Kann die SPD-Spitzenkandidatin Anke Rehlinger (li.) die bisherige Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer ablösen?
Am Sonntag können rund 800.000 Wahlberechtigte die Zusammensetzung des Landtags in Deutschlands kleinstem Flächenstaat bestimmen. Das Saarland wird seit 2012 von einer Großen Koalition geführt – die SPD hofft, dieses Mal mit dem Schulz-Effekt an der Union vorbeiziehen zu können.
Beim Thema LGBTI-Rechte zeigten Regierung und Parlament in den letzten Jahren Engagement: So stimmte der Landtag einstimmig gegen das Blutspendeverbot für schwule Männer. Ohne Gegenstimme votierte das Parlament auch dafür, dass der Lesben- und Schwulenverband künftig im SR-Rundfunkrat vertreten ist. Einstimmig beschloss der Landtag außerdem, eine Anlaufstelle für LGBTI-Gewaltopfer einzurichten.
In Erinnerung bleibt jedoch hauptsächlich der Ausfall von Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer gegen Homo-Paare im Jahr 2015. Damals behauptete die Regierungschefin, dass das Ehe-Verbot für Schwule und Lesben beibehalten werden müsse, da sonst die Zulassung von Viel-Ehen oder inzestuösen Verbindungen erzwungen werden könne; später wertete sie Regenbogenfamilien als "gesellschaftspolitische Experimente" ab. Für diese Ausfälle erhielt sie die Homo-Gurke von queer.de. Die homophoben Tiraden erschienen umso absurder, da laut einem Zeitungsbericht eine Mehrheit ihrer Landtagsfraktion für die Gleichbehandlung im Ehe-Recht sein soll.
Kramp-Karrenbauers SPD-Herausforderin, die derzeitige Vize-Regierungschefin und Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger, ist bei der Frage der Ehe für alle konträrer Ansicht. Sie setzt sich bereits seit Jahren für die Gleichbehandlung von Schwulen und Lesben im Ehe-Recht ein. Die heute 40-Jährige ging etwa nach den gegen Homo-Paare gerichteten Aussagen Kramp-Karrenbauers auf Distanz zu ihrer Koalitionspartnerin. "Wir müssen die zivilrechtliche Ehe auch für gleichgeschlechtliche Paare öffnen", sagte sie damals. "Vergleiche mit Inzest und Polygamie bringen uns in dieser gesellschaftspolitischen Auseinandersetzung mit Sicherheit nicht weiter."
CDU: Hetero-Familie unter "besonderem Schutz des Staates"
In ihrem Wahlprogramm (PDF) betont die CDU, dass Ehe und Familie unter dem "besonderen Schutz des Staates stehen". Unter diesem Verweis auf das Grundgesetz lehnt die Partei immer wieder eine Ehe-Öffnung für Homo-Paare ab. Das scheint sie auch hier zu wollen, denn in den folgenden Zeilen erkennt sie zugleich an, dass Partnerschaften und Familien vielfältiger geworden sind und auch "konservative Werte" von "Alleinerziehenden, in Patchwork-Familien wie in eingetragenen Lebenspartnerschaften und Regenbogenfamilien" gelebt werden könnten. Ansonsten schweigt das Wahlprogramm zu LGBTI-Rechten.
Die Sozialdemokraten fordern dagegen in ihrem Wahlprogramm (PDF) ausdrücklich die Ehe für alle Außerdem heißt es: "Wir setzen uns auch für eine rechtliche und gesellschaftliche Gleichstellung aller Paare mit Kinderwunsch ein und werden einen Aktionsplan gegen Homo- und Transphobie erarbeiten."
Auch Grüne (PDF) und Linke (PDF) fordern die Ehe-Öffnung. Beide Parteien haben gar eigene Abschnitte zu LGBTI-Rechten – die Linke unter der Überschrift "Respektvoll", die Grünen unter "Regenbogenbuntes Saarland" – und betonen etwa einen Einsatz gegen Mobbing an Schulen. Die FDP, die bei der letzten Landtagswahl nur 1,2 Prozent erzielen konnte, gehen in ihrem sehr kurzen Wahlprogramm (Link) nicht direkt auf LGBTI-Rechte ein.
Saar-AfD sucht Nähe zu Rechtsextremen
Neu in den Landtag könnte die AfD einziehen, die im Saarland wegen ihrer Nähe zu Rechtsextremen immer wieder in der Kritik stand. Vergangenes Jahr wollte sogar der AfD-Bundesvorstand den Landesverband aus diesem Grund auflösen, scheiterte aber am parteieigenen Schiedsgericht. Heute sind extreme Tendenzen bei der Saar-AfD für Frauke Petry und Co. kein Problem mehr: Die Parteichefin machte ebenso Wahlkampf für ihre rechtsextremen Parteifreunde wie Haudegen Alexander Gauland und der sich immer noch als liberal gebende baden-württembergische Fraktionschef Jörg Meuthen. Im Wahlprogramm stellt die Saar-AfD auch klar, dass sie sich gegen die Gleichbehandlung von Schwulen und Lesben im Ehe-Recht ausspricht und den "Gender-Wahnsinn" ablehnt.
Unter Homo-Hassern ist die AfD der Favorit: So lobt die "Initiative Familienschutz" aus dem Haus der AfD-Politikerin Beatrix von Storch nach Auswertung der Parteiprogramme: "Die AfD betont als einzige [Partei] in ihrem Programm, dass sie Lebenspartnerschaften und klassische Ehe nicht gleichstellen möchte." Auch die homophobe "Demo für alle" sieht in ihren Wahlprüfsteinen die AfD als die beste Wahl an.
Derzeit liegt die CDU laut Umfragen vor der SPD. So kann die Union laut ZDF-"Politbarometer" mit 37 Prozent rechnen, die SPD kommt auf 32 Prozent. Auch Linke (12,5 Prozent) und AfD (6 Prozent) schaffen demnach den Einzug ins Landesparlament. Grüne (4,5 Prozent) und FDP (4 Prozent) müssen dagegen bangen. Die Piraten, die vor fünf Jahren noch 7,4 Prozent erhielten, spielen heute keine Rolle mehr.
Damit hätte die Große Koalition weiterhin eine deutliche Mehrheit. Sollten Grüne und Liberale an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern, würde es auch für Rot-Rot reichen. Linkspartei-Spitzenkanddiat Oskar Lafontaine hat sich zwar bereits zur Koalition mit seiner Ex-Partei bekannt – wegen der schwierigen Beziehung zwischen Lafontaine und der SPD ist aber nicht sicher, ob sich die Sozialdemokraten darauf einlassen werden. Als wahrscheinlichste Regierungsvariante gilt die Fortsetzung der Große Koalition, die auch von Kramp-Karrenbauer angestrebt wird.
Mit seiner Landtagswahl läutet das Saarland das diesjährige Superwahljahr ein. Im Mai werden auch noch die Parlamente von Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen gewählt. Ende September entscheidet dann die Bundestagswahl, ob Angela Merkel oder Martin Schulz ins Kanzleramt einziehen wird.