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Zeitenwandel am höchsten US-Gericht

Trump nominiert erzkonservativen Hardliner für den Supreme Court

Neil Gorsuch setzt religiöse Interessen über Minderheitenrechte und urteilte bereits gegen eine transsexuelle Gefängnisinsassin.


Trump lobte seinen Kandidaten als "guten und brillanten Mann, von allen respektiert". LGBTI-Aktivisten, Menschenrechtsorganisationen und viele Medien sind weniger überzeugt. (Bild: President Trump / twitter)
  • Von Norbert Blech
    1. Februar 2017, 10:06h 19 4 Min.

US-Präsident Donald Trump hat am Dienstagabend im Weißen Haus bekannt gegeben, wer Nachfolger des im letzten Februar verstorbenen Höchstrichters Antonin Scalia werden soll: Bundesrichter Neil Gorsuch würde mit 49 Jahren der jüngste Richter am neunköpfigen Supreme Court und könnte die amerikanische Politik für Jahrzehnte mitbestimmen. "Sie können 50 Jahre lang aktiv sein", sagte Trump bei der Vorstellung. "Ihre Urteile können 100 Jahre oder länger halten."

Der Präsident hatte vorab drei Kandidaten in die engere Wahl gezogen: Im Vergleich zum ausgesprochen Homo-Feind William Pryor, der sich für die Kriminalisierung Homosexueller aussprach (queer.de berichtete), wirkt der 49-Jährige noch vergleichsweise liberal. Dennoch gilt auch Gorsuch als konservativer Hardliner, der Rechte von Minderheiten wie LGBTI blockieren und einschränken könnte.

2005 hatte der als wortgewandt geltende Jurist in einem Beitrag für die "National Review" argumentiert, dass Bürgerrechtsfragen nicht vor Gerichten, sondern in Parlamenten erstritten werden sollten. Das war kurz bevor Präsident Bush "aktivistische Richter" kritisierte, weil sie gleichgeschlechtlichen Paare Rechte ermöglichten. In dem Artikel nannte Gorsuch die Homo-Ehe als eines der Themen, bei denen Richter sich zurückhalten sollten.

Streiter für "Religionsfreiheit"

2006 von Bush zum Richter am 10. Berufungsgericht mit Sitz in Denver ernannt, setzte er sich mehrfach für "religiöse Freiheiten" ein, also für einen Vorrang von religiösen Ansichten vor etwa Antidiskriminierungsrichtlinien. Im im ganzen Land verfolgten Prozess der Firma "Hobby Lobby" urteilte er mit der Richtermehrheit, dass auch für private Firmen Glaubensschutz gelte und diese deswegen Angestellten eine Krankenversicherung verweigern könnten, die dem Glauben widerspreche.

In diesem konkreten Fall, dessen Urteil später vom Supreme Court bestätigt wurde, ging es um die Antibabypille. In einem weiteren Fall setzte sich Gorsuch für eine katholische Nonnengruppe ein, die ebenfalls Mitarbeiterinnen keine Kostenübernahme u.a. für Abtreibungen ermöglichen wollte.

Facebook / President Donald J. Trump | Präsident Trump machte aus der Vorstellung seines Kandidaten eine Show
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LGBTI-Aktivisten weisen darauf hin, dass durch die Entscheidungen auch transsexuelle Beschäftigte betroffen sein können; viele Glaubensgruppen lehnen Hormonbehandlungen oder geschlechtsangleichende Operationen ab.

Das Thema "religiöse Freiheiten" endet freilich nicht da: In den letzten Jahren haben Republikaner immer wieder Gesetze eingebracht, die sich im Kampf gegen LGBTI-Rechte gegen eine angebliche Diskriminierung Gläubiger richten: Von Standesbeamten, die gleichgeschlechtliche Ehen schließen müssen, über Firmen, die Kuchen für die Paare backen müssen, bis hin zu Firmen, die keine homo- oder transsexuellen Mitarbeiter wünschen und deshalb staatliche Aufträge verlieren können. Viele dieser Fragen werden vor dem Supreme Court landen.

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Urteil gegen transsexuelle Insassin

Zu LGBTI-Rechten selbst hatte Gorsuch nur einmal geurteilt: 2015 urteilte er mit der Richtermehrheit, dass eine transsexuelle Frau in einem Gefängnis kein Anrecht auf eine Hormonbehandlung habe. Das sei keine unzulässige und unmenschliche Bestrafung im Sinne der Verfassung.

