Hauptmenü Accesskey 1 Hauptinhalt 2 Footer 3 Suche 4 Impressum 8 Kontakt 9 Startseite 0
Neu Presse TV-Tipps Termine
© Queer Communications GmbH
https://queer.de/?28233

Umstrittene Praxis

Erneut Debatte über Polizei-Speicherung von HIV-Infektionen

Die Deutsche Aids-Hilfe kritisiert, dass allein die Polizei in Niedersachsen fast 5.000 Menschen mit dem Vermerk "ansteckend" versehen hat.

  • 15. Februar 2017, 21:00h 10 3 Min.

Die niedersächsische Polizei hat derzeit in ihrem Datenbanksystem "POLAS" 4.998 Personen mit dem Zusatz "ANST" für "Ansteckungsgefahr" versehen. Das gab ein Sprecher des Innenministeriums gegenüber der "Neuen Osnabrücker Zeitung" bekannt.

Allein im letzten Jahr seien 1.355 Datensätze neu erstellt oder überarbeitet worden. Mit dem Kürzel werden Menschen erfasst, bei denen eine Infektion mit HIV oder Hepatitis B oder C bekannt wurde. Das Innenministerium argumentiert, es handle sich dabei um einen "unverzichtbaren Hinweis" – "mit Blick auf die Eigensicherung der eingesetzten Polizeibeamtinnen und -beamten sowie zur Vermeidung einer Gesundheitsgefährdung Dritter."

Die Daten sind bei Straftätern, Beschuldigten und Verdächtigen personenbezogen gespeichert und für Polizei- und Zollbeamte aus ganz Deutschland abrufbar. Sie werden etwa bei einer Kontrolle der Person angezeigt und können auch andere Kürzel umfassen, etwa "BEWA" und "GEWA" für "bewaffnet" bzw. "gewalttätig" oder, ebenfalls umstritten, "GKR" für "geisteskrank".

Zugleich ist nur ein Bruchteil der tatsächlich mit HIV oder Hepatitis Infizierten erfasst – nur einer der Gründe, warum die Sinnhaftigkeit der Praxis angezweifelt wird. Im Land der früheren "Rosa Listen" gesellen sich dazu auch moralische Fragen.

Scheinsicherheit und Stigmatisierung

Was in niedersächsischen Medien am Mittwoch für einige empörte Berichterstattung sorgte, ist dabei eine nicht ganz neue Debatte: Erst letztes Jahr musste die Polizei in NRW zugeben, dass sie ebenfalls Personen mit dem Kürzel "ANST" versieht (queer.de berichtete). 2014 kam heraus, dass in Berlin die Daten in gleich mehreren Datenbanken gespeichert werden, obwohl man die Praxis nach einer Beschwerde des Datenschutzbeauftragten 1998 abgeschafft hatte (queer.de berichtete) – die neue Landesregierung plant eine erneute Abschaffung. Und auch die Innenministerkonferenz hatte sich erst vor zwei Jahren trotz Kritik unter anderem der Deutschen Aids-Hilfe für die Speicherung ausgesprochen (queer.de berichtete).

"Menschen mit HIV oder Hepatitis werden durch den Warnhinweis 'ANST' stigmatisiert", kritisierte so auch Winfried Holz, Vorstand der Deutschen Aids-Hilfe, das Vorgehen in Niedersachsen gegenüber der NOZ. "Der Vermerk leistet außerdem überhaupt nicht, was er soll: den Schutz von Polizisten verbessern. Hilfreich sind Informationen über das beste Vorgehen nach einem eventuellen Infektionsrisiko." Das Kürzel erwecke hingegen nur eine "Scheinsicherheit".

Gegen Hepatitis sollten Polizisten und Ersthelfer ohnehin geimpft seit, die Hepatitis C sei zudem heilbar, so Holz. Bei HIV würden zumeist Menschen erfasst, die bereits von ihrer Infektion wüssten und sich in der Regel in einer Therapie befänden – und damit zumeist das Virus gerade nicht weitergeben können.

Matthias Stoll, leitender Oberarzt an der Medizinischen Hochschule Hannover und Experte für Infektionskrankheiten, meinte gegenüber der NOZ: "Die Polizei hat vor allem Probleme mit der zunehmenden Gewaltbereitschaft der Menschen – mit Auseinandersetzungen, bei denen Blut fließt. Da gibt es ein gewisses Risiko der Übertragung, wenn virushaltiges Blut in offene Wunden gelangt. Es liegt allerdings bei unter einem Prozent, also im Promillebereich."

Das gilt freilich nur, wenn derjenige Mensch das Virus tatsächlich weitergeben könnte, etwa weil er sich nicht in einer Therapie befindet, und wenn der Polizist zugleich allgemeine Sicherheitsmaßnahmen wie Handschuhe nicht berücksichtigt oder selbst verletzt wird. Eine vorbeugende Einnahme eines HIV-Medikamentes könnte dem Beamten dann weiterhelfen.

- w -

Weniger absurde Neuregelung in Sicht?

"Ob eine medikamentöse Prophylaxe geboten ist, muss im Einzelfall eingeschätzt werden", so Holz von der DAH zur "NOZ". "Auf einen Computervermerk sollte man sich dabei nicht verlassen. Wenn es den Vermerk gibt, kann er veraltet sein, und wenn er fehlt, kann trotzdem eine Infektion vorliegen. Anders formuliert: Der Hinweis 'Ansteckend' im Computer hat keinerlei Aussagekraft. Eine absurde Praxis!"

Immerhin: Laut der Zeitung debattiert derzeit eine Expertenrunde aus Bundes- und Landeskriminalämtern über eine neue, verhältnismäßigere Neuregelung. Diese müsste allerdings von den Bundesländern einzeln umgesetzt werden. Während etwa NRW das vorantreibe, blockiere vor allem Bayern eine Neuregelung und argumentiere wie auch Niedersachsen mit dem Schutz der Polizisten. (nb)

-w-

#1 Dont_talk_about
  • 16.02.2017, 01:01hFrankfurt
  • Sicherheitsmaßnahmen haben es so an sich, dass sie ex-post betrachtet zumeist übertrieben sind.
    Zudem gibt es keine Sicherheitsmaßnahme, die alle Risiken abdeckt. Es dürfte doch jedem klar sein, dass die Maßnahme keine Sicherheit erzeugt, sondern nur das Risiko etwas reduziert.
    Im Dienst müssen die Beamten aber besonders geschützt werden. Wenn sie sich beim Sex privat infizieren, ist es dagegen ihre Sache,
  • Direktlink »
#2 PfoteAnonym
  • 16.02.2017, 07:53h
  • Antwort auf #1 von Dont_talk_about
  • Welches Risiko reduziert sie denn? Wenn jemand nicht in der Datenbank steht, dann dann der genauso infektiös sein, die Gefahr ist sogar noch größer, da es ein HIV Positiver unter Therapie eben nicht mehr schafft, einen Polizisten anzustecken, selbst wenn er wollte.

    Ich habe Dich zur Sicherheit mal in die Datenbank nicht logisch denkender Menschen aufgenommen, die ich bei berechtigtem Interesse auch anderen zur Verfügung stelle.
  • Direktlink »
#3 SanottheEhemaliges Profil

Kommentieren nicht mehr möglich
nach oben
Debatte bei Facebook

Newsletter
  • Unsere Newsletter halten Dich täglich oder wöchentlich über die Nachrichten aus der queeren Welt auf dem Laufenden.
    Email: