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Ende des Stillstands?

Gutachten fordern Reform des Trans­sexuellengesetzes

Bei einer Tagung des Bundesfamilienministeriums wurden konkrete und massive Gesetzesänderungen gefordert.


Die lebhafte Debatte der Tagung im Bundesfamilienministerium fasst eine grafische Aufarbeitung zusammen, von der wir hier nur einen Ausschnitt gewählt haben

  • 19. Februar 2017, 20:02h 44 3 Min.

Im Rahmen eines "Fachaustauschs zu geschlechtlicher Vielfalt" hat das Bundesfamilienministerum am Donnerstag zwei Gutachten vorgestellt, die dringende Reformen der Politik im gesetzlichen und medizinischen Umgang mit Transsexuellen, Transgendern und Intersexuellen einfordern.

Das von der Humboldt-Universität zu Berlin erstellte Gutachten "Regelungs- und Reformbedarf für transgeschlechtliche Menschen" (PDF) untersucht die Notwendigkeit, das inzwischen vom Bundesverfassungsgericht ins sechs verschiedenen Bereichen für verfassungswidrig erklärte Transsexuellengesetz zu reformieren beziehungsweise durch ein modernes Gesetz zu ersetzen.

Das Gutachten evaluiert die Anwendung des Gesetzes in der Praxis, führt einen internationalen Rechtsvergleich durch und unterbreitet rechtliche Regelungsvorschläge. Nach Jahrzehnten des Stillstands der Politik sind diese so umfangreich, dass sie sich hier kaum zusammenfassen lassen – ein Studium des PDFs lohnt.

Massive Kritik an unpassendem Gesetz

Wie veraltet das Gesetz inzwischen ist, zeige bereits, dass Bedingungen wie Operationszwang und Ehelosigkeit für eine Personenstandsänderung im historischen Zusammenhang mit dem Paragrafen 175 zu sehen seien, so das Gutachten der Humboldt-Universität.

Selbst die heute noch verbleibenden Bedingungen, etwa ein Zwang zu einer oft schikanösen bis übergriffigen Begutachtung, verstießen gegen Grund und Menschenrechte. Das Gutachten fordert zudem u.a. eine bessere Aufklärung an Schulen und im Gesundheitssystem.


Auch das vom Deutschen Institut für Menschenrechte (DIMR) erstellte Gutachten "Geschlechtervielfalt im Recht: Status Quo und Entwicklung von Regelungsmodellen zur Anerkennung und zum Schutz von Geschlechtervielfalt" (PDF) kommt zu ähnlichen Schlüssen und befasst sich u.a. näher mit der Rechtsanwendung des im Personenstandsgesetz (§ 22 PStG) geregelten offenen Geschlechtseintrages: Kann ein Kind weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zugeordnet werden, so ist der Personenstand ohne eine solche Angabe in das Geburtenregister einzutragen. Außerdem stellt das Gutachten im internationalen Rechtsvergleich die Frage, ob ein drittes festgelegtes Geschlecht im Personenstandsgesetz benötigt wird.

Breite Debatte ohne Folgen?

Der Fachaustausch war der letzte von insgesamt vieren in dieser Legislaturperiode, an denen Vertreter aus Praxis, Wissenschaft, Recht, Verbänden der Community und internationalen Organisationen teilnahmen. Eine Dokumentation der Debatte über die Gutachten soll im zweiten Quartal 2017 veröffentlicht werden, heißt es auf der Webseite des Bundesfamilienministeriums.

Das lässt vermuten, dass mit einem gesetzgeberischen Handeln wohl bis zur Wahl nicht mehr zu rechnen ist – der Ministeriumsbericht vom Donnerstag enthält keinerlei Festlegung auf eine Gesetzesiniative. Immerhin gibt es mit den Gutachten eine Grundlage und für die Betroffenen und Verbände ein Druckmittel.


"Geschlechtliche Vielfalt ist eine gesellschaftliche Tatsache und eine gesellschaftspolitische Querschnittsaufgabe", sagte Caren Marks (SPD), Parlamentarische Staatssekretärin bei der Bundesfamilienministerin, zur Vorstellung der Gutachten. "Beide kommen zu der Empfehlung, dass unser Recht geändert werden muss, um die geschlechtliche Vielfalt unserer Gesellschaft und das Selbstbestimmungsrecht eines jeden Menschen zu schützen. Es ist notwendig, die Freiheit der Geschlechtsidentität als Menschenrecht zu schützen, Stigmatisierungen abzubauen und starre Rollenbilder aufzubrechen."

Der grüne Bundestagsabgeordnete Volker Beck forderte in einer Pressemitteilung noch ein Handeln in dieser Legislaturperiode: "Anerkennung selbstbestimmter Geschlechtsidentität ist ein Menschenrecht. Wenn der Staat darauf besteht, das Geschlecht seiner Bürger*innen zu registrieren, dann sollen sie frei und unkompliziert darüber bestimmen dürfen. Das muss endlich auch in ein vernünftiges Gesetz gegossen werden." Andere Länder in Europa seien längst weiter, so Beck, der einen eigenen Gesetzesentwurf seiner Fraktion noch vor der Wahl ankündigte.

