Im Dezember hatte queer.de-Geschäftsführer Micha Schulze Strafanzeige gegen Hedwig von Beverfoerde gestellt, weil sie im Newsletter der "Demo für alle" Lesben und Schwule als "LSBTTIQ-Sex-Lobby" verunglimpfte, die sich "immer dreister" in Bildung und Erziehung der Kinder in Schule und Kindergarten einmische (queer.de berichtete).
Die Staatsanwaltschaft Stendal (Sachsen-Anhalt) hat nun in einem auf den 10. März datierten Schreiben die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wegen Volksverhetzung abgelehnt. Dies kommt angesichts früherer Entscheidungen der Strafverfolgungsbehörden, die bei Homo- und Transphobie nicht selten ein Auge zudrücken, nicht völlig unerwartet. Die Begründung von Staatsanwältin Annekatrin Kelm lässt einen dennoch erschrecken: Solche Hetze, von ihr als "Kritik" in "überspitzter und polemischer" Form bezeichnet, müsse in der öffentlichen Debatte hingenommen werden, "weil andernfalls die Gefahr einer Lähmung oder Verengung des Meinungsbildungsprozesses drohe".
"Auch abwertende Äußerungen zulässig"
Eine Auslegung der die Meinungsfreiheit beschränkenden Gesetze, die an die Zulässigkeit öffentlicher Kritik in politischer Auseinandersetzung überhöhte Anforderungen stelle, sei mit dem Grundgesetz nicht vereinbar, beruft sich Kelm auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. "Insofern seien auch abwertende Äußerungen zulässig und angesichts der Reizüberflutung einprägsame, auch starke Formulierungen hinzunehmen, sofern sie nach der sich eröffnenden Sachlage im Einzelfall nicht als unverhältnismäßig erscheinen. So liegt der Fall auch hier." Auf den von Beverfoerde genutzten Begriff "LSBTTIQ-Sex-Lobby" geht die Staatsanwältin mit keinem Wort ein.
In seiner Strafanzeige hatte Micha Schulze geschrieben, die erzkonservative Aktivistin mache LGBTI "böswillig verächtlich" und verleumde sie "als Befürworter oder gar Akteure sexuellen Missbrauchs an Kindern und Jugendlichen". In der Debatte um neue Bildungspläne sei es nie um sexuelle Handlungen im Klassenzimmer gegangen, sondern allein um Aufklärung, um die Sichtbarkeit von Vielfalt und um eine Hilfestellung für Jugendliche, ihre geschlechtliche Identität sowie sexuelle Orientierung zu finden und anzunehmen.
"Die Bezeichnung 'LSBTTIQ-Sex-Lobby' verletzt die Menschenwürde einer Minderheit in Deutschland, die noch immer Diskriminierung und Ausgrenzung erfährt, und beleidigt ausgerechnet jene, die sich für eine tolerante und akzeptierende Gesellschaft engagieren", so der queer.de-Geschäftsführer. "Diese Äußerung stört aus meiner Sicht den öffentlichen Frieden und verstößt damit gegen den Paragraf 130 des Strafgesetzbuchs." (cw)
In Deutschland herrscht eine völlig falsche Toleranz gegenüber religiöser Intoleranz (obwohl diese gewählt ist) und deren Zwang, ihr Weltbild anderen aufzudrücken (und dabei meine ich Christen wie Moslems, und andere) und damgegenüber eine unverschämte Gleichgültigkeit gegenüber der Würde und der Achtung von LGBTs (obwohl diese sich das nicht ausgesucht habe).
Das hängt natürlich, auch wenn das Queer.de-Prediger Paulus47 nicht wahrhaben will, zum größten Teil damit zusammen, wie klerikal durchseucht die sogenannte "konservative" Partei Deutschlands ist.
Wenn ich jetzt sagen würde, dass die Staatsanwaltschaft Stendel in der Tradition der Nazirechtsauslegung steht, dann wäre das bestimmt auch zulässig, um eine "Lähmung oder Verengung des Meinungsbildungsprozesse" zu verhindern - nicht wahr?