Klaus, Heinz und Wolfgang, drei von rund 69.000 verurteilten Opfern der Schwulenverfolgung nach 1945 (Bild: Ulrike Delfs / Antidiskriminierungsstelle)
Alle Fraktion des Bundestags haben ihre Unterstützung für den am Mittwoch von Bundeskabinett beschlossenen Gesetzentwurf angekündigt, wegen ihrer Homosexualität verurteilte Schwule zu rehabilitieren. Der Entwurf von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) sieht auch eine Entschädigung in Höhe von 3.000 Euro pro Urteil sowie 1.500 Euro für jedes angefangene Jahr Freiheitsentzug vor.
Auch wenn es heute kaum noch Stimmen gegen das Ziel des Gesetzentwurfs gibt: Bis vor kurzem behaupteten CDU und CSU, aber auch Politiker der SPD wie Ex-Parteichef Kurt Beck, man könne Opfer der Schwulenverfolgung nicht rehabilitieren, weil rechtsstaatlich gefällte Urteile nicht einfach aufgehoben werden könnten.
Diese Begründung wurde auch in Bundestagsdebatten als Grund für das Nichtstun genannt: So kritisierte etwa der CDU-Abgeordnete Ansgar Heveling vor sechs Jahren, dass der Antrag auf Rehabilitierung "rückwirkend die deutsche Rechtsordnung und damit unsere Rechtsstaatlichkeit" aushebeln würde (queer.de berichtete).
Das "hemmungslose Sexualbedürfnis" des homosexuellen Mannes
Problematisch war aus Sicht der Bedenkenträger vor allem, dass das Bundesverfassungsgericht 1957 den Paragrafen 175 in der von den Nazis verschärften Form für verfassungsgemäß erklärt hatte; in dieser aus heutiger Sicht haarsträubenden Entscheidung philosophierten die Richter damals vom "hemmungslosen Sexualbedürfnis" des homosexuellen Mannes, das eine Verfolgung rechtfertige. Dieses Urteil war schon 2002 ein Thema, als der Bundestag zumindest die Verurteilungen wegen homosexueller Handlungen in der Nazi-Zeit aufhob – damals gegen die Stimmen von Union und FDP.
Eine Expertise des Landes Berlin aus dem Jahr 2012 vermutet, dass die Rehabilitierung nicht nur aus vermeintlichen juristischen Gründen stockte, sondern auch, weil man sich hätte "eingestehen" müssen, "dass man auf Druck und unter dem Einfluss der christlichen Kirchen Strafvorschriften über lange Jahre hinweg angewendet hat, deren Fortbestand und deren Vollzug die Menschenwürde verletzt und namenloses Leid über die Verurteilten gebracht hat".
Selbst die Lesben und Schwulen in der Union, die eigentlich die Interessen von LGBTI vertreten sollten, fanden es noch vor wenigen Jahren albern, verfolgte Homosexuelle zu rehabilitieren. So erklärte der damalige Vize-LSU-Chef Björn Beck im Jahr 2010, dass die Forderung nach der Rehabilitierung "zwar nachvollziehbar, aber realitätsfern" sei. "Urteile, die aufgrund geltenden Rechts gefällt und vom Bundesverfassungsgericht gestützt wurden, können nicht aufgehoben werden." Beck forderte daher LGBTI-Aktivisten auf, mit ihren "unrealistischen Forderungen" aufzuhören (queer.de berichtete). Ein paar Jahre später die Kehrtwende: Die LSU machte die Rehabilitierung zu einem ihrer Hauptziele (queer.de berichtete).
Inzwischen hatte es weitere Initiativen der Opposition und auch einiger Bundesländer gegeben. Erst im Mai 2016 wurde der Druck auf die Rehabilitierungsgegner so groß, dass sie ihren Widerstand nicht länger rechtfertigen konnten: Ein vom renommierten Rechtswissenschaftler Martin Burgi erstelltes Gutachten der Antidiskriminierungsstelle des Bundes kam zu dem Ergebnis, dass es nicht nur rechtlich möglich sei, die zehntausenden Urteile gegen Schwule aufzuheben und diese Justizopfer zu entschädigen. Vielmehr sei der Staat verpflichtet, die Aufhebung von Urteilen zu überprüfen, weil diese offensichtlich gegen die Grundrechte einer Bevölkerungsgruppe verstießen. Justizminister Maas ergriff daraufhin die Initiative und versprach noch am selben Tag im queer.de-Interview, die Rehabilitierung auf den Weg zu bringen.
Aber ich stimme dem LSVD zu:
Die Verurteilung (und oft genug auch nur schon die Anklage) war ein lebenslanges Stigma und bedeutete oft den sozialen Tod.
Die haben nicht nur oft Familie und Freunde verloren, sondern meistens auch nicht mehr in ihrem erlernten Beruf arbeiten können und Karrieren verloren. Das bedeutete nicht nur riesige Verdienstausfälle, sondern dann auch später entsprechende Rentenausfälle.
Entsprechend sollte es nicht nur bei einer Entschädigung als Einmalzahlung bleiben, sondern es sollte auch eine monatliche Opferrente geben (natürlich nicht auf andere Zahlungen angerechnet).