Derweil geht bei Aktivisten und Betroffenen die Debatte weiter: Während weitgehend Einigkeit über den Reformbedarf und viele Änderungsvorschläge vorhanden ist, gibt es dennoch teils sehr unterschiedliche Ansichten über konkrete Maßnahmen und speziell über Bezeichnungen. Manche empfinden bestimmte Begriffe, Diagnosen und ihre Auswirkungen als fremdbestimmt, diskriminierend und stigmatisierend, manche wiederum die Gegenvorschläge. Auch der von den Gutachten verwendete Überbegriff "Transgeschlechtlich(keit)" findet nicht bei allen Zustimmung. (cw/pm)

#1 AlexAnonym
  • 19.02.2017, 20:52h
  • Naja, es gibt auch zig Gutachten, die die volle Rehabilitierung und Entschädigung aller Opfer des § 175 fordern. Aber da tut sich auch nichts außer viel Gelaber, aber keine konkreten Ergebnisse.

    Die schwarz-rote Bundesregierung scheint sich für die Meinung von Experten nicht zu interessieren. Insofern mache ich mir auch hier keine Hoffnungen und warte erst mal ab, was tatsächlich daraus wird.
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#2 Janana
  • 19.02.2017, 21:48h
  • Antwort auf #1 von Alex
  • Nur ganz kurz auf den letzten Punkt eingehen (der lange Post kommt sicher noch)..

    Zum letzten Abschnitt des Artikels: "Manche empfinden bestimmte Begriffe, Diagnosen und ihre Auswirkungen als fremdbestimmt, diskriminierend und stigmatisierend, manche wiederum die Gegenvorschläge. Auch der von den Gutachten verwendete Überbegriff "Transgeschlechtlich(keit)" findet nicht bei allen Zustimmung."

    Ok, dann ist es ja passend, dass in dem vorgeschlagenen Gesetztext weder diese Begriffe, noch irgendwelche Diagnosen vorkommen.

    Denn Gleichstellung braucht keine Diagnosen.

    Die Ehe für alle ist z.B. auch nicht eine "Homo-Ehe". Sie ist einfach nur eine Ehe zwischen zwei Menschen.

    Kleine Randnotiz: Im Gesetzesvorschlag des Menschenrechtsinstituts wird so nebenbei die Ehe für alle eingeführt. (... weil alles andere im restlichen Kontext keinen Sinn mehr ergäbe)
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#3 AetztussiAnonym
  • 19.02.2017, 21:54h
  • Die Tagung im Bundesfamilienministerium berücksichtigt nicht wirklich die Betroffenen. Die wirklichen Betroffenen wollen die geschlechtsangleichende Operation. Wer keine Operation will ist zumeist Transgender oder Trans*personen und die sind nicht transsexuell. Transsexuelle sind eine eigene Gruppe. Die Stimmingkeit zwischen Körper und Psyche ist ihnen wichtig weniger die Geschlechtsrolle. Das Transsexuellengesetz war für Transsexuelle gedacht und nicht für andere Gruppen wie Transgender oder Trans*Personen.

    Die Gutachter diskriminieren Transsexuelle indem sie von Operationszwang reden. Sie vertreten mit ihren Gutachten die Interessen von Transgender und Trans*Personen die keine Operation wollen. Für wirkliche Transsexuelle wird es weiter schwierig sein an geschlechtsangleichende Operationen ran zu kommen.

    Ich bin für eine Veränderung des Transsexuellengesetzes. Das Transsexuellengesetz soll nur für wirkliche Transsexuelle da sein.
    Wer die GaOp prinzipiell ablehnt ist nicht transsexuell. Wer aus gesundheitlichen Gründen die GaOp nicht machen kann oder ablehnt sollte wenigstens eine Orchiektomie gemacht haben um den Personenstand zu ändern.

    Das Urteil des Bundesverfassungsgericht von 2011 sollte für nichtig erklärt werden, weil die Betroffenen und ehemaligen Betroffenen nicht befragt und berücksichtigt wurden. Es wurden hauptsächlich Transgender und Homosexuellenverbände befragt. Das Bundesverfassungsgericht ist da sehr schlampig mit den Rechten von den Betroffenen umgegangen.
    Überhaupt sollte mal die Arbeit und Urteilsfindung des Bundesverfassungsgerichtes hinterfragt werden. Meistens schicken die hohen Richterinnen und Richter ihre Assistenten los um bestimmte Lobbygruppen der Homosexuellen abzufragen aber nicht die wirklich Betroffenen. die das Transsexuellengesetz genutzt haben.
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