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Nähe zu "Demo für alle" und AfD
Konservative CDU-Mitglieder gründen neuen Dachverband
Der "Freiheitlich-konservative Aufbruch" will u.a. gegen "Frühsexualisierung" und "Gender Mainstreaming" kämpfen und mehr Einfluss in der Partei erlangen.

Die rechten Ränder der Union wollen sich durch den Dachverband mehr Gehör verschaffen und offiziellen Status erlangen (Bild: Flaggen von CDU Baden-Württemberg, Rest Montage)
- Von Norbert Blech
26. März 2017, 14:57h 6 Min.
Konservative Mitglieder und Gruppen aus CDU und CSU haben am Samstag in Schwetzingen in Baden-Württemberg den neuen Dachverband "Freiheitlich-konservativer Aufbruch in der Union (FKA)" gegründet. "Wir wollen auf Mitgliederversammlungen und Parteitagen sowie in den Vorstands- und Fraktionsgremien unserer Schwesterparteien verstärkt dazu beitragen, das konservative Profil der Union zu schärfen" und eine "Besinnung auf den Markenkern" der Union erreichen, schreibt der Verband in seiner Selbstvorstellung.
Dazu gehöre auch ein Bekenntnis zum "christlichen Menschenbild". In den am Samstag beschlossenen Positionen heißt es: "Wir fordern die Streichung sämtlicher staatlicher Mittel zum sogenannten Gender Mainstreaming". Und: "Wir fordern ein Ende der Frühsexualisierung an Schulen und entsprechende Änderungen in den Bildungsplänen der Länder". Das klingt nach "Demo für alle" und "AfD".
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Der Verband lehnt zudem die Flüchtlingspolitik der CDU-Chefin und Bundeskanzlerin Angela Merkel ab und fordert u.a. eine Abschaffung der doppelten Staatsbürgerschaft für Einwanderer und eine Obergrenze bei der Aufnahme von Flüchtlingen. Einige Positionen werden auch von der CSU vertreten. Man wolle "heimatlos" gewordene CDU-Mitglieder zurückgewinnen, sagte der am Samstag gewählte Vorsitzende Alexander Mitsch. "Unser mittelfristiges organisatorisches Ziel ist die Anerkennung als Vereinigung innerhalb der Union", betonte das Mitglied im Kreisvorstand der CDU Rhein-Neckar gegenüber der rechten Zeitung "Junge Freiheit".
"Demo für alle"-Flügel der Union
Einer der Sprecher des neuen Dachverands ist Thomas Jahn vom "Konservativen Aufbruch – CSU-Basisbewegung für Werte und Freiheit". Er war im Juni 2015 mit einem Bus mit Anhängern zur homofeindlichen "Demo für alle" nach Stuttgart gefahren. Man dürfe nicht zulassen, dass die Regierung "Kinder ideologisch für irgendwelche verrückten Gender-Experimente missbraucht", sagte er in einer Rede.
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Die "Demo für alle", ursprünglich in der "Initiative Familienschutz" der AfD-Politikerin Beatrix von Storch entstanden, vereinte mit ihren Protesten gegen die Ehe für alle wie zu Bildungs- und Akzeptanzplänen zu sexueller Vielfalt Mitglieder aus Union und AfD und weiterer rechter und christlicher Kreise in einen gemeinsamen Kampf. Organisatorin Hedwig von Beverfoerde ist im letzten Dezember aus der CDU ausgetreten (queer.de berichtete).
Nach der letzten "Demo für alle" in Wiesbaden schrieb Jahn in einem Offenen Brief an den Generalsekretär der CDU in Hessen, dessen Forderung an Parteimitglieder nach einer Distanzierung von dem Protest sei inakzeptabel. Die Protestbewegung kämpfe für "den Schutz wehrloser Kinder vor Frühsexualisierung" und gegen die Ersetzung des "Elternrechts" durch "eine indoktrinierende Staatserziehung", die auf "linke Gesellschaftsexperimente wie die Gender-Ideologie" setze.

Thomas Jahn auf einer "Aufbruch"-Veranstaltung mit der homofeinlichen "Gender-Gaga"-Autorin Birgit Kelle, die zu vielen Untergruppen und Personen des Dachverbands im Kontakt steht. Das CDU-Mitglied trat mehrfach auf der "Demo für alle" auf.
Während die CSU inzwischen ein Grundsatzprogramm verabschiedet hat, das sich gegen "Frühsexualisierung", "Gender-Ideologie" und "jegliche Relativierungsversuche" der Ehe zwischen Mann und Frau wendet (queer.de berichtete), ist der zwischenzeitlich prominenteste Sprecher des "Konservativen Aufbruchs" mittlerweile aus der Partei ausgetreten: Auch David Bendels war mit ganzen Bussen von Anhängern nach Stuttgart zu einer "Demo für alle" angereist (queer.de berichtete).

