Zu Update springen: Weißes Haus: Derzeit keine Planung für Dekret (18.40h)
Die New Yorker Wochenzeitschrift "The Nation" hat am Mittwoch einen Entwurf für ein Dekret von US-Präsident Donald Trump veröffentlicht, nach dem weitreichende Diskriminierung künftig erlaubt sein soll, sofern diese religiös begründet wird.
Das Weiße Haus hat bislang weder dementiert noch bestätigt, ob das Dekret mit dem Titel "Etablierung einer behördenweiten Initiative für den Respekt von Religionsfreiheit" authentisch ist und ob es so in Kraft treten soll. Laut "The Nation" zirkulierte das Papier zuletzt in der Bundesverwaltung und unter Lobbygruppen hin und her.
Das geleakte Dokument will spezifisch Diskriminierung in steuerfinanzierten Wohlfahrtseinrichtungen, im Bildungssystem, im Gesundheitssystem oder im Arbeitsrecht gestatten. Dabei spricht es neben Abtreibung besonders LGBTI-Rechte an: So heißt es etwa, dass Organisationen weiterhin Steuerfreiheit erhalten können, wenn sie aufgrund ihrer religiösen Überzeugungen möglicherweise diskriminierende Entscheidungen treffen – und zwar "auf der Basis, dass die Ehe eine Verbindung zwischen einem Mann und einer Frau ist oder als solche angesehen werden sollte, dass sexuelle Beziehungen nur in solchen Ehen stattfinden sollten, dass Männer und Frauen ein unveränderliches biologischen Geschlecht haben, das von der Anatomie, Physiologie oder Genetik bei oder vor der Geburt festgelegt wird, und dass das menschliche Leben zum Zeitpunkt der Empfängnis beginnt und das Leben in allen Phasen schützenswert ist".
Mit diesem Entwurf würde der Präsident eine 180-Grad-Wende vollziehen: Erst am Montag hatte Trump noch in einer Erklärung angekündigt, ein Dekret von Barack Obama aus dem Jahr 2014 beizubehalten, das LGBTI-Mitarbeiter der Bundesverwaltung oder von Privatfirmen, die für die Bundesverwaltung arbeiten, vor Diskriminierung schützt (queer.de berichtete). Das Weiße Haus erklärte am Montag, dass Trump LGBTI-Rechten "Respekt und Unterstützung" entgegenbringe. Würde das geleakte Dekret aber tatsächlich erlassen, könnten die betroffenen Firmen LGBTI nach Gutdünken feuern. Einzige Bedingung: Sie müssen dies mit moralischen oder religiösen Bedenken begründen.
In "The Nation" bezweifeln mehrere Juristen, dass diese "Executive Order" verfassungsgemäß wäre. Sie würde die Religionsfreiheit viel weiter auslegen, als es die bisherige Rechtsprechung getan habe. Allerdings hat Trump das Recht, Bundesrichterposten mit seinen Anhängern zu besetzen und so eine Änderung der Rechtsprechung zu erreichen – am Mittwochmorgen nominierte er mit Neil Gorsuch bereits einen ultrakonservativen Juristen für den vakanten Posten am Obersten Gerichtshof, dem Supreme Court (queer.de berichtete).
Dürfen Krankenhäuser künftig Transsexuelle generell abweisen?
Das Dekret könnte weitreichende Auswirkungen in vielen Bereichen des Lebens haben. So könnten Krankenhäuser etwa die Behandlung von Transsexuellen verweigern. Bereits jetzt gibt es derartige Fälle: So hat etwa ein katholisches Hospital in New Jersey einen Transmann abgewiesen, der dann Anfang Januar eine Klage gegen die Einrichtung einreichte (queer.de berichtete). Zudem könnte mit dem Dekret die Ehe-Öffnung in großen Teilen des Landes praktisch aufgehoben werden, da sich Ämter etwa in den erzkonservativen Südstaaten weigern könnten, gleichgeschlechtliche Ehen anzuerkennen – ähnlich, wie sie es vor einem guten halben Jahrhundert mit gemischtrassigen heterosexuellen Ehen getan hatten.
Bürgerrechtler befürchten seit Trumps Amtsantritt, dass ein derartiges Dekret schon bald in Kraft treten könnte. So gab es vor der Veröffentlichung des Papiers Gerüchte, dass Trump bei dem am Donnerstag stattfinden "National Prayer Breakfast" – einem jährlichen Event, bei dem sich der Präsident und Kongressabgeordnete in Washington mit religiösen Anführern treffen – ein Dekret zum "Schutz" von Religionsfreiheit erlassen könnte.
LGBTI-Aktivisten warnen vor erheblichen Folgen des Dekrets
LGBTI-Organisationen übten scharfe Kritik an dem Entwurf: "Wenn auch nur ein Bruchteil aus diesem Dokument Gesetz wird, wäre das eine nationale Lizenz zum Diskriminieren. Das würde LGBTQ-Menschen und ihre Familien in Gefahr bringen", erklärte GLAAD-Chefin Sarah Kate Ellis. "Religionsfreiheit ist keine Freiheit zum Diskriminieren. Wenn die Trump-Regierung mit dieser verfassungswidrigen und unamerikanischen Politik fortfährt, wird die öffentliche Kritik viel stärker werden und die Zustimmungswerte des Präsidenten werden noch weiter in den Keller rutschen."
"Machen wir uns nichts vor: In diesem schandhaften, weitreichenden und verfassungswidrigen Dekret geht es darum, Menschen zu feuern und ihnen Gesundheitsvorsorge zu verweigern, nur weil sie so sind, wie sie sind", beklagte Mara Keisling vom "National Center for Trangender Equality". "Hilfsorganisationen, die Bundesmittel beziehen, könnten dann Menschen zurückweisen, die obdachlos, hungrig oder in Gefahr sind, weil sie transsexuell sind. Die Steuergelder sollten nicht mit einer Erlaubnis zu diskriminieren verquickt werden."
In den USA gibt es derzeit auf nationaler Ebene zwar ein Antidiskriminierungsgesetz, das aufgrund von Merkmalen wie Geschlecht, Rasse oder Religion vor Ungleichbehandlung schützt, aber nicht wegen sexueller Orientierung oder Geschlechtsidentität. Derartige Gesetze gibt es nur etwa auf regionaler Ebene in rund der Hälfte der Bundesstaaten. (dk)
Update 18.40h: Weißes Haus: Derzeit keine Planung für Dekret
Das Weiße Haus hat auf Anfrage von ABC News ausgesagt, dass der Entwurf einer von hunderten Entwürfen zu Dekreten sei, die derzeit im Weißen Haus die Runde machten. "Wir haben keine Pläne, zu diesem Zeitpunkt etwas zu unterschreiben, aber wir lassen es Sie wissen, wenn wir Updates dazu haben."
Das Blog "Queerty" kommentierte, das Weiße Haus halte LGBTI bewusst zum Narren. Während die neue Stellungnahme kursierte, hatte Trump an dem Frühstück mit Religionsvertretern teilgenommen und einen Einsatz für "Religionsfreiheit" versprochen. Konkret versprach er, eine Regelung aufzuheben, wonach Kirchen und bestimmte Organisationen sich im Wahlkampf nicht für einen Kandidaten aussprechen dürfen. (nb)
Es wäre skandalös, wenn z.B. Ärzte und Krankenhäuser LGBTI ablehnen dürften oder wenn sich Standesämter über Bundesrecht stellen dürften und gleichgeschlechtliche Eheschließunge ablehnen dürften. Etc. etc. etc.