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Ab 9. März im Kino
Warum "Moonlight" einer der wichtigsten schwulen Filme ist
Das Drama von Barry Jenkins hat den Oscar als bester Spielfilm zu Recht gewonnen. Kriss Rudolph über die berührende Geschichte des jungen Schwarzen Chiron aus einem Armenviertel von Miami Beach.

Der erwachsene Chiron/Black (Trevante Rhodes) trifft seine Jugendliebe Kevin (André Holland) im Diner wieder (Bild: DCM)
- 27. Februar 2017, 09:29h 4 Min.
Diese Augen, diese Traurigkeit. Es macht einen fertig, in Chirons Augen zu schauen und den Schmerz, die Einsamkeit des Jungen zu spüren, dessen Geschichte "Moonlight" in drei Teilen erzählt wird.
Zunächst ist er noch ein Kind, wird er von seinen Mitschülern gemobbt. "Schwuchtel" nennen sie ihn, und er weiß nicht mal, was das ist. Er könnte seine Mutter (großartig: Naomie Harris) fragen, wenn sie gerade mal nicht auf Drogen ist, aber die hasst er ohnehin. Einen Vater hat er nicht. Also fragt er Juan (Mahershala Ali, bekannt aus "House of Cards"), einen Drogenhändler, der ihn eines Tages vor seinen Klassenkameraden rettet.
Ihm und seiner Freundin Teresa (Sängerin Janelle Monáe in ihrem Filmdebüt) vertraut sich der introvertierte Junge an. Schwuchtel, erklärt Juan, ist ein Wort, das böse Menschen für schwule Männer benutzen, damit die sich schlecht fühlen. Woher man wisse, dass man schwul ist, will der Junge wissen. "Du weißt es, wenn du es weißt", erklärt Teresa geduldig.
Juan, der auch Chirons Mutter mit Stoff versorgt, wird eine Art Ersatz-Vater. Er bringt ihm das Schwimmen bei und erklärt ihm, um sein Selbstbewusstsein zu stärken, dass Schwarze etwas ganz Besonderes seien: Mondlicht lasse ihre Haut blau schimmern (so auch der Titel der Bühnenvorlage: "In Moonlight Black Boys Look Blue"). Und er gibt dem Jungen etwas Wichtiges mit für die Zukunft: Man entscheidet selbst, wer man sein will im Leben. Diese Entscheidung dürfe man nicht anderen überlassen.
Der erste Kuss, die erste Liebe

Poster zum Film: "Moonlight" startet am 9. März in den deutschen Kinos
Im zweiten Teil des Films sehen wir den Jungen als Teenager. Er bekommt den ersten Kuss, von seinem Mitschüler Kevin (André Holland) – mit ihm erlebt er die erste körperliche Intimität, in einer wunderschön behutsam erzählten Szene am Strand. Er ist nicht so lebensmüde, sich nun zu outen, aber das Mobbing geht weiter, jetzt wird es handgreiflich. Chiron wird in der Schule verprügelt, er rächt sich, und die Polizei führt ihn ab.
Die letzte Station des Films zeigt Chiron als Erwachsenen. Er hat sich einen Panzer in Form von Muskeln zugelegt und nennt sich nun "Black": Seine dicken Arme füllen seine T-Shirts jetzt voll aus, während er zuvor zumeist in Hemden zu sehen war, die zu groß für ihn waren – als müsste er in seine Kleidung erst noch hineinwachsen, so wie in seine Rolle als Mann. Er ist ein kräftiger Kerl, den zu mobben wohl niemandem mehr einfiele, aber die Augen, diese tieftraurigen Augen, hat er immer noch.
Chiron verdient sein Geld mit Drogen, so wie Juan – der Mann, der ihm beigebracht hat, dass man selbst entscheiden muss, wer man sein will im Leben. Bedauerlich, dass ihm nichts Besseres eingefallen ist. Aber man muss es wohl so sehen: Er tritt in die Fußstapfen des einzigen positiven männlichen Vorbilds, das er kennt. Und schließlich ist es für Angehörige der schwarzen Unterschicht in den USA nach wie vor schwerer als für Weiße – Studien belegen das immer wieder -, aufzusteigen und den amerikanischen Traum zu leben.
Ein seltener Blick in die schwarze Community von Liberty City

Regisseur Barry Jenkins war als erster Afroamerikaner für die drei "Königskategorien" der Oscars nominiert: Beste Regie, Bestes Drehbuch (adaptiert) und Bester Film – zwei davon hat er gewonnen
Tarell Alvin McCraney, der schwule Autor der in weiten Teilen autobiografischen Bühnenvorlage, sagte in einem Interview mit dem "Guardian", er habe sich immer wieder gefragt: "Warum bin ich nicht Drogendealer geworden? Es wäre in vielerlei Hinsicht die offensichtliche Wahl gewesen, wenn man dort aufwächst."
"Moonlight" gewährt uns einen seltenen Blick in die schwarze Community von Liberty City, einem Bezirk von Miami Beach, in dem Weiße nicht vorkommen und vor dessen Betreten nach Sonnenuntergang die Reiseführer warnen. Barry Jenkins, der den Stoff verfilmt hat, ist hier ebenso aufgewachsen wie Autor McCraney. Es ist ein Ort, an dem schwarze Heranwachsende von Liberty – Freiheit – nur träumen können. Für Männer, die nicht dem taffen Rollenmodell entsprechen, ist kein Platz.
Wenn Chiron am Ende des Films seine Jugendliebe Kevin wiedertrifft, bekommt seine Geschichte eine hoffnungsvolle Wendung. Vorausgesetzt er hört auf, seinen antrainierten Panzer für eine lebenswerte Identität zu halten und findet Zugang zu seinen Gefühlen, die er in den schmerzhaften Lektionen seiner Jugend zu unterdrücken gelernt hat.
Seine großartigen Darsteller machen diesen berührenden Coming-of-age-Film, dessen Soundtrack (Nicholas Britell) eine Klasse für sich ist, zu einem der besten Filme des Jahres. Und zu einem der wichtigsten im schwulen Kino, wo sonst üblicherweise das Schicksal weißer Protagonisten verhandelt wird.
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Moonlight. Drama. USA 2016. Regie: Barry Jenkins. Darsteller: Alex Hibbert, Ashton Sanders, Trevante Rhodes, Naomie Harris, Mahershala Ali. Laufzeit: 111 Minuten. Sprache: deutsche Synchronfassung. Verleih: DCM. Kinostart: 9. März 2017
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