Mit der Nominierung Julia Samoilowas will Russland offenbar die Ukraine ärgern
Die Europäische Rundfunkunion (EBU) hat am Donnerstag erklärt, man wolle dem russischen Fernsehsender "Perwy kanal" die Möglichkeit geben, den Beitrag der ESC-Kandidatin Julia Samoilowa zum diesjährigen Contest in Kiew per Live-Schaltung via Satellit einzuspielen. Dies sei sowohl im Semifinale als auch bei einem Weiterkommen im Finale der Show möglich.
Der Hintergrund: Die Ukraine hatte einen Tag zuvor gegen Samoilowa ein Einreiseverbot ausgesprochen, weil sie 2015 auf der von Russland annektierten Halbinsel Krim aufgetreten war. Eine Einreise in die Krim von Russland aus ist aber verboten, da Kiew die Krim weiter als Teil der Ukraine sieht (queer.de berichtete).
"Wir setzen unseren Dialog mit den ukrainischen Behörden fort und hoffen, dass alle Künstler in der Austragungsstadt Kiew anwesend sein können, um ihren Beitrag zu singen", erklärte ESC-Executive-Supevisor Jon Ola Sand. Es sei "unbedingt erforderlich", dass der Song Contest frei von Politik bleibe. Gleichwohl schlage man einen Kompromiss vor: "Wir haben 'Perwy kanal' angeboten, dass Julia live via Satellit eingespielt werden kann, weil es die Intention der EBU ist, dass jeder Rundfunkanstalt, die sich am Eurovision Song Contest beteiligen will, die Teilnahme ermöglicht werden soll." Das sei in der langen Geschichte des ESC bislang immer geglückt.
Kommentatoren halten allerdings bereits die Nominierung von Samoilowa, die seit ihrer Geburt nach einer Erkrankung im Rollstuhl sitzt, für einen politischen Zug Moskaus, um die ukrainische Regierung bloßzustellen. So könne Russland sich empören, dass die Ukraine eine behinderte Sängerin bestrafen wolle. Auch Jan Feddersen hat in einem Kommentar auf eurovision.de gemutmaßt, dass Samoilowa nur nominiert worden sei, "damit über sie ein Bann verhängt wird".
Die staatstreuen russischen Medien schlachten das Einreiseverbot bereits aus. So veröffentlichte die staatliche Nachrichtenagentur TASS ein Interview mit der Sängerin, in dem sie sich unschuldig gibt: "Die sehen im mir offenbar eine Bedrohung, in einem so kleinen Mädchen", zitierte TASS die 27-Jährige. "Ich probe aber weiter, weil ich aus irgend einem Grund glaube, dass sich alles noch verändern kann." Der "Perwy kanal" hatte am Mittwoch zugleich in einer gemeinsamen Stellungnahme mit dem Sender "Rossija 1", mit dem man sich jährlich bei der Austragung abwechselt, betont, dass Samoilowa in jedem Fall an einem Grand Prix teilnehmen werde: Wenn nicht in diesem Jahr, dann im nächsten. (dk)
Update 22h: Russland und Ukraine lehnen Kompromiss ab
Der diesjährige russische EBU-Partner "Perwy kanal" hat den offenbar vorab wenig abgesprochenen Kompromissvorschlag der Rundfunkunion abgelehnt. Die Beteiligung aus der Ferne sei "merkwürdig" und widerspreche den Eurovisions-Regeln zum Live-Auftritt auf der ESC-Bühne. "Wir glauben, dass die EBU keine Regeln für die russische Delegation erfinden sollte und dass sie in der Lage ist, einen Wettbewerb im Rahmen der Regeln abzuhalten."
Zuvor hatte bereits der stellvertretende Premierminister der Ukraine den Kompromiss abgelehnt, da ein Auftritt von Samoilowa seiner Ansicht nach auch per Satelliten-Schalte illegal wäre. Er betonte, Russland sei mit einem anderen Beitrag jederzeit beim ESC willkommen. Die Äußerung erfolgte über seinen privaten Twitter-Account und war damit noch nicht als offizielle Ablehnung anzusehen.