Thomas Oppermann rudert zurück (Bild: Gerrit Sievert)
Die SPD hat den in den letzten Wochen angekündigten Kampf mit der Union um die Ehe für alle offenbar bereits vor dem offiziellen Showdown wieder aufgegeben. Vor zwei Wochen hatte der SPD-Fraktionschef im Bundestag, Thomas Oppermann, überraschend gegenüber dem "Spiegel" angekündigt, die fehlende Gleichstellung nach über drei verlorenen Jahren zum Thema beim nächsten Koalitionsgipfel zu machen (queer.de berichtete).
Wenige Tage später hatte der Politiker im "Weser-Kurier" nachgelegt und betont: "Wir legen noch im März einen Gesetzentwurf vor, der die Ehe für alle vorsieht – und wir werden mit der Union im Koalitionsausschuss darüber reden" (queer.de berichtete). Das Treffen der Spitzenpolitiker der Koalitionsparteien sollte ursprünglich kurz nach den Oppermann-Äußerungen stattfinden, wurde aber wegen einer Erkrankung von CSU-Chef Horst Seehofer verschoben – nach neuesten Meldungen auf den 29. März.
Am Samstag sagte Oppermann nun der "Nordwest-Zeitung", man sehe bei dem Treffen gute Chancen, dass SPD-Pläne zu mehr Lohngerechtigkeit und zu einem Rückkehrrecht von Teilzeit- in Vollzeit-Beschäftigung noch realisiert werden könnten. "Aber wir stoßen immer stärker an die Grenzen dieser Koalition. Viel ist mit der Union offensichtlich nicht mehr zu machen. Unsere Pläne für eine Begrenzung der Managergehälter (…) oder für die Ehe für alle werden abgelehnt."
Direkt im Anschluss sagte der Politiker: "Was jetzt nicht durchgeht, werden wir nach der Wahl mit einem Bundeskanzler Martin Schulz umsetzen." Damit dürften sich auch erneut Hoffnungen zerschlagen, die SPD könnte mit der Opposition stimmen, um die Ehe-Öffnung etwa durch den vorliegenden Gesetzentwurf des Bundesrats zu ermöglichen. Er war zusammen mit entsprechenden Anträgen von Grünen und Linken teilweise seit Jahren im Rechtsausschuss des Bundestags mit Stimmen von Union und SPD von Sitzung zu Sitzung vertagt worden.
Ehe für alle offenbar nicht mal Verhandlungsmasse
Über den neuen Termin für den Koalitionsgipfel am 29. März hatte am Freitag zuerst der "Spiegel" berichtet; am Samstag folgten weitere Meldungen, die von Union und SPD direkt oder indirekt an Journalisten gegebene Ziele und Wünsche zu dem Treffen benennen. Die Ehe für alle spielte in keiner weiteren Meldung eine Rolle – wie auch nicht die Rehabilitierung der Opfer des Strafrechtsparagrafen 175, die nach Streitigkeiten zwischen Innen- und Justizministerium aus dem regulären Kabinettstreffen in den Koalitionsausschuss verlegt worden war (queer.de berichtete).
Der Koalitionsausschuss sollte das letzte Treffen der Spitzenpolitiker vor der Bundestagswahl werden und strittige Fragen klären. Der "Spiegel" schreibt allerdings: "Aus taktischen Gründen will die Union jetzt versuchen, vor der Sommerpause weitere Koalitionsausschüsse anzusetzen. So soll der SPD-Kanzlerkandidat gezwungen werden, sich zur Politik der Großen Koalition zu bekennen."
Facebook-Werbemotiv der SPD aus dem letzten Sommer. Weitere Motive zeigten Homo-Paare oder Regenbogenflaggen u.a. zu dem Hashtag #ehefüralle
Ein Sonderparteitag der SPD will am Sonntag Martin Schulz offiziell zum Kanzlerkandidaten und neuen Parteivorsitzenden ernennen – der bisherige Europapolitiker soll der Partei ein kämpferisches Image durch glaubhaftere Distanzierung von der Union ermöglichen.
Allerdings hatte auch Schulz in den letzten Wochen mehrfach allgemein betont, dass man den Koalitionsvertrag mit der Union bis zur letzten Sekunde erfüllen wolle. In einer von den Grünen erzwungenen Debatte im Bundestag hatte Redner von CDU uns CSU in der vorletzten Woche bereits ihre weitere Ablehnung der Ehe-Öffnung bekräftigt wie auch die Ansicht, dass der Koalitionsvertrag diese nicht vorsehe (queer.de berichtete).
Ein Wahlkampfthema erst ab Sommer?
Die erneute Debatte über die "Ehe für alle" hatte vor vier Wochen begonnen, als die Online-Redaktion von "heute" meldete, Schulz wolle die Ehe für alle zum Wahlkampfthema machen. Allerdings wollte die SPD-Pressestelle das gegenüber queer.de in dieser Form nicht bestätigen (queer.de berichtete).
In Wirklichkeit ist Schulz in seiner neuen Rolle in etlichen kämpferischen Reden bislang nicht auf die Ehe-Öffnung eingegangen – nur in einem Interview hat er sich auf Nachfrage allgemein zu der Ehe für alle und einem Adoptionsrecht für Homo-Paare bekannt (queer.de berichtete). Beide Punkte sind längst Parteiprogramm. Ein Parteitagsantrag der Basis, diese noch in dieser Legislaturperiode umzusetzen, wurde im letzten Jahr allerdings von der Parteispitze in eine harmlose Bitte an die Union umgewandelt, eine Abstimmung über den Bundesrats-Entwurf freizugeben, und in dieser Form vom Parteikonvent beschlossen (queer.de berichtete).
SPD-Werbung auf dem Berliner CSD 2013
Der nächste reguläre SPD-Parteitag mit Festlegung des Wahlprogramms folgt am 25. Juni, am Wochenende vor der letzten Sitzungswoche des Bundestags und deutlich vor den großen CSDs. Vor der letzten Bundestagswahl hatte die SPD "100% Gleichstellung nur mit uns" versprochen, der Bundestagsabgeordnete und Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion für die Belange der Lesben und Schwulen, Johannes Kahrs, meinte: "Für die SPD kann es keine Koalition geben, in der die Gleichstellung von Lesben und Schwulen nicht durchgesetzt wird." Die Ehe für alle sei "nicht verhandelbar" (queer.de berichtete).
In den Koalitionsverhandlungen setzte die SPD die Gleichstellung damals allerdings nicht durch. In seinen aktuellen Äußerungen im "Weser-Kurier" ließ Oppermann die direkte Frage, ob man die Ehe für alle im Herbst zu einer Koalitionsbedingung machen würde, offen, auch die SPD-Pressestelle ignorierte die Frage von queer.de vor wenigen Wochen.
Die SPD hat zudem Hartz-IV erfunden und drückt viele der Ärmsten mit Sanktionen unter das Existenzminimum. Gleichzeitig behauptet die SPD sozial zu sein. Mehr Schizophrenie geht nicht.
Sowohl das Eheverbot für gleichgeschlechtliche Paare als auch die Sanktionen unter das Existenzminimum sind verfassungswidrig und asozial. Beides wird von der SPD geduldet.