Der CSD lockt jedes Jahr ein ganzes Wochenende lang Menschenmassen auf den Heumarkt, wie hier 2015 beim Auftritt von Conchita Wurst, und auf weitere angrenzende Plätze der Domstadt. Das macht die Planungen für einen "Not"-CSD 2017 nicht einfacher. (Bild: ColognePride)
Es war halb erwartet worden und sendete dennoch Schockwellen durch die Szene: Am Dienstag stellte der Kölner Lesben- und Schwulentag, der Verein, der seit 1991 den CSD in der Domstadt organisierte, einen Insolvenzantrag (queer.de berichtete). Während sich manche über den KLuST-Vorstand und seine Informationspolitik ärgerten, machten sich andere weitaus größere Sorgen: Wie lässt sich innerhalb von rund vier Monaten ein mehrtägiges Großevent retten? Vorgesehen ist der Pride für das Wochenende vom 7. bis 9. Juli.
Die Sorgen waren bereits Mitte Dezember aufgetreten, als der KLuST auf einer außerordentlichen Mitgliederversammlung über Finanzschwierigkeiten berichtete, über deren Ausmaße man selbst noch keine rechte Übersicht habe – der zuständige Vorstand war nicht mehr erreichbar. Ein ehrenamtliches Lenkungsteam bekam den Auftrag, die finanzielle Lage und die Struktur des Vereins genau zu untersuchen. Am Montag stellte das Team dem Vorstand seinen Bericht über die Überschuldung des Vereins vor, es folgte der Bußgang zum Amtsgericht. Der Vorstand will dazu noch mit Details in die Öffentlichkeit gehen.
Während der Mitgliederversammlung im Dezember hatten sich zugleich viele Verantwortliche aus der Szene besorgt über das sich abzeichnende Chaos gezeigt und in vielen Gesprächen einen Plan B aufgestellt. Unter Federführung von Aids-Hilfe Köln und rubicon e.V. entstand ein noch namenloses Bündnis aus 20 Organisationen, Gruppen und Vereinen, das nun den CSD stemmen will – zunächst nur für dieses Jahr.
Fast alles zurück auf Null
In Abstimmung mit der Kölner Szene und dem Bündnis sollen vor allem zwei bekannte und erfahrene Szenegesichter den CSD retten: Der Rechtsanwalt Markus Danuser und Sabine Arnolds (u.a. Chefredaktion "Phenomenelle"). Beide waren bis vor einigen Jahren bereits im KLuST mit der Ausrichtung des Prides vertraut.
Um der Szene, aber auch Partnern und Sponsoren das Vertrauen zu geben, dass es in diesem Jahr definitiv einen CSD geben wird, hatte das Bündnis bereits am Dienstagabend zu einer Pressekonferenz geladen – für manche Medien war das wiederum zu spontan. Am nächsten Tag klingt Sabine Arnolds am Telefon noch immer ein wenig wie die Jungfrau, die unverhofft zu einem Kind gekommen ist. Aber die dennoch Zuversicht und Optimismus streut.
Wollen den CSD retten: Patrik Maas (Aids-Hilfe NRW), Michael Schuhmacher (Aids-Hilfe Köln), Beate Blatz (rubicon), Markus Danuser, Sabine Arnolds und Matthias Eiting (Gastronom). Bild: Kölner CSD-Bündnis 2017
"Ein genaues Bild des CSD 2017 können wir erst in wenigen Wochen vermitteln", so Arnolds. "Aber wir haben die Wirte im Boot, sowohl aus der Altstadt als auch von der Schaafenstraße." Zum Bündnis gehören neben Aids-Hilfen und rubicon u.a. der SC Janus, der Völklinger Kreis, die Wirtschaftsweiber oder das queere Jugendzentrum anyway – eine solide Basis.
Zunächst sind Anlaufschwierigkeiten zu überwältigen: Mit der Insolvenz verliert der CSD seine Geschäftsstelle, ihr Mitarbeiter hat bereits einen neuen Job. Die Homepage und die Facebook-Seite – derzeit offline – kann der CSD-Nachfolger nicht nutzen, selbst der Name "Cologne Pride" fällt wohl der Insolvenz zum Opfer. Auch das von der KLuST-MV beschlossene Motto für dieses Jahr, "Nie wieder", könnte mindestens in seiner Umsetzung hinfällig sein. Vieles mehr ist neben dem eigentlichen Straßenfest zu klären, etwa das Rahmen- und Bühnenprogramm oder das Programmheft. Die Sponsoren!
Der KLuST hatte im letzten November über das Motto 2017 abstimmen lassen, eine Mehrheit entschied sich für "Nie wieder" (queer.de berichtete).
Ohnehin werde der CSD 2017 "so sparsam wie möglich" werden, sagt Arnolds. Zugleich könne man das Straßenfest schwer verkleinern, wenn die Anzahl der Besucher und Teilnehmer sicher auf gleich hohem Niveau bleiben werde. Das Bündnis plant, die Kooperation mit der CityProjekt Veranstaltungs GmbH beizubehalten, die das Straßenfest gegen eine Lizenzgebühr veranstaltet. Was anderes sei auch kaum noch möglich: "Die haben das Know-How und die Bereitschaft, es wieder zu machen", so Arnolds.
Parade von Insolvenz unberührt
Alles beim alten bleibt bei der großen CSD-Demonstration: Die wird seit Jahren von einem ehemaligen KLuST-Vorstand unabhängig vom Verein organisiert, Versammlungsleiter Jörg Kalitowitsch kann dabei auf viel ehrenamtliche Unterstützung zählen. Diese wird wie in den Vorjahren auch der CSD brauchen.
Die Kölner CSD-Demo lockt mir ihrer Mischung aus Politik und Fun und ihrem Ausdruck des vielfältigen Community-Lebens jedes Jahr Hunderttausende an. Bild: Norbert Blech
Wenn in den nächsten Wochen ein paar weitere Dinge grundsätzlich geklärt sind, wollen sich die neuen Veranstalter an die Öffentlichkeit wenden; wer sie kennt, kann sie freilich schonmal ansprechen. Wenn der "Not"-CSD erfolgreich über die Bühne gegangen ist, wovon das Bündnis ausgeht, stehen dann grundsätzlichere Überlegungen an über eine Struktur, die die nächsten Jahre sicher und effizient wie transparent trägt.
Zunächst ist aber auch ein Gespräch mit der Stadt fällig: "Ganz ohne finanzielle Unterstützung wird das in diesem Jahr nicht gehen", sagt Arnolds. Und betont: "Auch die Stadt profitiert ja von einem CSD."
Wieso kann man den Namen "Cologne Pride" nicht mehr verwenden?
Das ist nicht nur ein sehr passender Name, sondern es hat lange genug gedauert, den international zu etablieren und jetzt, wo der sogar im Ausland vielen ein Begriff ist, soll man den ersetzen?
Da es ja ein generischer Begriff ist und kein Markenname oder so (die Stadt heißt nun mal Köln, also international Cologne, und die Veranstaltung ist nun mal der Pride) dürfte das auch rechtlich problemlos möglich sein.