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Christine Wunnicke erzählt in ihrem Roman "Missouri" ebenso knapp wie kraftvoll von einem Cowboy und einem Poeten, die im Wilden Westen zueinanderfinden.
Mitte des 19. Jahrhunderts, irgendwo in den Vereinigten Staaten: Als der englische Dichter Douglas Fortescue unter freiem Himmel erwacht, blickt er in eine Revolvermündung. Doch es ist nicht die auf sein Gesicht gerichtete Waffe, die den Poeten erstaunen lässt, sondern die Worte des Mannes, der auf ihn zielt. "Ich liebe Sie, Mister", gesteht ihm Joshua Jenkyns, Fortescues schweigsamer Entführer – und der wohl berüchtigtste und gefährlichste Bandit in diesen Tagen.
Lakonischer Humor statt verhuschte Homoerotik
Was einen ruhmsüchtigen Schriftsteller von Großbritannien in die USA verschlägt und was ein skrupelloser Verbrecher mit der Lyrik verbindet, das lässt sich in Christine Wunnickes Erzählung "Missouri" (Amazon-Affiliate-Link ) nachlesen. Der vermutlich schönste Western aus deutscher Feder entstand bereits Mitte der Neunzigerjahre und sollte später in leicht veränderter Form in "Fortescues Fabrik" (1998), Wunnickes Debütroman, Eingang finden.
Nun ist die ungewöhnliche Liebesgeschichte, die nicht einmal hundert Seiten umfasst, erneut als Taschenbuch erhältlich und dürfte auch Lesern einen Blick wert sein, die dem Western-Genre mit Vorbehalten gegenüberstehen. Denn statt epischer Breite, sentimentalen Indianer-Mythen oder der verhuschten Homoerotik eines Karl May bietet Wunnickes Erzählung ganz eigene Reize.
Mit knappen Sätzen und lakonischem Humor entwirft die Schriftstellerin hier einen Queeren Westen, der keinen Platz für Illusionen und strahlende Revolverhelden lässt. Kino-Western wie Jim Jarmuschs "Dead Man" oder John Macleans "Slow West" kommen einem in den Sinn, wenn Wunnicke die amerikanische Landschaft beschreibt, als wäre sie dem Chloroform-Rausch dekadenter Briten entsprungen, oder die Gewalt als rundum absurdes Spiel demontiert.
Dass es hier keine Gewinner geben kann, wird ebenso schnell deutlich wie der tragische Ausgang der Geschichte. Doch bevor die Gravitas der Dramaturgie mit aller Härte zuschlägt, erschafft Wunnicke für ihre Protagonisten einen Raum in der Schwebe, eine von Sprach- und Gesetzlosigkeit geprägte Nische, in der die Outlaws sich behutsam näher kommen können.
In der klaren Einfachheit dieses Sehnsuchtsraums, der wie die weite Prärie keine Kategorien kennt, vermag man für einen Augenblick sogar eine Utopie aufleuchten zu sehen. Es ist ein nüchternes Freiheitsversprechen, ein unpathetisches Bekenntnis zu einem Land unbegrenzter Möglichkeiten, das gar nicht vieler Worte bedarf: " Sie teilten sich das Wasser, das der Mississippi ins Land schickte, und sie teilten sich die Mücken."
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