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Erste Liebe oder Missbrauch?
Der 15- und der 30-Jährige
In seinem autobiografischen Roman "Die Sache mit Peter" erzählt Max Meier-Jobst von seinem väterlichen Freund.

Von wegen wunderbare Jahre: Im Niemandsland zwischen Mann und Junge festzustecken ist ziemlich aufreibend – vor allem, wenn der erste Freund mehr als doppelt so alt wie man selbst ist (Bild: Fotolia.com/Yalana)
- 8. Mai 2017, 08:53h 3 Min.
"Die Pubertät stirbt im vierten Jahr. Du wirst achtzig." So versucht der 30-jährige Peter, seinen mehr als anderthalb Jahrzehnte jüngeren, hormongeplagten Liebhaber aufzumuntern. Als ob das ganz normale Adoleszenzdrama eines Teenagers, der sich seiner eigenen Homosexualität bewusst wird, hier das einzige Problem wäre. Was ist das bloß für eine Beziehung, diese Liebschaft zwischen Junge und Mann: Missbrauch? Erste Liebe? Oder vielleicht sogar beides?
"Die Sache mit Peter" liefert darauf keine eindeutigen Antworten. Und genau darin liegt die Stärke des Romans. Weder verklärt er die problematischen Vorlieben des Älteren, noch verurteilt er ihn explizit dafür. Was dem Leser Raum für Interpretationen gibt – und einiges an Kopfzerbrechen abverlangt. Gerade die einfühlsam geschilderten, aber dennoch zutiefst verstörenden Sexszenen liefern gleichermaßen Erregungs- wie Skandalpotenzial.
Doch zunächst einmal ist "Die Sache mit Peter" die Geschichte einer Jugend, wie viele junge Schwule sie heute erlebt haben: Auf der einen Seite die schier unbegrenzten Möglichkeiten der Selbstentfaltung (und -befriedigung) im Netz, auf der anderen Seite die oftmals noch immer beschämend begrenzte Fähigkeit zu Toleranz und Akzeptanz von Eltern, Mitschülern, Gesellschaft.
Unerschrockener Tabubruch

"Die Sache mit Peter" von Max Meier-Jobst ist im Februar 2017 erschienen, er ist auch als Ebook erhältlich
Dem Autor gelingt das Kunststück, innerhalb weniger Absätze mühelos von der magisch-melancholischen Stimmung eines Coming-out-Romans, vergleichbar etwa mit der in Andreas Steinhöfels "Die Mitte der Welt", oder aktueller, Becky Albertallis "Nur drei Worte", hinab in die Abgründe menschlicher Perversion zu gleiten, so drastisch wie bei A.M. Homes in "Das Ende von Alice" und dabei beinahe so sozialkalt wie Édouard Louis in "Das Ende von Eddy."
Falls es überhaupt ein Etikett für eine solch wilde Mischung geben kann, dann wohl am ehesten das einer Coming-of-Age-Geschichte. Sicherlich kein Zufall, dass das lapidar anmutende, eingangs erwähnte Zitat fast identisch in David Mitchells monumentalem "Der dreizehnte Monat" zu finden ist, einem Roman, in dem es nur am Rand um Homosexualität, aber dafür um so mehr um die Suche nach der eigenen Männlichkeit geht, erschwert durch kollektives Versagen männlicher Vorbilder – allen voran des Vaters.
Dieses Motiv bestimmt auch "Die Sache mit Peter". Das schmerzhafte Anerkennungsvakuum, das mit dem Zerfall der Familie und dem schrittweisen Verlust sämtlicher kindlichen Bezüge und Bezugspersonen einhergeht, ist mehr als nur die Hintergrundmusik des Romans, sondern gibt den Ton an: Die Lücke, die der Vater hinterlässt, versucht der väterliche Freund einzunehmen.
Ein traditioneller Verlag hat sich an dieses Tabuthema nicht herangewagt, obwohl der Schreiber, der sich hinter dem Pseudonym Max Meier-Jobst verbirgt, ein Profi ist, der sein Handwerk versteht. Glücklicherweise hat er sich nicht einschüchtern lassen, weder von ängstlichen Verlagen noch vom Schrecken einer derart ambivalenten Jugend, und seine Geschichte in Eigenregie bei BoD herausgebracht. Die Pubertät mag für den Autor mittlerweile gestorben sein, seine literarischen Erinnerungen daran sind jedoch äußerst lebendig geraten. (cw/pm)
Max Meier-Jobst: Die Sache mit Peter. Autobiographischer Roman. 348 Seiten. Paperback. Verlag: Books on Demand, Norderstedt 2017. 12,99 € (E-Book 4,99 €). ISBN 978-3-7431-4184-1
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