Gorsuch gilt als Abtreibungsgegner und strenger Jurist, der als Richter die Verfassung auslegt wie ein strenger Christ die Bibel: Nah am Originaltext. Und er gilt als glühender Anhänger des Mannes, dessen Sitz er füllt: Antonin Scalia. Der befürwortete eine Bestrafung für homosexuelle Handlungen, äußerte sich öffentlich über den "unmoralischen und zerstörerischen Lebensstil" von Schwulen und stimmte praktisch gegen alle Fortschritte bei LGBTI-Rechten (queer.de berichtete). Bei seiner Vorstellung lobte Gorsuch den Vorgänger und meinte: "Ich vermisse ihn". Trump hatte ihn einst als "großen katholischen Denker und Richter" bezeichnet.


Der Supreme Court galt die letzten Jahre als Garant für LGBTI-Rechte. Demnächst dürften Aktivisten vor ihm zittern.

Die Demokraten wollen die Ernennung Gorsuchs so lange aufhalten wie möglich – trotz der zu erwartenden Kritik Trumps haben sie dazu jedes Recht. Die Republikaner hatten den Richterplatz letztlich den Demokraten gestohlen, indem sie Nominierungen Obamas im letzten Jahr blockierten.

Die Fraktionschefin der Demokraten im Repräsentantenhaus, Nancy Pelosi, sprach von einer "feindlichen Nominierung". Menschenrechtsorganisationen kritisierten die Entscheidung Trumps ebenso wie LGBTI-Organisationen. Die "Human Rights Campaign" kommentierte: "Wir können uns keinen Richter leisten, der unsere Rechte zurückstutzt oder der verfassungswidrige Handlungen Donald Trumps einfach so abnickt". Die queere Juristenorganisation "Lambda Legal" kritisierte, der Kandidat habe eine "unakzeptable, feindliche" Haltung zu LGBTI-Themen.

Facebook / Human Rights Campaign | Chad Griffin von der Human Rights Campain im Interview mit MSNBC zur Ernennung von Gorsuch
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Mit der Ernennung Trumps verschiebt sich das Gewicht im oft nach Parteilinien urteilenden Supreme Court in Richtung Rechts: Die Ehe für alle hatte das Gericht im Sommer 2015 nur mit knapper Mehrheit von fünf zu vier Stimmen landesweit geöffnet. Falls Trump noch einen weiteren Richterposten ernennen kann, nach Tod oder Rücktritt eines der neun Richter, stehen viele Errungenschaften der letzten Jahre auf dem Prüfstand: Abtreibung könnte ebenso eingeschränkt werden wie etwa die Ehe für alle.

Die Republikaner planen Gesetze, die Firmen die Diskriminierung von LGBTI-Mitarbeitern wieder erlauben sollen (in den Fällen, in denen sie überhaupt verboten sind). Am Dienstag hatte Trump Gerüchten widersprochen, er plane die Aufhebung eines Dekretes von Obama, das staatliche Aufträge an solche Firmen unterbindet, und spielte sich dabei als Beschützer der Community auf (queer.de berichtete). Die Formulierungen lassen aber Spielraum für ähnliche Gesetze und Dekrete, die letztlich vor dem Höchsten Gericht landen könnten. In seiner im Wahlkampf präsentierten Liste von Kandidaten für das Gericht war Trump einem Beraterteam aus Evangelikalen gefolgt – das Magazin "The Advocate" nannte die Reihe erzkonservativer Kandidaten "angsteinflößend" (queer.de berichtete).

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#1 BobAachen
  • 01.02.2017, 11:40hAachen
  • Das war keine Ernennung, sondern erst eine Nominierung. Dafür gibt es aber keine Mehrheit. Trumpi hat jedoch sein Wahlversprechen gehalten: Er hat versprochen, dass er ihn nominiert. Mehr nicht.
  • Direktlink »
#2 NoTrumpAnonym
#3 LorenEhemaliges Profil
  • 01.02.2017, 15:14h
  • "2006 von Bush zum Richter am 10. Berufungsgericht mit Sitz in Denver ernannt, setzte er sich mehrfach für 'religiöse Freiheiten' ein, also für einen Vorrang von religiösen Ansichten vor etwa Antidiskriminierungsrichtlinien."

    "I believe in God. I am Christian. I think The Bible is certainly, it is THE book." (Donald Trump)

    2016.presidential-candidates.org/Trump/?on=faith

    "Back to the roots" heißt bei dieser Nominierung wohl ein Rollback in eine Zeit, in der die religiösen Anschauungen von Einzelpersonen über geltendem Recht und den Bürgerrechten Dritter stehen sollen:

    www.lambdalegal.org/blog/20170131_gorsuch-record
  • Direktlink »

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