Alice Weidel bei einer kurzen Ansprache nach der Aufstellung zur Spitzenkandidatin
Die "Alternative für Deutschland" hat am Sonntag bei ihrem Bundesparteitag in Köln zur Bundestagswahl im Herbst ein Spitzenduo aus der baden-württembergischen Ökonomin Alice Weidel und Parteivize Alexander Gauland aufgestellt. Zuvor hatte Parteichefin Frauke Petry ihren Verzicht auf eine Spitzenkandidatur erklärt.
Petry war mit dem Versuch gescheitert, die Partei zu einer Kursklärung und einer Distanzierung von extremen Flügeln zu bringen. Zugleich hatte sie das in Köln beschlossene Wahlprogramm mitgetragen, das u.a. auf rigorose Maßnahmen in der Flüchtlingspolitik, einen Anti-Islam- und Anti-Euro-Kurs, die Rücknahme der Energiewende oder eine erzkonservative Familienpolitik setzt.
In einer kurzen kämpferischen und populistischen Rede sagte Weidel nach der Aufstellung zur Spitzenkandidatin, dass "politische Korrektheit auf den Müllhaufen der Geschichte" gehöre. Sie beklagte unter anderem, dass sie mit ihrer Familie Weihnachtsmärkte nicht mehr in friedlicher Atmosphäre genießen könne, weil diese christlichen Feste mit Polizei und Maschinengewehren geschützt werden müssten.
Wie der Öffentlichkeit erst durch eine "Maischberger"-Sendung bekannt wurde, lebt Weidel mit einer Frau zusammen und zieht zwei Söhne auf. Gegen homofeindliche Positionen ihrer Partei hatte sie sich bislang nicht spürbar öffentlich positioniert. Das in Köln beschlossene Wahlprogramm bezeichnete sie als "exzellent".
Wahlprogramm gegen Regenbogenfamilien und Homo-"Propaganda"
Dieses nun beschlossene Wahlprogramm der AfD wertet dabei Regenbogenfamilien wie die von Weidel klar ab: "Wir lehnen alle Versuche ab, den Sinn des Wortes 'Familie' in Art. 6, Abs. 1 Grundgesetz auf andere Gemeinschaften auszudehnen", schreibt die AfD darin und stellt sich damit sogar gegen die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts – das hatte geurteilt, dass der Schutz des Grundgesetzes auch eine Familie etwa aus Mutter, Mutter und Kind umfasse. Die Politik müsse sich "am Bild der Familie aus Vater, Mutter und Kindern" orientieren, fordert hingegen die AfD, auch der Begriff "Ehe" sei rein "klassisch" zu verstehen.
Eines von drei Plakatmotiven zur Bundestagswahl, deren Aushang von AfD-Mitgliedern gespendet werden kann. Die AfD-Bundesvorständin Beatrix von Storch, von der Berliner Landespartei zur Bundestagswahl aufgestellt, hatte mit der "Initiative Familienschutz" und der zunächst angeschlossenen "Demo für alle" in den letzten Jahren Stimmung gegen LGBTI-Rechte gemacht
Zudem wehrt sich die Partei gegen eine "einseitige Hervorhebung der Homo- und Transsexualität im Unterricht", die einen "unzulässigen Eingriff in die natürliche Entwicklung unserer Kinder" und das Elternrecht darstelle und Kinder und Jugendliche "in Bezug auf ihre sexuelle Identität verunsichert, überfordert und in ihren Schamgefühlen verletzt". Kinder dürften nicht "zum Spielball der sexuellen Neigungen einer lauten Minderheit werden"; "Umerziehungsprogramme in Kindergärten und Schulen" mit dem angeblichen Ziel, "das bewährte, traditionelle Familienbild zu beseitigen", seien als "ideologisches Experiment der Frühsexualisierung" zu beenden, die Förderung von "Gender-Forschung" und Gleichstellungsbeauftragte seien abzuschaffen.
180-Grad-Wende zur heterosexuellen Mehrheitspolitik
Der Parteitag nahm am Samstag zudem noch einen Antrag an, das Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend als "'Gedönsministerium' aus(zu)misten" und in ein "Bundesministerium für Familie und Bevölkerungsentwicklung" umzuwandeln. Die schriftliche Antragsbegründung betont, das bisherige Ministerium stehe für "die Genderclique mit Gleichstellung, Frühsexualisierung und anderen gravierenden Fehlentwicklungen".
Der Magdeburger Landtagsabgeordnete und homofeindliche Hetzer Hans-Thomas Tillschneider betonte in der Debatte, das Ministerium habe bislang "Gender-Mainstreaming-Maßnahmen" koordiniert, "die darauf abzielen, die normale Familie, die auf der Ehe aus Mann und Frau beruht, abzuwerten und gleichzustellen mit allen möglichen Formen des Zusammenlebens". Man brauche auf diesem Gebiet eine "politische Wende um 180 Grad".
Weidel mit Alexander Gauland nach der Bestätigung durch den Parteitag. Das einstige CDU-Mitglied Gauland hatte im Sommer 2015 beklagt, dass die Union über die Homo-Ehe debattiere, während Deutschland an einer überalternden Gesellschaft und an Kinder- und Fachkräftemangel leide
Zudem wurde ein Antrag angenommen, der das "vom Grundgesetz geschützte und bewährte Leitbild der Ehe und traditionellen Familie mit Kindern bewahren und stärken" soll. "Anerkannte Regeln zu Partnerschaft und Familie, Haushaltsführung, Lebensschutz und Kindererziehung" sollten in Schulbücher aufgenommen werden. Die Programmkommission befürwortete den Antrag in der Debatte als Bekenntnis zum "Leitbild Familie, Vater, Mutter, Kinder".
Einer der Antragsteller sagte in der Debatte, es gehe darum, "dass die traditionelle Familie immer weiter in den Hintergrund gedrängt wird durch das Gender Mainstreaming und anderen Unsinn, den man versucht, uns einzutrichtern. Wir wollen deswegen klarstellen, dass wir die traditionelle Familie … als ein Modell unter verschiedenen sehen, aber natürlich als das beste für die Kinder. Und das muss entsprechend so auch in der Schule kommuniziert werden."
Artikel wurde korrigiert: Wedel hat inzwischen zwei Söhne.
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