zur strafrechtlichen Rehabilitierung der nach dem 8. Mai 1945 wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen verurteilten Personen" (StrRehaHomG) vorgelegt, der eine individuelle Entschädigung von 3.000 Euro pro Urteil und je 1.500 Euro pro Jahr Freiheitsentzug vorsieht (queer.de berichtete). Unberücksichtigt bleiben Schaden aufgrund eines Ermittlungs- oder Strafverfahrens, in Beruf und Rente durch den häufigen Verlust des Arbeitsplatzes sowie durch medizinische Eingriffe.
Der Gesetzentwurf befindet sich noch immer in der Abstimmungsphase zwischen den Ministerien. Im Bundeshaushalt für 2017 wurden allerdings bereits 4,5 Millionen Euro für individuelle Entschädigungszahlungen eingeplant (queer.de berichtete).
Als erstes deutsches Bundesland hat Rheinland-Pfalz die Schwulenverfolgung in der Nachkriegszeit aufgearbeitet (queer.de berichtete). In dem am Montag vorlegten Forschungsbericht wurden keine Kastrationsfälle in diesem Bundesland dokumentiert. Im Hinblick auf medizinische "Fachliteratur" zur Homosexualität heißt es jedoch: "Empfohlen wurden Therapien zur Heilung und in 'hartnäckigen Fällen' gelegentlich auch die Kastration." (cw)

Diese Praxis, die ihren "Höhepunkt" in der Geschichte Jürgen Bartsch fand, gehörte zum Standard-Repertoire der deutschen Justiz, und hier muß man sagen einer deutschen Unrechts-Jusitz, die Häftlinge denen die Sicherungsverwahrung drohte mit Folter gefügig machte..
Bartsch starb 1976, und die für ihn verwendete Bezeichnung des ""pädosexuellen Serienmörders"" geht wegen der Jugendlichkeit des täters Bartsch vollständig an der Thematik vorbei..
de.wikipedia.org/wiki/J%C3%BCrgen_Bartsch
Da muß nicht nur Entschädigung und Rehabilitation erfolgen, hier müssen auch die Täter in der Justiz Dingfest gemacht werden..