Das umstrittene Motiv bei Twitter. Auf Kritik hat der Sender dort seit Stunden nicht reagiert. (Bild: ZDFneo / twitter)
s.a. Update am Ende: Werbung kommentarlos gelöscht (20.38h)
Will der Sender einen Mini-Skandal, um die Premiere einer neuen Show zu pushen? Und/oder fehlt es den Verantwortlichen an Verstand und Verantwortung? Der ZDF-Jugendkanal Neo wirbt jedenfalls seit Freitag in sozialen Netzwerken in einem von vielen Nutzern als transphob kritisierten Bild für die neue Show "Bist Du 50.000,- wert?"
Das umstrittene Motiv zeigt eine Drag Queen, vielleicht aber auch eine Transgender oder Transsexuelle, sowie eine Frau mit einem Gemüsekorb zu der Frage "Transe oder Frutarierin". Das Pikante dabei: In der Show geht es auch noch um die Bewertung von Menschen anhand weniger Merkmale.
"Symphatisch oder nicht? Innerhalb von sieben Sekunden treffen Menschen diese Entscheidung", so die Zusammenfassung zu der ab Samstag ausgestrahlten Sendung. "In der Show vergibt eine Jury auf Basis subjektiver Meinungen an einen Teilnehmer einen Geldgewinn in Höhe von 50.000 Euro."
Die Kandidaten stellen sich fünf Runden, in denen sie Schritt für Schritt einzelne Facetten aus ihrem Leben preisgeben. Gezeigt werden auch die Aufnahmen einer versteckten Kamera, in der Micky Beisenherz und Matthias Roll die Kandidaten mit Aussagen konfrontieren. In einem auf der Sendungshomepage eingebundenen Vorstellungsvideo meint Eisenherz: "Ich konfrontiere sie mit zum Teil sehr ungewöhnlichen Aussagen: Ja sag mal, Schwule, muss dass denn sein?" Er zeigt dabei auf ein schwules Paar.
Man fühlt sich schnell an die ARD-Themenwoche "Toleranz" aus dem Jahr 2014 erinnert, die u.a. mit dem Bild eines schwulen Paares und der Frage "Normal oder nicht normal" warb und dafür heftige Kritik einstecken musste (queer.de berichtete). Doch dort ging es immerhin um diese Fragen.
Bei der ZDF-Show scheint es dem Pressetext zufolge zwar um die Frage zu gehen, inwieweit erste Eindrücke "unerschütterlich" sind, aber nicht gezielt um Diskriminierung oder Toleranz. Auch wirken die Kandidaten der ersten Show nicht so, als hätte man sie wegen ihrer Vielfalt ausgewählt.
Moderator Jochen Schropp mit den Kandidaten. (Bild: obs/ZDFneo/Frank Dicks)
Andere Motive zur Bewerbung der Sendung in sozialen Netzwerken zeigen einen Soldaten gegen einen Surfer, einen Rocker und eine Rentnerin oder einen Müllmann und einen Handyverkäufer; am gewagtesten ist noch die Gegenüberstellung "Kiffer oder Karriefrau".
Das "Transen"-Motiv fällt deutlich aus der Reihe, weil es einen abwertenden Begriff nutzt für Personen, die sich ihre Transsexualität oder -identität nicht frei ausgesucht haben – anders als andere Personen ihre Hobbys, Berufe oder Vorlieben. Letztlich wird auch ein Merkmal, das noch immer zu Diskriminierung, Ausgrenzung und Stigmatisierung führt, mit der Entscheidung für eine Ernährung durch Früchte gleichgesetzt. So passt auch nicht die Gegenüberstellung des Bildes: Es gibt auch transsexuelle Frutarierinnnen.
"'Transe'?! Habt ihr eigentlich den Arsch auf?", beschwerte sich so auch eine Nutzerin recht schnell bei Twitter. "Vielen Dank für den respektvollen Umgang mit Leuten wie mir!" Ein anderer User schrieb: "Ich kann mittlerweile niemandem mehr böse sein der sich weigert an die GEZ zu zahlen. Moralisch ist das einwandfrei. Was wird damit denn bezahlt? Talkshow-Platformen für die AfD und solcher transphober Dreck."

"Ihr denkt,das sei witzig? Das ist schlicht und ergreifend transmisogyne und diskriminierende Scheiße", fasste ein weiterer User die Kritik vieler in dem Thread zusammen. Andere nutzten den Eintrag, um transfeindliche oder rassistische Postings abzugeben.
Der Twitter-Account des Senders selbst ging im Laufe von über vier Stunden nicht auf die Kritik ein, die für Presseanfragen genannten Personen waren am späten Freitagnachmittag nicht erreichbar.
Update 20.38h: Werbung gelöscht
Der Twitter-Account von ZDFneo hat den umstrittenen Tweet inzwischen kommentarlos gelöscht. Auch auf Facebook ist das Motiv nicht mehr vorhanden.
transfeindliche postings werden ja auch hier bei queer.de immer wieder freigeschaltet.
und eine diskussion über die hier geltenden regeln, u.a. auch zur evtl. schaffung von diskriminierungsfreien diskussionsräumen, scheint seitens der redaktion leider nicht erwünscht. schade um eine vergebene gelegenheit, sich als ethisch bewusstes und selbstkritisches medium zu profilieren.