Sind Schwule und Lesben gesellschaftlich akzeptiert, sinkt auch das Gesundheitsrisiko in dieser Gruppe, heißt es in einer australischen Studie (Bild: Rog01 / flickr)
Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt. Dieser Filmtitel aus dem Jahr 1971 könnte auch die Überschrift einer neuen Studie über den Zusammenhang von Homosexualität und mangelnder psychischer Gesundheit sein, die in dieser Woche von der Australischen Nationaluniversität in Canberra vorgestellt wurde. Für die Studie, die bereits im Fachmagazin "Epidemiology and Psychiatric Sciences" veröffentlicht worden ist, verfolgten die Forscher unter Führung des Psychologieprofessors Richard Burns insgesamt acht Jahre lang das Leben von rund 5.000 homo-, bi- und heterosexuellen Menschen zwischen 20 und 44 Jahren.
Zwar zeigten homo- und besonders bisexuelle Menschen eine höhere Anfälligkeit für psychische Probleme. Allerdings sei diese nach den Erkenntnissen der Forscher keine Folge der sexuellen Orientierung gewesen, sondern vielmehr eine Folge anderer Faktoren. "Als wir diese Risiko-Faktoren ausgeblendet haben, konnten wir kein erhöhtes Risiko bei einer bestimmten sexuellen Orientierung feststellen", so Burns.
Die Risikofaktoren für Schwule und Lesben würden besonders in der Zeit des Coming-outs zum Tragen kommen. Dazu zählten die Forscher unter anderem negative gesellschaftliche Einflüsse, die Abwesenheit von Unterstützung durch Freunde oder Familie oder eine traumatische Kindheit sowie Rauchen. Liegen die selben Faktoren auch bei Heterosexuellen vor, haben diese das gleiche Risiko für psychische Probleme oder gar Suizidversuche wie Homosexuelle. Laut Burns seien Risikofaktoren, die besonders Schwule und Lesben betreffen, "veränderbar", sofern es dafür einen gesellschaftlichen oder politischen Wille gebe.
Kampf gegen Ehe-Öffnung gefährdet Gesundheit
LGBTI-Aktivisten in Australien griffen angesichts der Debatte um die Ehe für alle diese Studie auf. So erklärte Micah Scott, der Chef des LGBTI-Jugendnetzwerkes "Minus 18", das Ergebnis zeige, dass die konservative Kampagne gegen die Ehe-Öffnung die Gesundheit homo- und bisexueller Australier direkt gefährde: "Die Studie zeigt doch, was wir schon lange Zeit predigen: Mitglieder der LGBTI-Community erleben anders als viele andere demografische Gruppen gezielt Diskriminierungen."
Viele junge Homosexuelle könnten etwa nach Mobbing in der Schule nicht auf Unterstützung ihrer Familie hoffen, was sich auf ihr Selbstwertgefühl auswirke, so Scott. Wenn dann der Staat offiziell sage, dass die Beziehung einer homosexuellen Person weniger wert als die einer heterosexuellen Person sei, werde dieser Trend noch bestärkt. Das Ziel müsse daher lauten, sämtliche Ungleichbehandlungen zwischen Homo- und Heterosexuellen abzubauen.
In der Vergangenheit haben mehrere Studien in Amerika, Europa oder Australien herausgefunden, dass Homosexuelle viel eher an psychologischen Problemen litten als andere Personen: Eine schweizerische Studie kam etwa 2013 zu dem Ergebnis, dass jeder fünfte Schwule bereits einen Selbstmordversuch verübt hatte (queer.de berichtete).
Auch der negativen Einfluss einer feindlichen Umgebung wurde in anderen Studien bereits nachgewiesen. So fand eine amerikanische Untersuchung 2011 heraus, dass es in konservativen Regionen eine höhere Selbstmordrate unter Schwulen und Lesben gebe als in Regionen, in denen Homosexualität akzeptierter ist (queer.de berichtete). (dk)
en.wikipedia.org/wiki/Minority_stress