David Bendels auf einer "Demo für alle", einer in seinen Worten "beeindruckenden Demonstration des bürgerlichen Verstandes", an der auch AfD-Politiker teilnahmen: "Wir stehen hier für Ehe und Familie und unsere Kinder." Eine Ehe könne "nur zwischen Mann und Frau bestehen", das lasse man sich von "grün-linken Spinnern nicht ausreden".
Mit seinem "Verein zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und der bürgerlichen Freiheiten" unterstützt Bendels inzwischen kostspielige Wahlplakate und -zeitungen zugunsten der AfD; in dem gerade auch im Saarland verteilten "Extrablatt" werden vor Wahlen aktuelle Themen extrem populistisch aufbereitet und eine Wahlempfehlung für die AfD ausgesprochen. Auch heißt es, Lehrpläne zu sexueller Vielfalt hätten "eine verfehlte Frühsexualisierung unserer Kinder und die Auflösung der Familie zum Ziel". Der Bundestag überprüft laut Spiegel eine verdeckte Parteienfinanzierung.
Zu den regionalen Mitgliedsinitiativen des neuen Unions-Dachverbands gehören ähnliche "Aufbruch"-Gruppen aus Baden-Württemerg, Hessen, Bremen, Hamburg, Sachsen und Niedersachsen, wobei ihre Größe und Einfluss noch recht unklar sind – der CSU-"Aufbruch" umfasst hingegen mehrere tausend Mitglieder. Vor allem in NRW hatte es in den letzten Monaten einige Schlagzeilen über "konservative Kreise" gegeben, bei einem Rebellen-Treffen in Krefeld hatte Birgit Kelle laut Lokalzeitungen die Moderation übernommen.
Von "Konrads Erben" bis hin zur "Aktion Linkstrend stoppen"
Zu den bundesweiten Vereinigungen im neuen Dachverband gehört der "Berliner Kreis" konservativer Bundestags- und Landtagsabgeordneter. Dieser warnte noch im letzten November, Bildungspläne dürften nicht "in eine Diskriminierung der heterosexuellen Mehrheitsbevölkerung führen", sprach sich gegen die Ehe für alle aus und forderte: "Genderideologie und Frühsexualisierung stoppen" (queer.de berichtete).
Zu den Mitgliedern gehören der einflussreiche Abgeordnete Wolfgang Bosbach, Birgit-Kelle-Unterstützerin Sylvia Pantel, Thomas Dörflinger, der ein Grußwort für die "Demo für alle" verfasste, oder Arnold Vaatz, der meinte: "Deutschland leidet nicht an einer Diskriminierung von Schwulen und Lesben, sondern an der Tatsache, dass zu wenige Kinder geboren werden" (queer.de berichtete).

queer.de berichtete) Mitglieder des "Berliner Kreises" wie Sylvia Pantel und Veronika Bellmann und weitere Abgeordnete im letzten Februar bei einem Frühstück im Bundestag mit Birgit Kelle und dem homofeindlichen Aktivisten und "Demo für alle"-"Wissenschaftler" Manfred Spieker (
Auch die sächsische Bundestagsabgeordnete Veronika Bellmann, die kürzlich in ihrer Heimat Birgit Kelle trotz Protests der LSU auftreten ließ, sich für einen Dialog mit der AfD stark macht und die Ehe als Frage "der Gott gegebenen Natur" ansieht, gehört zu den Mitgliedern (queer.de berichtete). Während der frühere sächsische Fraktionschef Steffen Flath die Ehe als "Sakrament" und die Lebenspartnerschaft als "nicht nachhaltig" bezeichnete (queer.de berichtete), hatte Christean Wagner als hessischer CDU-Fraktionschef und zuvor als Kultus- und Justizminister eine Gleichstellung jahrelang bekämpft. Er war am Samstag Starredner bei der Gründung des FKA.
Eine weitere Gruppe im Dachverband ist "Konrads Erben", von Mitsch mit rund 200 anderen Alt-Stipendiaten der Konrad-Adenauer-Stiftung vor allem aus Kritik gegen die Einwanderungspolitik der Kanzlerin gegründet. Zu den Gründern gehört der Kölner Medienanwalt Ralf Höcker, bekannt durch Szeneveranstaltungen, Talkshows und dem Einsatz seiner Kanzlei u.a. für Birgit Kelle, David Berger, AfD-Politiker und den türkischen Staatspräsidenten Erdogan.
Auch im Dachverband vertreten ist die "Aktion Linkstrend stoppen", ein in neurechten Populismus und AfD-artige Anti-Islam-Hetze abdriftendes Forum der Unionsbasis, das in sozialen Netzwerken die "Demo für alle" oder Bücher von Birgit Kelle bewirbt.

Motiv von "Aktion Linkstrend stoppen" bei Facebook
Die "Aktion" beklagte bereits 2010 in einem Manifest, dass sich die Union "linke Gesellschaftspolitik zueigen" mache, "ob bei der Geschlechterumerziehung des 'Gender Mainstreaming', Homo-Ehe oder der Gängelung von Unternehmen durch das 'Antidiskriminierungsgesetz'". Zu den Unterstützern gehören auch erzkatholische und evangelikale Kreise, darunter Hubert Gindert vom erzhomophoben Forum Deutscher Katholiken oder der Publizist Martin Lohmann und Werner Münch, die wie Beverfoerde auf Forums-Veranstaltungen auftraten, um sich gegen Homo-Rechte auszusprechen (queer.de berichtete).
Auf einem Kongress der "Aktion Linkstrend stoppen" trat vor einigen Jahren auch der wegen seiner "Tätervolk"-Rede zuvor aus der CDU ausgeschlossene frühere Bundestagsabgeordnete Martin Hohmann auf. Er ist inzwischen von der AfD für den Bundestag aufgestellt worden und bezeichnete den hessischen Kultusminister wegen des Bildungsplans als "Verderber unserer Kinder", der eintrete für eine "Akzeptanz für sexuelles Verhalten, das vor nicht allzu langer Zeit als pervers galt" (queer.de berichtete).
Setzt sich der neue Dachverband durch, könnte man homofeindliche Positionen und Aussagen der Union von vor nicht allzu langer Zeit bis ganz von vorgestern demnächst häufiger hören.
